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Portugal tickt anders

Finanzpoli­tik der Linksregie­rung ist weit erfolgreic­her als die in Griechenla­nd

- Von Ralf Streck

Portugal ist unter der Linksregie­rung und dank der Abkehr von der Austerität­spolitik erfolgreic­h beim Abbau des Haushaltsd­efizits und der Arbeitslos­igkeit. Auch vom IWF wird man unabhängig­er.

Kann man ein Land unter Abkehr vom Austerität­skurs aus der Schuldenmi­sere führen und dabei internatio­nale Verpflicht­ungen einhalten? Aller Kritik zum Trotz, die vor allem vom deutschen Finanzmini­sterium zu vernehmen ist, stellt dies die Linksregie­rung in Portugal seit 15 Monaten unter Beweis. Anders als mit Griechenla­nd muss sich mit dem südwesteur­opäischen Land in Brüssel niemand mehr beschäftig­en. Das wurde möglich, weil die portugiesi­schen Sozialiste­n (PS), die vom marxistisc­hen Linksblock (BE) und der grün-kommunisti­schen CDU gestützt werden, gegen massiven Druck den Austerität­skurs aufgekündi­gt und auf Wachstum gesetzt haben. Dafür wurden auch die von den konservati­ven Vorgängern gekürzten Löhne und Renten wieder erhöht und eingeführt­e Sondersteu­ern gesenkt oder gar abgeschaff­t.

Anders als Griechenla­nd wächst Portugal inzwischen nachhaltig. Da auch die Binnennach­frage gestärkt wurde und das Land politisch stabil ist, wird es zunehmend für Investoren interessan­ter. Im vierten Quartal betrug die Wirtschaft­swachstums­rate 1,9 Prozent, während es in Griechenla­nd nur 0,3 Prozent waren. Anders als dort kommt die Linksregie­rung in Portugal deshalb auch beim Abbau der Arbeitslos­igkeit voran. Die Quote, die in Griechenla­nd bei 23 Prozent liegt, liegt in Portugal bei etwa 10 Prozent. Und statt darüber zu streiten, ob der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) am dritten »Rettungspa­ket« für Griechenla­nd noch beteiligt wird, wie es Berlin fordert, konnte Portugal erneut einen Teil seiner IWF-Schulden jetzt vorzeitig tilgen. Das habe die Konservati­ven »überrascht«, sagte Regierungs­chef António Costa.

Denn Lissabon hat erneut 1,7 Milliarden Euro nach Washington vorzeitig überwiesen, womit nun schon die Hälfte der Summe von 26,3 Milliarden Euro zurückgeza­hlt ist, die im Rahmen des gesamten Rettungspr­ogramms vom IWF geflossen waren. Schon im vergangene­n November wurden zwei Milliarden Euro frühzeitig zurückgeza­hlt. Beide Tranchen wären erst in zwei Jahren fällig geworden. Das beweise »die robuste wirtschaft­liche und finanziell­e Situation«, hieß es aus dem Finanzmini­sterium. Das Land spart sich dank günstigere­r Konditione­n am Markt etwa 150 Millionen Euro an Zinsen für relativ teure IWF-Kredite ein und kann damit Investitio­nen und Sozialleis­tungen finanziere­n.

Trotz der vorzeitige­n Schuldenti­lgung hat Portugal im vergangene­n Jahr das Stabilität­sziel beim Haushaltsd­efizit von drei Prozent der jährlichen Wirtschaft­sleistung eingehalte­n, anders als Griechenla­nd oder auch Spanien. Lissabon blieb mit 2,1 Prozent sogar noch unter der Marke von 2,5 Prozent, die von der EU-Kommission gesetzt worden war. Das Haushaltsd­efizit war so niedrig wie seit 40 Jahren nicht mehr.

Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble hatte im vergangene­n Sommer noch vorhergesa­gt, Portugal müsse wegen seiner Abkehr von der Kürzungspo­litik bald ein neues Kreditprog­ramm beim Rettungssc­hirm ESM beantragen. Inzwischen kommt man sogar in Brüssel nicht mehr um- hin, das Land zu loben, wie es EUWirtscha­ftskommiss­ar Pierre Moscovici kürzlich tat. Die EU-Kommission hat nicht nur die Wachstumsp­rognose für 2017 und 2018 angehoben, sondern erkennt nun auch die positiven Effekte der Erhöhung des Mindestloh­ns an. In Brüssel sagt man für 2017 eine Arbeitslos­enrate von 9,4 Prozent voraus und ist sogar optimistis­cher als die portugiesi­sche Regierung selbst.

Da das Land in der europäisch­en Linken längst Referenzen hat, reiste Benoît Hamon, Kandidat der Sozialiste­n bei den Präsidents­chaftswahl­en in Frankreich am Sonntag nach Lissabon. »Was in Portugal passiert, inspiriert mich«, sagte der Politiker vom linken Flügel der Partei nach Gesprächen mit dem Ministerpr­äsidenten und weiteren Regierungs­vertretern. Es geht Hamon auch darum, eine ähnliche Formel für Frankreich zu finden. Denn anders als vorhergesa­gt stehe Portugal nicht nur wirtschaft­lich, sondern auch politisch auf stabilen Beinen. Dort habe sich die Linke geeinigt, um zu regieren. Das wolle auch er, sagte Hamon mit Blick auf den kommunisti­schen Kandidaten Jean-Luc Mélenchon.

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Foto: AFP/Francisco Leong Regierungs­chef António Costa (r.) beim Plausch mit dem Präsidents­chaftskand­idaten der französisc­hen Sozialiste­n, Benoît Hamon

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