Im Fußmarsch zur KZ-Gedenkstätte
Verkehrsgesellschaft sieht keinen Handlungsbedarf bei Busanbindung von Sachsenhausen
Eine erste Fahrgastzählung in der Oranienburger Buslinie 804 bringt keine Klarheit im Streit um eine Taktverdichtung. CDU-Vizelandrat Egmont Hamelow kündigt weitere Zählungen an. Die Busse der Linie 804, die den Bahnhof Oranienburg mit der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen verbindet, sind zwischen 10 und 16.30 Uhr ziemlich voll. Die Oberhavel-Verkehrsgesellschaft (OHV) spricht selbst von einem hohen Auslastungsgrad in dieser Zeit. Trotzdem sieht sie im Moment keinen Grund für eine Taktverdichtung, denn die Busse seien keineswegs überlastet.
»Unsere Busse können bis zu 150 Fahrgäste gleichzeitig transportieren. Ab 120 Personen sehen wir aufgrund des tatsächlich verfügbaren Platzangebotes einen Handlungsbedarf«, erklärt OHV-Geschäftsführer Klaus-Peter Fischer. Bei einer Zählung im Zeitraum 4. bis 29. Januar sei die Grenze bis auf eine Ausnahme nie überschritten worden.
Die Zählung der Ein- und Aussteigenden erfolgte über Sensoren an den drei Türen der Gelenkbusse. Hintergrund ist eine Auseinandersetzung mit der Stiftung brandenburgische Gedenkstätten. Die Stiftung argumentierte, dass die Busse überfüllt seien und wünschte sich eine Taktverdichtung. Bisher verkehrt die Li- nie 804 montags bis freitags lediglich stündlich, an den Wochenenden sogar nur alle zwei Stunden. Der 20-minütige Fußmarsch scharfen Schrittes sei insbesondere älteren Besuchern, dazu gehören auch KZ-Überlebende, nicht zuzumuten.
Doch an den Zuständen soll sich laut dem im Oktober vom Kreistag beschlossenen Nahverkehrsplan auch in den Jahren 2017 bis 2021 nichts ändern. 14 127 Unterschriften sind für eine Taktverdichtung gesammelt worden. Aber als Stiftungsdirektor Günter Morsch und der extra aus Amsterdam angereiste Generalsekretär des Internationalen Sachsenhausen-Komitees, Dik de Boef, die Listen im November an den OHV-Chef übergeben wollten, weigerte sich dieser, die beiden Herren persönlich zu empfangen. Dieser Skandal sorgte für Schlagzeilen. Landrat Ludger Weskamp (SPD) schaltete sich ein und es kam zu einem Gespräch von Morsch mit Fischer und Vizelandrat Egmont Hamelow (CDU). Ein Ergebnis war die Fahrgastzählung.
Geschäftsführer Fischer präsentierte die Zahlen am Montagabend im Verkehrsausschuss des Kreistags. Demnach sind im Untersuchungszeitraum 21 639 Fahrgäste mit der Linie 804 gefahren. Bei 324 Fahrten montags bis freitags sind durchschnittlich 56 Personen je Bus gezählt worden. Sonnabends und Sonntags waren es 38. Einmal, am 22. Januar um 15.17 Uhr, seien an der Haltestelle an der Gedenkstätte elf Personen stehen geblieben. Ob sie auf ihre Besuchergruppe warteten oder meinten, der Bus sei bereits voll, könne rückblickend nicht mehr nachvollzogen werden, heißt es. Fakt sei, dass sich dem Zählprotokoll nach bei Abfahrt weniger als 110 Menschen im Bus befanden, das Fahrzeug also nicht maximal ausgelastet gewesen sei. »Leider kommt es vor, dass einige Fahrgäste im Gang stehen bleiben und damit viele Plätze einfach nicht genutzt werden können«, bedauert OHV-Chef Fischer. »Der Hinweis unserer Fahrer, doch ganz nach hinten durchzugehen, hat tatsächlich einen praktischen Hintergrund.« Erledigt ist die Forderung nach einer Taktverdichtung damit aber noch nicht. Vizelandrat Hamelow kündigt weitere Fahrgastzählungen an. Die Zeiträume dafür sollen mit der Gedenkstätte abgestimmt werden.
Stiftungsdirektor Morsch nennt die Fahrgastzählung am Dienstag eine »Irreführung der Öffentlichkeit«. Das Ergebnis einer Zählung im Wintermonat Januar sei »vorhersehbar« gewesen. »Die Zählung geht bereits vom methodischen Ansatz her am Kern des Problems vorbei. Die vielen Besucher, die den Weg zwischen Bahnhof und Gedenkstätte zu Fuß zurücklegen, weil sie die lange Wartezeit auf den nächsten Bus nicht in Kauf nehmen wollen, werden überhaupt nicht erfasst«, sagt Morsch. »Jeder Oranienburger, der täglich die langen Kolonnen von Besuchern aus aller Welt vor seiner Haustür vorbei defilieren sieht, kann nur mit großer Verwunderung und Kopfschütteln auf die Ignoranz gegenüber der vor aller Augen sichtbaren Realitäten reagieren.«
Die Landtagsabgeordnete Gerrit Große (LINKE) registriert regelmäßig, wie Besucherströme auf dem Weg zur Gedenkstätte an ihrem Büro vorbeiziehen. Deshalb hat sie vor, sich demnächst mit Genossen an den Bahnhof Oranienburg zu stellen, die Ankommenden zu zählen und sie zu fragen, ob sie den Bus nehmen würden, wenn er öfter fahren würde.