Portugal tickt anders
Finanzpolitik der Linksregierung ist weit erfolgreicher als die in Griechenland
Portugal ist unter der Linksregierung und dank der Abkehr von der Austeritätspolitik erfolgreich beim Abbau des Haushaltsdefizits und der Arbeitslosigkeit. Auch vom IWF wird man unabhängiger.
Kann man ein Land unter Abkehr vom Austeritätskurs aus der Schuldenmisere führen und dabei internationale Verpflichtungen einhalten? Aller Kritik zum Trotz, die vor allem vom deutschen Finanzministerium zu vernehmen ist, stellt dies die Linksregierung in Portugal seit 15 Monaten unter Beweis. Anders als mit Griechenland muss sich mit dem südwesteuropäischen Land in Brüssel niemand mehr beschäftigen. Das wurde möglich, weil die portugiesischen Sozialisten (PS), die vom marxistischen Linksblock (BE) und der grün-kommunistischen CDU gestützt werden, gegen massiven Druck den Austeritätskurs aufgekündigt und auf Wachstum gesetzt haben. Dafür wurden auch die von den konservativen Vorgängern gekürzten Löhne und Renten wieder erhöht und eingeführte Sondersteuern gesenkt oder gar abgeschafft.
Anders als Griechenland wächst Portugal inzwischen nachhaltig. Da auch die Binnennachfrage gestärkt wurde und das Land politisch stabil ist, wird es zunehmend für Investoren interessanter. Im vierten Quartal betrug die Wirtschaftswachstumsrate 1,9 Prozent, während es in Griechenland nur 0,3 Prozent waren. Anders als dort kommt die Linksregierung in Portugal deshalb auch beim Abbau der Arbeitslosigkeit voran. Die Quote, die in Griechenland bei 23 Prozent liegt, liegt in Portugal bei etwa 10 Prozent. Und statt darüber zu streiten, ob der Internationale Währungsfonds (IWF) am dritten »Rettungspaket« für Griechenland noch beteiligt wird, wie es Berlin fordert, konnte Portugal erneut einen Teil seiner IWF-Schulden jetzt vorzeitig tilgen. Das habe die Konservativen »überrascht«, sagte Regierungschef António Costa.
Denn Lissabon hat erneut 1,7 Milliarden Euro nach Washington vorzeitig überwiesen, womit nun schon die Hälfte der Summe von 26,3 Milliarden Euro zurückgezahlt ist, die im Rahmen des gesamten Rettungsprogramms vom IWF geflossen waren. Schon im vergangenen November wurden zwei Milliarden Euro frühzeitig zurückgezahlt. Beide Tranchen wären erst in zwei Jahren fällig geworden. Das beweise »die robuste wirtschaftliche und finanzielle Situation«, hieß es aus dem Finanzministerium. Das Land spart sich dank günstigerer Konditionen am Markt etwa 150 Millionen Euro an Zinsen für relativ teure IWF-Kredite ein und kann damit Investitionen und Sozialleistungen finanzieren.
Trotz der vorzeitigen Schuldentilgung hat Portugal im vergangenen Jahr das Stabilitätsziel beim Haushaltsdefizit von drei Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung eingehalten, anders als Griechenland oder auch Spanien. Lissabon blieb mit 2,1 Prozent sogar noch unter der Marke von 2,5 Prozent, die von der EU-Kommission gesetzt worden war. Das Haushaltsdefizit war so niedrig wie seit 40 Jahren nicht mehr.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte im vergangenen Sommer noch vorhergesagt, Portugal müsse wegen seiner Abkehr von der Kürzungspolitik bald ein neues Kreditprogramm beim Rettungsschirm ESM beantragen. Inzwischen kommt man sogar in Brüssel nicht mehr um- hin, das Land zu loben, wie es EUWirtschaftskommissar Pierre Moscovici kürzlich tat. Die EU-Kommission hat nicht nur die Wachstumsprognose für 2017 und 2018 angehoben, sondern erkennt nun auch die positiven Effekte der Erhöhung des Mindestlohns an. In Brüssel sagt man für 2017 eine Arbeitslosenrate von 9,4 Prozent voraus und ist sogar optimistischer als die portugiesische Regierung selbst.
Da das Land in der europäischen Linken längst Referenzen hat, reiste Benoît Hamon, Kandidat der Sozialisten bei den Präsidentschaftswahlen in Frankreich am Sonntag nach Lissabon. »Was in Portugal passiert, inspiriert mich«, sagte der Politiker vom linken Flügel der Partei nach Gesprächen mit dem Ministerpräsidenten und weiteren Regierungsvertretern. Es geht Hamon auch darum, eine ähnliche Formel für Frankreich zu finden. Denn anders als vorhergesagt stehe Portugal nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch auf stabilen Beinen. Dort habe sich die Linke geeinigt, um zu regieren. Das wolle auch er, sagte Hamon mit Blick auf den kommunistischen Kandidaten Jean-Luc Mélenchon.