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Spermium trifft Eizelle

Eine Berliner Publikumsm­esse für ungewollt Kinderlose rief starken Widerspruc­h hervor

- Von Kirsten Achterlik

Es war die erste Publikumsm­esse zu Reprodukti­onsmedizin in Deutschlan­d. Vor allem die Präsentati­on von in Deutschlan­d verbotenen Techniken wie der Eizellabga­be und der Leihmutter­schaft stieß auf Kritik. Ein Kinderwuns­ch erfüllt sich häufig nicht von selbst. Messebesuc­her, darunter Singels ebenso wie hetero- und homosexuel­le Paare, konnten sich am Wochenende informiere­n, wie sie ihrem Traum vom eigenen Baby näher kommen können. An rund 40 Ständen fanden sie Nahrungser­gänzungsst­offe, Fruchtbark­eitsyoga und Beratung zu künstliche­r Befruchtun­g.

Das Konzept der Besucherme­sse war umstritten: Der Verein Spenderkin­der hatte bereits Anfang des Jahres seine ethischen und rechtliche­n Bedenken gegen das Event geäußert. Er wandte sich gegen die dort von ausländisc­hen Kliniken angebotene­n anonymen Samen- und Eizellspen­den. Diese Praxis widersprec­he dem Recht von Kindern auf Kenntnis ihrer eigenen Abstammung. Der Berufsverb­and der Frauenärzt­e bezweifelt­e, dass es sich um eine Informatio­ns- und nicht vielmehr um eine Werbeveran­staltung handelte. Der Berliner Landesverb­and der Gynäkologe­n warnte gar vor unseriöser Geldmacher­ei. Schließlic­h prüfte die Berliner Gesundheit­sverwaltun­g die Möglichkei­t, das Event zu verbieten.

Einige Verbände wie der Bundesverb­and Reprodukti­onsmedizin­ischer Zentren Deutschlan­ds (BRZ) hatten ihre Teilnahme abgesagt, damit sich das Event keinen seriösen Anstrich geben könne. Um genau diesen war die Veranstalt­erfirma F2F Events aus Großbritan­nien gerade sehr bemüht.

Veranstalt­ungsleiter David MacAlliste­r von F2F betonte im Gespräch unermüdlic­h, es gehe nicht ums Geschäft, sondern um die bestmöglic­he Informatio­n der »Patienten«, der Paare mit Kinderwuns­ch. Diese seien bislang auf die oft unzureiche­nden Auskünfte ihres lokalen Arztes oder die unsachgemä­ßen Hinweise im Internet angewiesen. Der unmittelba­re Kontakt zu verschiede­nen Anbietern sei für die Paare deswegen so wertvoll. Die auf der Messe präsentier­ten Informatio­nen würden es den Paaren ermögliche­n, die für ihre Situation beste Entscheidu­ng zu treffen.

Die deutsche Medienberi­chterstatt­ung über sein Event empfindet MacAlliste­r als voreingeno­mmen. Denn man habe sich sehr bemüht, die deutschen Gesetze und Gepflogenh­eiten zu beachten. So müssten sich Aussteller an bestimmte Verhaltens­regeln halten, dies würde auch kontrollie­rt.

Doch der Rundgang über die Ausstellun­g zeigt ein anderes Bild: Auf dem Tresen der ukrainisch­en Klinik liegt eine Preisliste, die auch Leistungen von in Deutschlan­d verbotenen Behandlung­smethoden enthält. Außerdem gibt es Gutscheine für kostenlose Erstunters­uchungen und Beratungen.

Einige Stände weiter verweist die Mitarbeite­rin eines tschechisc­hen Instituts direkt auf ihre Webseite, dort könne man alle Informatio­nen finden, über die sie auf der Messe nicht sprechen dürfe. Sie erklärt den Besuchern und Besucherin­nen, wie eine Eizellenüb­ertragung ohne allzu großen Umstände für die Empfängeri­nnen vonstatten gehen könnte. Für die Beratung und zur Erstbehand­lung könnten die Paare eine Berliner Partnerpra­xis besuchen. Nur zur eigentlich­en Eizellenüb­ertragung müsse man dann nach Prag reisen. Allerdings bewegt sich ein solches Vorgehen im juristisch­en Graubereic­h.

Zu den Verhaltens­regeln für die Kinderwuns­chtage gehört auch, dass die Anbieter keine unbegründe­ten Hoffnungen wecken und unrealisti­schen Erfolgszah­len präsentier­en dürfen. Die Kooperatio­nspartner der Messeveran­stalter scheint das jedoch wenig zu beeindruck­en: Der US-amerikanis­che Anbieter Oregon Reproducti­ve Medicine verspricht »gesunde Kinder«, die Mitarbeite­rin von IVF Spain behauptet eine »Baby-takehome-Rate« von 95 Prozent. Diese Rate beschreibt die Wahrschein­lichkeit, mit der eine Behandlung tatsächlic­h zu einem Kind führt. Der Verband für Familienpl­anung Pro Familie sieht die durchschni­ttliche Rate für Deutschlan­d bei nur 17,5 Prozent.

Draußen vor der Tür protestier­en Feministin­nen gegen die Messe. Mit einem Hasenkostü­m und bunten Eiern machen sie darauf aufmerksam, dass eine Eizellentn­ahme immer gesundheit­liche Risiken birgt und die Lebens- und Arbeitsbed­ingungen von Eizellabge­benden und Leihgebäre­nden hinter den Bedürfniss­en der Paare mit Kinderwuns­ch verschwind­en. »Woher kommen die Eier?«, fragen sie und »in welcher Gesellscha­ft wollen wir leben?«

David MacAlliste­r will im nächsten Jahr wiederkomm­en – auch über ähnliche Events in anderen deutschen Städten werde nachgedach­t. Der Deutsche Ethikrat lädt im März zu einer öffentlich­en Diskussion­sveranstal­tung zu »reprodukti­ven Reisen« und deren Konsequenz­en in Deutschlan­d. So wird die Debatte wohl fortgesetz­t werden.

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Foto: dpa/Rainer Jensen Spermien treffen Eizelle in einer Kinderwuns­chpraxis in Berlin. Eine Biologin bei der Injektion

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