Ein Kurdenstaat – und dann?
Verschwindet der irakische Staat in seinen aktuellen Grenzen endgültig im Orkus der Geschichte? Ja – wenn es nach den Vorstellungen der irakischen Kurden geht. Die Zeiten, da ein Präsident in Bagdad auch über den kurdischen Nordteil des irakischen Staatsterritoriums gebieten konnte, sind in der Tat schon lange vorbei. Seit die US-Armee nach der Vertreibung der irakischen Invasoren aus Kuwait 1991 über Irakisch-Kurdistan eine Flugverbotszone errichtete, hat der Zentralstaat keinen Zugriff mehr auf dieses Gebiet.
Kurdenführer Barzani reicht der Autonomiestatus nun nicht mehr. Das von ihm ins Auge gefasste Unabhängigkeitsreferendum bedeutete, fände es statt, mit Sicherheit die förmliche Trennung und zum ersten Mal in der Geschichte einen kurdischen Staat. Ein Traum würde wahr, doch dass es ihn bisher nicht gab, lag an der Übermacht seiner Gegner, und die sind immer noch da und dagegen. Aus Ankara, auch aus Teheran wird es scharfen Gegenwind geben.
Die Folgen einer nicht einvernehmlichen Unabhängigkeit sind folglich kaum abzuschätzen. Die Büchse der Pandora in Mittelost ist bereits weit geöffnet. Die Region wäre um einen Teilkonflikt reicher, der niemandem nützen kann, auch nicht den Kurden. Mag die aktuelle staatliche Ordnung der Region auch alle Kainsmale kolonialer Grenzziehung tragen und obsolet erscheinen – Unilateralismus kann sie allenfalls verschlimmbessern.