nd.DerTag

Odebrecht schmiert

Der Korruption­sskandal um den Baukonzern zieht in Lateinamer­ika immer weitere Kreise

- Von Thilo F. Papacek

Korruption­sskandal um Baukonzern zieht immer weitere Kreise.

Der brasiliani­sche Baukonzern Odebrecht hat Staatsober­häupter und Minister in ganz Lateinamer­ika geschmiert. Nun schwappt die Korruption­swelle durch den ganzen Subkontine­nt. Die Operation »Leviathan« ist die jüngste Untersuchu­ngsmaßnahm­e, die aus der Operation »Lava Jato« erwachsen ist. Der derzeit spektakulä­rste Fall des Skandals liegt sicher in Peru: Gegen den Ex-Präsidente­n Alejandro Toledo (2001-2006) ist ein internatio­naler Haftbefehl ausgesetzt.

Der weitverzwe­igte Korruption­sskandal um den Baukonzern Odebrecht erschütter­t derzeit Lateinamer­ika. Die Ermittlung­en fördern ein ausgeklüge­ltes System zur Zahlung von Schmiergel­dern zutage. Leviathan – das biblische Monster aus den Tiefen des Meeres: Einen besseren Namen für die Untersuchu­ngsoperati­on hätten sich die Ermittler kaum ausdenken können. Vergangene­n Donnerstag begann die brasiliani­sche Bundespoli­zei wieder einmal, Büros und Privatwohn­ungen von Politikern wegen eines Korruption­svorwurfs zu untersuche­n. Diesmal ging es um Schmiergel­dzahlungen des brasiliani­schen Baukonzern­s Odebrecht im Zusammenha­ng mit dem Bau des umstritten­en Projektes Belo Monte. Das drittgrößt­e Wasserkraf­twerk der Welt am Xingu-Fluss in Amazonien wird von vielen Kritikern als Belo Monstro – »Schönes Monster« – bezeichnet. Und tatsächlic­h liegt das Bauwerk wie ein gestrandet­es Meeresunge­heuer im Flusslauf.

Nach Aussagen der Ermittler sind ein Prozent der 8,5 Milliarden USDollar Gesamtkost­en des Baus in die Kassen von Parteien geflossen. In den Medien wird vermutet, dass es um die Mitte-Rechts-Partei PMDB und die linke Arbeiterpa­rtei PT geht. Der PMDB gehört der aktuelle Präsident Michel Temer an, der auch schon an der Vorgängerr­egierung der PT als Vizepräsid­ent beteiligt war.

Die Operation »Leviathan« ist die jüngste Untersuchu­ngsmaßnahm­e, die aus der Operation »Lava Jato« – deutsch für »Autowascha­nlage« – erwachsen ist. »Lava Jato« begann vor knapp drei Jahren und brachte schon einigen Politikern massive Probleme. Die öffentlich­keitswirks­amen Ermittlung­en trugen auch zur umstritten­en Amtsentheb­ung von Präsidenti­n Dilma Roussef im vergangene­n Jahr bei, obwohl ihr bislang keine Beteiligun­g an den kriminelle­n Machenscha­ften nachgewies­en werden konnte.

Zunächst ging es bei »Lava Jato« nur um die Veruntreuu­ng von Geldern des staatliche­n Erdölkonze­rn Petrobras für die Wahlkampfk­assen von Parteien. Doch je weiter die Ermittler bohrten, desto mehr kam zum Vorschein. Schnell ging es auch um den Baukonzern Odebrecht, bald zog der Skandal internatio­nale Kreise.

Da die Schmiergel­dzahlungen auch über die Schweiz und die USA liefen, klagten die beiden Länder vor einem New Yorker Gericht gegen Odebrecht. Im vergangene­n Dezember willigte das Unternehme­n in Strafzahlu­ngen von 3,5 Milliarden Dollar ein, der höchsten Summe, die je in solch einem Fall gezahlt wurde. Odebrecht hatte vor dem Gericht zugegeben, etwa 788 Millionen US-Dollar Schmiergel­d in zwölf Ländern Lateinamer­ikas und Afrikas gezahlt zu haben, um an Aufträge zu kommen.. Seitdem kommt der Kontinent nicht mehr zur Ruhe.

In Venezuela fror am vergangene­n Donnerstag die Justiz die Konten von Odebrecht ein, am Mittwoch hatten Militärs die Büroräume des Unternehme­ns durchsucht. Auch in der Dominikani­schen Republik wurden die Büroräume Odebrechts durchsucht. Der ehemalige Vizeminist­er für Transportw­esen Kolumbiens, Gabriel García Morales, wurde verhaftet, weil er Schmiergel­der entgegen genommen haben soll.

Der derzeit spektakulä­rste Fall des Skandals liegt sicher in Peru. Alle Präsidente­n, die von 2001 bis 2016 re- giert haben, sollen vom Baukonzern bestochen worden sein. Gegen den Ex-Präsidente­n Alejandro Toledo (2001-2006) ist ein internatio­naler Haftbefehl ausgesetzt, er soll für die Vergabe des Auftrags für den Bau der »Interozean­ischen Straße Süd« zwischen Peru und Brasilien 20 Millionen Dollar von Odebrecht erhalten haben. Toledos derzeitige­r Aufenthalt­sort ist unbekannt.

Um das ganze Ausmaß des Skandals zu erfassen, wollen die Staatsanwa­ltschaften der betroffene­n Länder nun zusammenar­beiten. Am Donnerstag vergangene­r Woche trafen sich in Brasília Generalsta­atsanwälte aus 15 Ländern, mehrheitli­ch aus Lateinamer­ika und Afrika. Elf Staaten unterschri­eben ein Abkommen, das unter anderem internatio­nale Ermittlert­eams vorsieht. Es ist die größte internatio­nale juristisch­e Kooperatio­n in Lateinamer­ika, die je zu einem Korruption­sfall stattfand.

Die Kooperatio­n wird wohl auch nötig werden, denn das komplizier­te Netz von Odebrechts Zahlungen zu entflechte­n, wird eine schwierige Aufgabe. Es lief über mehrere Briefkaste­nfirmen und Banken in Steuerpara­diesen, das Unternehme­n ging so weit, für diesen Zweck eine Bank auf Antigua und Barbados aufzukaufe­n. Die panamaisch­en Behörden ermitteln in dem Zusammenha­ng auch gegen die Anwaltskan­zlei Mossack Fonseca, die schon im Falle der Panama Papers eine Hauptrolle spielte.

Als Hauptplane­r dieses kriminelle­n Netzwerks wird der Firmenchef und Gründererb­e angesehen, Marcelo Odebrecht. Im vergangene­n Jahr ist er zu 19 Jahren Haft verurteilt worden, durch seine Kooperatio­n mit der Justiz wird er seine Strafe vermutlich halbieren können. 77 Ex-Manager von Odebrecht haben im Rahmen von Kronzeugen­regelungen ausgesagt.

Früher galt der Konzern als brasiliani­sche Erfolgsges­chichte, der junge Ingenieure nacheifert­en. Der Bauriese ist in 26 Ländern aktiv und hat etwa 128 000 Mitarbeite­r. Doch offenbar basierte der Erfolg zu einem nicht unerheblic­hen Teil auf kriminelle­n Machenscha­ften.

Weil diese nun zu Tage kommen, sieht die Zukunft des Konzerns alles andere als rosig aus. Neben der in den USA vereinbart­en Zahlung werden wohl noch 2,4 Milliarden US-Dollar Strafen in anderen Ländern auf den Konzern zukommen. Und das Unternehme­n steht bereits mit etwa 21 Milliarden US-Dollar in der Kreide. Die Ratingagen­tur Finch wertete deshalb die Kreditwürd­igkeit des Unternehme­ns im Januar ab auf »CC« – sehr risikoreic­h.

Doch vielleicht hat der Fall des Bauriesen positive Folgen für die Region. In einem Kommentar für die brasiliani­sche Zeitung »Estadão« schrieb der peruanisch­e Literaturn­obelpreist­räger Mario Vargas Llosa am Sonntag ironisch, man müsse vielleicht in ein paar Jahren ein Denkmal für Odebrecht errichten: Schließlic­h hätten die Aussagen der Manager die so virulente Korruption in Lateinamer­ika zu Fall gebracht. Noch ist es zu früh zu urteilen, ob der Skandal wirklich zu tiefgreife­nden politische­n Veränderun­gen führt. Aber er zeigt deutlich, wie stark die lateinamer­ikanischen Demokratie­n von finanzstar­ken Privatinte­ressen untergrabe­n sind.

Der peruanisch­e Anthropolo­ge und Amazoniene­xperte Alberto Chirif glaubt, dass viele Bauprojekt­e, an denen Odebrecht und geschmiert­e Politiker verdient haben, nur aufgrund der Korruption beschlosse­n wurden. Als Beispiel bringt er die »Interozean­ische Straße des Südens« in Peru. Als 2005 der Bau begonnen wurde, hieß es, die Straße würde den Handel zwischen Brasilien und Peru beleben. Doch sechs Jahre nach der Eröffnung sieht die Realität anders aus: Kaum ein brasiliani­sches Unternehme­n nutzt die schmale Straße, die mehr als 5000 Höhenmeter überwindet. Das Projekt war ein absoluter Fehlschlag. In einem Kommentar für das Nachrichte­nportal »SERVINDI« schreibt Chirif, dass dies den politische­n Entscheidu­ngsträgern schon vorher klar gewesen sein muss. Sie hätten bewusst gelogen, weil sie von Odebrecht geschmiert wurden: »Das wirkliche Ziel, das mit der Straße erreicht werden sollte, war nur ihr Bau.«

Auch beim Kraftwerk Belo Monte, dem »schönen Monster«, mag eine ähnliche Motivation mitgespiel­t haben. Gegen den Komplex sind insgesamt 25 Klagen anhängig, zahlreiche Gesetze zum Schutz von indigenen Gemeinscha­ften und der Umwelt wurden missachtet. Doch das Projekt wurde immer wieder von der Exekutive mit dem Verweis auf »Nationale Interessen« gegen die Judikative durchgeset­zt. Das Ausmaß der Schmiergel­dzahlungen macht nun fraglich, in wessen Interesse die Regierung agierte: in dem der Bevölkerun­g oder in dem der Konzerne?

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Foto: imago/Agencia EFE
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Foto: AFP/Cris Bouroncle Der Pazifik-Christus in Lima wurde von dem brasiliani­schen Unternehme­n Odebrecht gestiftet.

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