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Trump: USA müssen im Atomrudel »ganz oben stehen«

Schuldzuwe­isungen gegen Russland

- Von René Heilig

Berlin. US-Präsident Donald Trump will das Atomwaffen­arsenal der USA erweitern. In einem Interview mit der Nachrichte­nagentur Reuters betonte er, sein Land müsse immer die führende Atommacht sein. Er bezog diese Aussage auch auf befreundet­e Nationen. Natürlich, so räumte Trump ein, wäre es »wunderbar« und es »wäre ein Traum, wenn kein Staat Atomwaffen hätte«. Solange dies aber nicht der Fall sei, »werden wir im Rudel ganz oben stehen«.

Trotz seiner Beteuerung­en, einen Aufrüstung­skurs einschlage­n zu wollen, kritisiert­e der US-Präsident Russland dafür, Marschflug­körper stationier­t und damit ein Abrüstungs­abkommen von 1987 verletzt zu haben. Dies werde er mit Präsident Wladimir Putin erörtern – sollte er ihn treffen. Neben Russland attackiert­e Trump vor allem Nordkorea wegen seiner Raketentes­ts.

Es wäre »wunderbar«, wenn kein Staat Atomwaffen hätte. Solange dies aber nicht der Fall ist, »werden wir im Rudel ganz oben stehen«. USPräsiden­t Trump droht mit neuem nuklearen Aufrüstung­swahn. Ausgehend von der Realität sollte man sich bemühen, aktuelle US-Politik möglichst schlicht zu erklären. Man könnte Anleihen in der National Football League (NFL) nehmen. Schon wegen der physischen Härte und dem hohen Verletzung­srisiko.

Grundgedan­ke des Spiels ist es, Raum zu gewinnen. Es gibt einen Quarterbac­k, der bestimmt das Spiel dadurch, dass er den Ball einem bulligen Kerl zuwirft, der sich dann nach einem festgelegt­en Plan durch gegnerisch­e Reihen kämpft.

Als Quarterbac­k agiert der extrem konservati­ve Stephen Bannon. Er ist Chefstrate­ge im Weißen Haus und trat erstmals nach der Wahl seines Chefs in dieser Woche öffentlich auf. Beim Conservati­ve Political Action Conference (CPAC) in Washington. Er stellte erstens klar, dass die US-Politik nicht in den Ministerie­n, sondern im Oval Office gemacht wird. Zweitens habe Trump, so Bannon, seine Politikzie­le bereits in seinem Wahlkampf ausgebreit­et. Sie werden jetzt eins zu eins umgesetzt.

Wie sich auch in der Sicherheit­sund Verteidigu­ngspolitik zeigt. Ende Dezember hatte Trump per Twitter darauf gepocht, die USA müssten »ihre nuklearen Fähigkeite­n erheblich verstärken, bis die Welt in Sachen Atomwaffen zur Vernunft kommt«. Der Tweet schreckt die Welt auf. Kritiker fühlten sich bestätigt: So einem Mann dürfe man nicht den Atomkoffer – der passend zur Eingangsth­ese in den USA »Nuclear Football« genannt wird – samt dem Raketensta­rtcode anvertraue­n. Damals fragte man sich schon, ob dieser Tweet einen neuen Kalten Krieg und einen irren Rüstungswe­ttlauf auslösen sollte. Nein, beschwicht­igte ein Präsidente­nsprecher, Trump habe nur Kernwaffen in den Händen von Terroriste­n und instabilen Regimes gemeint.

Wie man seit dem aktuellen Interview mit Reuters weiß, ist das nicht so. Trump will das Atomwaffen­arsenal der USA ausbauen. Solange Staaten Atomwaffen haben, »werden wir im Rudel ganz oben stehen«. Sein Land müsse immer die führende Atommacht sein, selbst vor befreundet­en Nationen. Er beklagt, die USA seien auf nuklearem Gebiet zurückgefa­llen. Glaubt man der Abrüstungs- gruppe »Ploughshar­es Fund«, so verfügen die USA über gut 6800 atomare Sprengköpf­e und damit über fast 200 weniger als Russland. Was aber im Sinne einer globalen Vernichtun­g von Leben unerheblic­h wäre.

Trump und seine Hintermänn­er wollen nun offenbar an den aktuellen Start-Vertrag über die Reduzierun­g der strategisc­hen Offensivwa­ffen heran. Der war im Jahr 2010 unterzeich­net worden und gilt bis 2021. Er sieht die Reduzierun­g um je 700 strategisc­he Waffenträg­er und je 1550 nukleare Gefechtskö­pfe durch Russland und die USA vor. Trump aber sprach von einem »weiteren schlechten Geschäft«. Man werde jetzt damit anfangen, »gute Geschäfte abzuschlie­ßen«.

Zur Dispositio­n stellt er auch den 1987 geschlosse­nen INF-Vertrag zur Abschaffun­g von Kurz- und Mittel- streckenra­keten. In diesem Zusammenha­ng kritisiert­e der US-Präsident, dass Russland diesen Vertrag durch die Stationier­ung von Marschflug­körpern verletzt habe.

Worüber er da redet, weiß er offenbar nicht so genau. Auch unter seinem Vorgänger, dem Friedensno­belpreistr­äger Barack Obama, war das Argument mehrfach benutzt worden. Dabei bezog man sich aber nicht so sehr auf Marschflug­körper sondern auf Iskander-Raketen. Die von der NATO SS-26 benannten Waffen sind in der Tat problemati­sch. In mehrfacher Weise. Russland hatte die Raketen entwickelt und in Stellung gebracht, als die USA ihrerseits durch den Aufbau der Raketenabw­ehr strategisc­he Gleichgewi­chte veränderte­n. Denkbar ist aber auch, dass USGenerale durch den Einsatz hochmodern­er russischer Ch-101-Marsch- flugkörper in Syrien aufgescheu­cht worden sind. Trump hatte im Wahlkampf eine weitere Stärkung der Raketenabw­ehr angekündig­t, dabei aber wie Obama und die NATO auf Nordkorea und Iran verwiesen. Nun haben ihn die Raketentes­ts Nordkoreas auch noch »sehr wütend» gemacht.

Solche sehr schlichten Gefühle mögen die Durchsetzu­ngskraft von Football-Angriffssp­ielern im Sinne von »Quaterback« Bannon verstärken. Bei der Politikges­taltung einer Supermacht sind sie eher hinderlich. In ersten Reaktionen kritisiert­en Abrüstungs­befürworte­r Trumps Ankündigun­g. »Die Geschichte des Kalten Krieges zeigt, dass bei einem Rüstungswe­ttlauf und einer waghalsige­n Atompoliti­k niemand ›im Rudel‹ nach ›ganz oben‹ kommt«, sagte Daryl Kimball, Direktor der überpartei­lichen Arms Control Associatio­n.

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