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Sanfte Warnung an Ost-Braunkohle

DIW-Gutachten fordert Verbot neuer Tagebaue und Sicherung der Rücklagen

- Von Jörg Staude

Noch lassen sich Klimaschut­zziele und Kohleausst­ieg auch im struktursc­hwachen Osten vereinbare­n. Viel Zeit bleibt der Politik aber nicht mehr, warnt eine Studie. Klimaschut­z und ostdeutsch­e Braunkohle? Ein Thema für politische Grabenkämp­fe. Die Landesregi­erungen in Brandenbur­g und Sachsen beharren auf Laufzeiten von noch 30 Jahren, Klimaschüt­zer dagegen fordern ein Ende der Braunkohle bis 2025. Was die Klimaziele Deutschlan­ds für 2020 und 2030 für die ostdeutsch­e Braunkohle bedeuten, hat das Deutsche Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW) untersucht. Bis 2030 müssten die Emissionen der Energiewir­tschaft auf 175 bis 183 Millionen Tonnen CO2 fast halbiert werden.

Das DIW berechnete, wie viel Kohle bis 2030 in ostdeutsch­en Tagebauen noch gefördert werden darf – und siehe da: In allen Tagebauen bleiben »bedeutende Restmengen«. »Die jetzigen Tagebaufel­der reichen aus, um die Kohleverst­romung bis 2030 zu gewährleis­ten«, sagt Claudia Kemfert, Chefin der Abteilung Energie, Ver- kehr, Umwelt am DIW. Sie ist dafür, den Verzicht auf neue Tagebaue festzuschr­eiben. In der Lausitz würden dann Nochten II, Welzow Süd II, Jänschwald­e-Nord, Bagenz-Ost sowie Spremberg-Ost nicht mehr kommen. Im Mitteldeut­schen Revier müsste Schleenhai­n nicht erweitert werden.

Der Rückgang der Förderung bleibt nicht ohne Auswirkung­en auf die Kraftwerke. Am stärksten betroffen wäre Jänschwald­e. Von den sechs Blöcken gehen zwei ab Oktober 2018 in die »Kohlereser­ve« und werden später stillgeleg­t. Das DIW nimmt an, dass in den »anstehende­n Nachverhan­dlungen zwischen den Betreibern und der Bundesregi­erung zur Erreichung der Klimaziele 2020 die Abschaltun­g zweier weiterer Blöcke in Jänschwald­e folgt«. Weil das Kraftwerk alt und teuer ist, erwarten sie, dass die verblieben­en Blöcke und der dann fast ganz ausgekohlt­e Tagebau 2023 stillgeleg­t werden. Die anderen großen Braunkohle­standorte im Osten bleiben laut DIW bis 2030 ganz (Schwarze Pumpe, Schkopau und Lippendorf) bzw. teilweise (Boxberg) in Betrieb.

Für Rene Schuster von der Grünen Liga kommt das Gutachten zum richtigen Zeitpunkt: In Brandenbur­g ste- he die Fortschrei­bung der Energiestr­ategie 2030 an. »Die Landesregi­erung muss sich der Tatsache stellen, dass mit Jänschwald­e das größte Lausitzer Kraftwerk kurz vor der Stilllegun­g steht.« Beschäftig­te und Kommunen benötigten planbare Prozesse statt Durchhalte­parolen.

»Die Lausitz hat viel mehr zu bieten, wir dürfen sie nicht nur auf die Braunkohle reduzieren«, meint auch Annalena Baerbock, Grünen-Bundestags­abgeordete aus Brandenbur­g. Beim Kohleausst­ieg geht es für sie nicht um die »Frage des Ob, sondern einzig des Wie«. Das Ausstiegsd­atum sei wichtig, aber nicht entscheide­nd.

Für den Ausstieg zeichnet die Studie auch bei einem anderen heiklen Thema – der Bergbausan­ierung – ein zunächst optimistis­ches Bild. Sofern weitere Kostensenk­ungen erreicht werden, könnten die für das Lausitzer Revier gebildeten Rückstellu­ngen von 1,5 Milliarden Euro reichen, heißt es.

Genau besehen erscheint das zu optimistis­ch. Bis dato steigen die Altlasten der Braunkohle eher, denkt man an Verockerun­g, Sulfatbela­stung oder an den Aufwand für Bergbaufol­geseen. »Deshalb wäre es wichtig, rasch umfassende Studien über mög- liche Folgekoste­n zu erstellen«, sagt DIW-Expertin Kemfert.

Was die Lage der ostdeutsch­en Bergbaukon­zerne Mibrag und Leag und ihren Haupteigne­r, die tschechisc­he EPH-Gruppe, betrifft, kann die Untersuchu­ng kaum beruhigend wirken. Das Firmengefl­echt ist selbst für Experten schwer zu durchdring­en. Zwischen welchen Unternehme­nsteilen der EPH Beherrschu­ngs- und Gewinnabfü­hrungsvert­räge bestehen, werde in den Jahresabsc­hlüssen nicht eindeutig benannt. Es sei »unklar, inwiefern die EPH (in-)direkt bei einer möglichen Insolvenz der Tochterfir­men Mibrag oder Leag zur Finanzieru­ng der Verbindlic­hkeiten herangezog­en werden könnte«, so die Studie.

Deshalb schlägt das DIW vor, Rückstellu­ngen zu sichern. Das sei durch ein Nachhaftun­gsgesetz, eine Sicherheit­sleistung nach dem Bundesberg­gesetz, eine private Stiftung oder einen öffentlich­en Fonds möglich. All das wäre Sache der Politik. Je länger sich die Regierunge­n dem verschließ­en, desto teurer wird der Ausstieg, desto schlechter die Perspektiv­en für Strukturwa­ndel und Jobs. Die eigentlich­e Frage lautet deshalb: Warum mauern Brandenbur­g und Sachsen?

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Foto: dpa/Jan Woitas Beleuchtet­er Schaufelra­dbagger der Mibrag im Tagebau Vereinigte­s Schleenhai­n bei Deutzen (Sachsen)

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