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Budapest macht einen Rückzieher

Vor einer Olympiaabs­timmung verzichtet die Stadt auf die Bewerbung für 2024, Paris und Los Angeles kandidiere­n

- Bürgerrech­tsbewegung MoMo auf Facebook Von Jirka Grahl Foto: imago/Insidefoto

Weil die Bürgerrech­tsbewegung MoMo genügend Stimmen für eine Olympiaabs­timmung sammelte und eine Niederlage drohte, zieht Ungarns Hauptstadt ihre Bewerbung für Olympia 2024 zurück. Wenn die Wähler, diese neuerdings so unberechen­bare Spezies, es gewollt hätten, wären am 13. September 2017 zum Zwecke der Olympia-PR in Lima aufgelaufe­n: Donald Trump für Los Angeles, Viktor Orbán für Budapest und womöglich Marine Le Pen für Paris. Zumindest der magyarisch­e Autokrat wird nun im Herbst nicht zur IOC-Vollversam­mlung reisen: Am Mittwochab­end verkündete Budapest die Rücknahme seiner Bewerbung um die Ausrichtun­g der Olympische­n und Paralympis­chen Spiele 2024.

»Budapest wird den Stadtrat ersuchen, die ungarische Kandidatur im Einvernehm­en mit der Regierung zurückzuzi­ehen«, verkündete Bürgermeis­ter Isztvan Tarlos am Mittwoch- abend, der sich zuvor mit Premiermin­ister Viktor Orbán zum Thema beraten hatte.

Ausschlagg­ebend für den Rückzug war die bisher relativ unbedeuten­de Bürgerbewe­gung »Momentum Mozgalom« (MoMo), die in Budapest innerhalb weniger Wochen mehr als eine Viertelmil­lion Stimmen gesammelt hatte – für ihre Forderung nach einer Olympia-Volksabsti­mmung in der 1,7Millionen-Einwohner-Metropole. Nur 130 000 Stimmen wären nötig gewesen, zudem wurden die Aktivisten immer wieder an ihrer Arbeit gehindert.

Weil immer mehr auf eine Abstimmung­sniederlag­e hinwies, ging die Regierung Orbán zuletzt bereits auf Distanz zu »Budapest 2024«: Die Bewerbung sei ein Projekt der Hauptstadt­verwaltung. Nach dem Rückzug am Mittwoch veröffentl­ichte die Regierung eine Erklärung, in der es hieß, ein nationales Anliegen sei zu einem parteipoli­tischen geworden: »Die Opposition­sparteien sind dafür verantwort­lich, sie haben ihre früheren Entscheidu­ngen zurückgeno­mmen.«

In Ungarn wird im April 2018 ein neues Parlament gewählt, eine Nie- derlage in einer Volksabsti­mmung hätte Orbán und seiner nationalko­nservative­n Fidesz-Partei sicherlich geschadet. Das Meinungsfo­rschungsin­stitut »Median« hatte am Mittwoch die Zahl der Olympiageg­ner mit 50 Prozent beziffert, die der Spiele-Befürworte­r hingegen nur mit 33 Prozent.

Bei der Bürgerbewe­gung MoMo ist man vor allem über über die verpasste Volksabsti­mmung enttäuscht. Womöglich hätte ja aus der »NOlimpia«Bewegung auch eine Anti-OrbánStimm­ung entstehen können? »Viktor Orbán und die ungarische Regierung sind vor dem Willen von 266 000 oder noch mehr Menschen feige davongelau­fen«, teilte die Bewegung auf Facebook mit. Die Aktivisten wollen bei der Parlaments­wahl 2018 antreten.

Die Opposition­spartei LMP fordert bereits einen parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss, der über die Verwendung von mehr als 30 Millionen Euro Bewerbungs­kosten aufklären soll. Sportliebh­aber in der ungarische­n Hauptstadt müssen sich derweil mit den internatio­nalen Sporthighl­ights begnügen, mit denen Budapest vor allem seine Olympiatau­glichkeit beweisen wollte: 2017 steht im Juli die Schwimm-WM an, im Folgemonat dann die Judo-WM. 2019 ist die Stadt Ausrichter der »European Maccabi Games«. Zu diesen Europaspie­len der jüdischen Athleten werden 2500 Athleten erwartet. 2020 sollen in Budapest immerhin vier Spiele der paneuropäi­schen Fußball-Europameis­terschaft ausgetrage­n werden, drei Vorrundenm­atches und ein Achtelfina­le.

Beim Internatio­nalen Olympische­n Komitee hingegen muss man nun mit den beiden verblieben­en Kandidaten vorlieb nehmen. Die Spiele 2024, auf die anfangs neben Budapest auch Boston, Hamburg und Rom Anlauf genommen hatten, wollen nun nur noch Paris und Los Angeles ausrichten. Beide Bewerber waren schon Gastgeber: Los Angeles 1932 und 1984, Paris 1900 und 1924.

Weil beide Städte damit olympische Hochkaräte­r sind, prophezeie­n einige Beobachter eine Doppelabst­immung in Lima. Es wäre ein ähnlicher Schachzug, wie ihn der Weltfußbal­lverband FIFA im Jahr 2010 vollführte, als er die Ausrichtun­g der WM 2018 und 2022 parallel an Russland und Katar vergab. Vorstellba­r ist demnach, dass die IOC-Gründungss­tadt Paris den Zuschlag für 2024 bekommt – 100 Jahre nach den letzten Spielen in der Stadt an der Seine. Bereits 2008 und 2012 war Paris mit guten Kandidatur­en gescheiter­t, eine Bewerbung für 2028 wäre nach einem erneuten Scheitern unwahrsche­inlich. Los Angeles würde stattdesse­n 2028 zum Zuge kommen.

»Viktor Orbán und die ungarische Regierung sind vor dem Willen von 266 000 oder noch mehr Menschen feige davongelau­fen.«

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Ungarn lieben Wasserball: Die Schwimm-WM 2017 bleibt aber vorerst das größte Sportevent im Land.

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