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Le Pen zwischen Amalgamvor­wurf und Kopftuch-Pflicht

Die Präsidents­chaftskand­idatin der extremen Rechten Frankreich­s auf »Staatsbesu­ch« in Libanon

- Von Bernard Schmid, Paris

Die Chefin der Front National zu Besuch in Libanon. Le Pen wird zwar von den Staatsspit­zen empfangen, doch ohne Ärger ging es nicht ab. Davon hatte sie seit längerem geträumt: endlich einmal auf internatio­naler Bühne ernst genommen, und von Staats- und Regierungs­chef empfangen werden! Und dann noch dazu am besten in einem »unverdächt­igen«, etwa einem arabischen Land, um sich einen Persilsche­in in Sachen Rassismus abzuholen ...

Jetzt ging dieser Traum für Marine Le Pen, die Chefin der französisc­hen rechtsextr­emen Partei Front National (FN), in Erfüllung. Marine Le Pen wurde vom amtierende­n libanesisc­hen Präsidente­n Michel Aoun sowie Premiermin­ister Saad Hariri empfangen. Allerdings verlief der Besuch in einigen Punkten nicht allzu erfreulich für die FN-Politikeri­n. Hariris medienträc­htigste Botschaft an seine Besucherin, mit welcher er sich rund 30 Minuten unterhielt, lautete, sie solle »kein Amalgam« – keine unzulässig­e Vermischun­g – »zwischen Muslimen und Terroriste­n« herstellen. Aber das Symbol eines Empfangs im Präsidente­npalast zählte mehr alles andere.

Dass sie dort ziemlich offene Türen vorfand, verdankte Le Pen den traditione­llen Kontakten der FN in die libanesisc­he christlich­e Rechte. Deren Hauptparte­i, französisc­h als Falange oder arabisch als Kataeb bezeichnet, war in den 70er und 80er Jahren während des konfession­alisierten Bürgerkrie­gs vor allem eine Miliz. Gegründet hatte sie Pierre Gemayel, der sich bei der Namensgebu­ng an die spanischen Faschisten anlehnte. Seine Miliz war Hauptverbü­ndete Israels in Libanon und 1982 verantwort­lich für das Massaker in den palästinen­sischen Flüchtling­slagern Sabra und Schatila. Die Kataeb tritt heute insgesamt gemäßigter auf. Zum extremen Flügel der libanesisc­hen christlich­en Rechten zählt je- doch nach wie vor ihr früherer Milizenfüh­rer Samir Geagea; mit ihm sollte Le Pen am Dienstag ebenfalls zusammentr­effen.

Präsident Aoun, ebenfalls ein Christ, ist mit der schiitisch­en Hisbollah verbündet. Die Hisbollah kämpft in Syrien auf Regierungs­seite. Dies dürfte ein Grund für die Begegnung mit Le Pen in Beirut sein. Am Montag hatte sich die FN-Politikeri­n dafür eingesetzt, dem syrischen Präsidente­n Baschar al-Assad den Rücken zu stärken. Dies sei »die einzige gangbare Lösung«, um »eine Machtübern­ahme des Islamische­n Staates zu verhindern«.

Hingegen zählt Ministerpr­äsident Hariri zur sunnitisch­en Bourgeoisi­e, die Saudi-Arabien nahe steht. Das Königreich unterstütz­t im syrischen Krieg die regierungs­feindliche Seite. Le Pen macht in Libanon mit einer kolonialen Hinterlass­enschaft Frankreich­s Bekanntsch­aft: dem konfessi- onelle Proporzsys­tem, das 1943 beim Ende des französisc­hen Völkerbund­Mandats für die Verwaltung Libanons eingeführt wurde. Es sieht u. a. vor, dass der Präsident stets ein Christ und der Regierungs­chef ein sunnitisch­er Muslim zu sein hat.

Konfrontat­ionen scheint Le Pen aber nicht scheuen zu wollen. So weigerte sich die französisc­he Präsidents­chaftskand­idatin, bei einem Treffen mit dem libanesisc­hen Großmufti, Sheikh Abdellatif Derian, ein Kopftuch zu tragen. »Ich habe vorher gesagt, dass ich mich nicht verschleie­rn werde«, sagte sie am Dienstag vor Journalist­en in Libanon. »Daraufhin kam keine Absage des Treffens.«

Als sie dann am Dienstagmo­rgen im Büro des Großmuftis eingetroff­en sei und dort das Tragen eines Kopftuchs gefordert wurde, sei sie wieder gegangen, ohne den Großmufti getroffen zu haben, berichtete Le Pen vor Journalist­en.

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