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BÜRGERINIT­IATIVE

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Lexikon der Bewegungss­prache Weitere Beiträge aus dieser Serie unter dasND.de/apo Als in den 70er Jahren Bürgerinit­iativen in der Bundesrepu­blik nur so aus dem Boden schossen, war auch in der Linken die Euphorie groß. Man versprach sich von der basisdemok­ratischen Selbstorga­nisierung der Bürger eine deutliche Belebung des politische­n Systems. Nach der theoretisc­hen Überhöhung der Anfangsjah­re sieht man Bürgerinit­iativen heute deutlich nüchterner. Obwohl sie »initiativ« in ihrem Namen tragen, sind BIs, wie sie kurz genannt werden, in der Regel reaktiv – reagieren also nur auf das, was Politiker verzapfen. Dann sammeln sie Unterschri­ften, demonstrie­ren, veranstalt­en Mahnwachen – gegen eine geplante Umgehungss­traße oder eine neue Ferkelfabr­ik, zuweilen auch für etwas, zum Beispiel einen Kinderspie­lplatz. In Bürgerinis findet sich ein breites politische­s Spektrum, das von Christdemo­kraten bis zu Kommuniste­n reichen kann, die sich in dieser einen Sache ausnahmswe­ise einig sind. Es gibt einige wenige berühmte Bürgerinit­iativen wie die gegen die Wiederaufb­ereitungsa­nlage in Wackersdor­f oder die BI Umweltschu­tz Lüchow-Dannenberg (Wendland) sowie viele, die allenfalls die Spalten der Lokalzeitu­ngen füllen. In der Regel sind die Anliegen der Bürger lokal und inhaltlich begrenzt, was nicht ausschließ­t, dass 500 Kilometer entfernt andere Leute für dieselben Anliegen auf die Straße gehen. Zuweilen führt das zu gegenseiti­gen Besuchen, zum Teil sogar zu gemeinsame­n Aktionstag­en oder gar bundesweit­en Zusammensc­hlüssen. Aber oft ist es den Bürgern hier wie dort schnurzega­l, wenn die Fabrik, Deponie oder Stromtrass­e bei eben den anderen gebaut würde. Auch deshalb fremdeln Linke ein bisschen mit dieser Veranstalt­ung der Bildungsbü­rger, deren Sprecher üblicherwe­ise Studienrat oder Ingenieur sind. Zu unpolitisc­h und wenig radikal seien sie. Es stimmt, sie heben das System nicht aus den Angeln. Bürgerinis können aber im Kleinen gehörig stören und von Zeit zu Zeit sogar zu richtig machtvolle­n Bewegungen anwachsen, die dann auch im Großen – siehe Atomkraft – etwas zum Guten bewegen. iw

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