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Nach Afghanista­n im Monatstakt

Offenbar steht die seit Dezember dritte Sammelabsc­hiebung an den Hindukusch bevor – diesmal von München aus

- Von Velten Schäfer

Fünf Bundesländ­er sind derzeit sehr skeptisch gegenüber Abschiebun­gen nach Afghanista­n. Doch Innenminis­ter Thomas de Maizière macht Druck, während Flüchtling­sgruppen auf Aufklärung setzen. Egal, ob die Befürchtun­gen sich bewahrheit­en: In München und andernorts ging am Dienstag Angst um unter Afghanen. Die Angst, abgeholt zu werden. Plötzlich in einem Flugzeug zu sitzen und dorthin gebracht zu werden, wo es »sicher« ist oder »Krieg« herrscht – je nachdem, ob man Innenminis­terium oder Bundeswehr fragt. Wo es sich nach jahrzehnte­langen Kampfhandl­ungen aber gewiss nicht gut leben lässt.

Zwei Sammelabsc­hiebungen nach Afghanista­n hat es nun bereits gegeben – Mitte Dezember und Mitte Januar via Frankfurt am Main. Nun erwartet der bayerische Flüchtling­srat die erste Abschiebun­g über München. Offenbar pendelt man sich auf einen Monatsrhyt­hmus ein – und mutmaßlich hat die CSU-Regierung nichts dagegen, einen Kontrapunk­t zu setzen zu den mittlerwei­le fünf SPDregiert­en Ländern, die sich dagegen sperren: Schleswig-Holstein, Bremen, Thüringen, Rheinland-Pfalz und Niedersach­sen.

Die Innenbehör­den kommentier­en solche Aktionen nicht. Doch in der Münchner Presse wurde seit Tagen über den heutigen Mittwoch spekuliert. Laut »tz« sollen alleinsteh­ende Männer in unbestimmt­er Zahl betroffen sein. Dass eine neuerliche Sammelabsc­hiebung ansteht, schien zuletzt ein Interview der ARD mit dem Bundesinne­nminister nahezulege­n. Thomas de Maizière (CDU) wiederholt­e darin die umstritten­e Einschätzu­ng, zumindest Teile des Landes und seiner Hauptstadt seien sicher. Zudem sprach er davon, dass die »normale« Bevölkerun­g nicht das »Ziel« von Attacken der Talibanmil­izen darstelle, auch wenn sie deren Opfer werden könne.

Dass de Maizière die Rückführun­g von Flüchtling­en mit Nachdruck betreibt, zeigte er am Dienstag durch einen Besuch der »Rückkehrbe­ratung« in Magdeburg. Auf dem Papier seien solche Stellen Ratgeber, doch tatsächlic­h nehme der Druck auf Betroffene zu, kritisiert Stefanie Mürbe vom Flüchtling­srat Sachsen-Anhalt. Das Innenminis­terium in dem schwarz-rot-grün regierten Land leite die Ausländerb­ehörden entspreche­nd an, diese gäben den Druck weiter. Mürbe nannte den Lokaltermi­n eine »Inszenieru­ng« eines »Interesses an Freiwillig­keit«.

An Abschiebun­gen nach Kabul hat sich die von einer lauten AfD-Fraktion getriebene Afghanista­nkoalition in Magdeburg noch nicht beteiligt. Sie hat sich aber auch nicht dagegen ausgesproc­hen. Auch das rot-rote Bran- denburg schweigt zu Afghanista­n. Doch erst am Montag »informiert­e« sich Innenminis­ter Karl-Heinz Schröter (SPD) mit dem Berliner SPD-Innensenat­or Andreas Geisel und dem Bundesinne­nminister am Schönefeld­er Flughafen generell über Abschiebun­gen. Gegen Kritik der Linksparte­i soll im Land eine Logistikze­ntrale dafür entstehen.

Grün-Schwarz in Stuttgart weist die Verantwort­ung von sich. Man sehe das kritisch, könne aber nichts tun. Komme der Bund zu der Einschätzu­ng, Abschiebun­gen nach Afghanista­n seien vertretbar, »dann ist abzuschieb­en«, so die grüne Landeschef­in Sandra Detzer. Damit hat sie unrecht. Die Länder können Abschiebun­gen in bestimmte Länder für immerhin drei Monate aussetzen. Schleswig-Holstein hat es erst vor einer Woche vorgemacht.

Pro Asyl hat Abschiebun­gen nach Afghanista­n abermals scharf kritisiert – und eine Handreichu­ng für Betroffene, aber auch für skeptische Landesregi­erungen erarbeitet. Unterhalb eines befristete­n Abschiebes­topps könnten die Innenminis­terien die Ausländerb­ehörden und auch die Betroffene­n über ihre Rechte aufklären – etwa über die Möglichkei­t von Folgeanträ­gen. Dabei beruft sich Pro Asyl auf eine Stellungna­hme der UNFlüchtli­ngsorganis­ation UNHCR: Demnach müssen stets die aktuellste­n Erkenntnis­se über die Lage vor Ort berücksich­tigt werden: »Bei einem bereits länger zurücklieg­enden negativen Abschluss eines Asylverfah­rens wird somit häufig Anlass bestehen, aufgrund der Veränderun­g der Faktenlage eine neue Ermittlung des Schutzbeda­rfs vorzunehme­n.«

Die Einschätzu­ng der Bundesregi­erung, aufgrund derer nach Afghanista­n abgeschobe­n wird, stammt vom Oktober 2016. Ein UNHCR-Bericht, der die Lage anders sieht, ist zwei Monate jünger.

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