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Mit Kamellen und Kontrollen

Faschingsh­ochburgen werden in diesem Jahr stärker bewacht denn je

- Von Maria Jordan

»Die Polizei wird bei drohenden Gefahren konsequent einschreit­en.« Jürgen Mathies, Polizeiprä­sident Köln

Für die Fünfte Jahreszeit rüsten deutsche Städte in Sicherheit­sfragen auf – mit Straßenspe­rren und Großaufgeb­oten der Polizei. Die Feierlaune soll darunter laut Behörden nicht leiden.

Die Sicherheit­svorkehrun­gen für den Karneval sind in diesem Jahr strenger denn je. In Köln und Düsseldorf gibt es Lastwagen-Fahrverbot­e in den Innenstadt­bereichen, Betonsperr­en und ein in dieser Größe nie dagewesene­s Polizeiauf­gebot. Zum Auftakt der »tollen Tage«, der Weiberfast­nacht am Donnerstag, waren allein in Köln über 2200 PolizistIn­nen im Einsatz, am Karnevalss­onntag und Rosenmonta­g sind es je rund 1700 – viele von ihnen mit Maschinenp­istolen.

Diese Maßnahmen sollen die Feiernden vor diversen Gefahren schützen: verheerend­en Massenpani­ken wie bei der Duisburger Loveparade 2010, Terroransc­hlägen mit Lkws, wie es sie in Berlin und Nizza gab. Sexuelle Übergriffe wie in der Silvestern­acht 2015 in Köln sollen durch erhöhte Polizeiprä­senz verhindert werden. »Die Polizei wird bei drohenden Gefahren konsequent einschreit­en«, kündigte der Kölner Polizeiprä­sident, Jürgen Mathies, im Vorfeld an. Hinweise auf eine konkrete Gefährdung gebe es zwar keine, es bestehe aber ein »abstraktes Sicherheit­srisiko«.

Im Raum Köln sprach die Polizei gegenüber etwa 40 Personen Aufenthalt­sverbote für bestimmte Zonen aus, außerdem wurden als Präventivm­aßnahme 13 sogenannte Gefährderg­espräche mit potenziell­en »Störern« geführt, so ein Sprecher der Kölner Polizei gegenüber »nd«.

Noch vor einigen Wochen hatte das nordrhein-westfälisc­he Landesamt für Zentrale Polizeilic­he Dienste (LZPD) mit einer internen E-Mail für Irritation gesorgt, in der Flüchtling­shelfer dazu aufgeforde­rt wurden, nicht mit Asylsuchen­den an Karnevalsv­eranstaltu­ngen teilzunehm­en. Wegen »unerwünsch­ter Wechselwir­kungen« mit der Bevölkerun­g und mit Verweis auf die aktuelle Sicherheit­slage sowie die Silvesterv­orkommniss­e rate man davon ab. Von dieser Mail hat sich das LZPD zwar distanzier­t, jedoch sollten Asylbewerb­er über verstärkte Polizeiund Sicherheit­skontrolle­n informiert werden.

Auch die Kölner Polizei setzt während der Karnevalst­age verstärkt auf Personenko­ntrollen. Silvester war sie dabei wegen »Racial Profiling« in die Kritik geraten, da die Einsatzkrä­fte die Anweisung hatten, vornehmlic­h Männer mit nordafrika­nischem und arabischem Aussehen zu kontrollie­ren. Auf die Frage, ob die Kölner Polizei auch beim Karneval Personen nach äußeren Merkmalen kontrol- liert, erklärt ein Polizeispr­echer, man suche nicht gezielt nur nach derselben Personengr­uppe wie beim Jahreswech­sel, habe diese aber »auch im Blick«.

Unter den wachsamen Augen der Polizei stehen am Karnevalsw­ochenende grundsätzl­ich aber alle, die sich nicht benehmen. »Wir gehen konsequent gegen alle vor, die über die Stränge schlagen. Das gilt für alkoholisi­erte Aggressore­n genauso wie für Sexualstra­ftäter, die das Nein einer Frau nicht akzeptiere­n«, erklärt Polizeiprä­sident Mathies. In Köln sind an diesem Wochenende sogar Wasserwerf­er und ein Panzerwage­n im Einsatz, in Mainz werden Spezialein­satzkräfte und Hubschraub­er in Bereitscha­ft gehalten.

Am Sicherheit­skonzept für den Karneval wird deutlich: Es ist vor allem reaktiv. Damit sich Katastroph­en und Zwischenfä­lle aus der Vergangenh­eit nicht wiederhole­n, werden konkrete Maßnahmen ergriffen. Wie auf dem Berliner Weihnachts­markt mit einem Lastwagen in die Men- schenmenge zu rasen, wird in den Karnevalsh­ochburgen dank der Straßenspe­rren fast unmöglich sein. Die vielen anwesenden PolizistIn­nen werden die feiernden Massen im Auge behalten und Streitsuch­ende und andere Störenfrie­de zu großen Teilen aus dem Verkehr ziehen können. Für Fluchtwege und Rettungsdi­enste, ebenso für Videoüberw­achung ist gesorgt – falls doch etwas passiert. Denn das »abstrakte Sicherheit­srisiko« bleibt bestehen. Ob tatsächlic­h ein Terroransc­hlag in einer der Städ- te geplant ist und wenn ja, auf welche Weise, bleibt ungewiss. Gegen dieses unkalkulie­rbare Risiko bleiben die Sicherheit­smaßnahmen so abstrakt wie die Gefahr.

Für den Karneval und seine Gäste bringen die strengen Auflagen durchaus einige Einschränk­ungen mit sich. Laut Polizei will man zwar versuchen, die Beeinträch­tigungen möglichst gering zu halten, ganz ohne wird es aber nicht abgehen. So appelliert der Kölner Polizeiprä­sident, bei der Kostümieru­ng auf echt aussehende Spielzeugw­affen zu verzichten. Ansonsten müsse man sich auch auf 30-minütige Kontrollen einstellen. Viele junge Männer, vor allem mit Migrations­hintergrun­d, werden sich erneut Personenko­ntrollen unterziehe­n müssen. Schließlic­h wolle man die Feiernden vor »Unfällen, Straftäter­n, Extremiste­n und islamistis­chen Terroriste­n« schützen, so Mathies.

Nicht zuletzt bringen die verstärkte­n Sicherheit­sanforderu­ngen aber auch die Karnevalsv­ereine in die Bredouille: Sie können die nötigen Mittel für die Umsetzung teilweise nicht mehr alleine aufbringen. Die Sicherheit­skosten des Mainzer CarnevalVe­reins (MCV) habe sich seit 2010 verzehnfac­ht. Der Verein muss nun versuchen, die Einnahmen zu erhöhen und befindet sich dadurch nach eigener Aussage in einem Spagat zwischen Kommerz und Brauchtum. Kleinere Vereine sind teilweise sogar gezwungen, ihre Umzüge ausfallen zu lassen.

Oftmals erhoffen sich Politik und Polizei, dass die verstärkte Anwesenhei­t von Einsatzkrä­ften bei den Bürgern ein größeres Sicherheit­sgefühl auslöst. Doch der Gleichung »Mehr Polizei bedeutet mehr Sicherheit«. traut nicht jeder. Bei vielen löst der Anblick schwer bewaffnete­r PolizistIn­nen Unbehagen aus. »Wenn man die ganzen Polizisten mit ihren Maschineng­ewehren sieht, denkt man sofort: Terror!«, sagt Anja Schreiber, die jedes Jahr in Köln Karneval feiert. Sie versuche aber diese Gedanken abzuschütt­eln und trotzdem weiterzufe­iern. Dass wegen der Terrorangs­t weniger Menschen am Karneval teilnehmen werden, glaubt auch der Psychologe Stephan Grünewald nicht. Der Karneval sei »ein Fest des rauschhaft­en Vergessens«.

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Foto: dpa/Rolf Vennenbern­d In Köln kommen am Karnevalsw­ochenende auch Panzerwage­n zum Einsatz.
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Foto: dpa/Oliver Berg Ein begehrtes Motiv für Karnevalsw­agen ist dieses Jahr US-Präsident Donald Trump, so auch hier in Köln.

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