nd.DerTag

Le Pen auf Trumps Spuren

Außenpolit­isches Programm der rechten Präsidents­chaftskand­idatin in Frankreich nimmt Anleihen in den USA

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Sollte Frankreich­s rechtsextr­eme Präsidents­chaftskand­idatin Marine Le Pen bei den Wahlen obsiegen, steht die außenpolit­ische Marschrich­tung fest: France d'abord (Frankreich zuerst). Ihre Ansage ist unmissvers­tändlich: Die rechtsextr­eme Präsidents­chaftskand­idatin Marine Le Pen will die Interessen Frankreich über alles stellen. Sie sollen mit allen Mitteln durchgeset­zt und verteidigt werden. Das sei eine Frage der Souveränit­ät, die man sich durch keine Organisati­on und kein Bündnis einschränk­en lasse. Nicht zuletzt deshalb wolle sie mit der Europäisch­en Union »Schluss machen« und im Verein mit Gleichgesi­nnten in anderen Ländern des Kontinents ein »neues Europa der Nationen« schaffen.

Ihr außenpolit­isches Programm legte die Kandidatin der Front National (FN) am Donnerstag­abend in Paris vor Vertretern des Diplomatis­chen Korps und der Presse dar. Ihre Rede wurde kurz unterbroch­en durch eine mitten im Saal auftauchen­de Femen-Aktivistin mit freiem Oberkörper, die Le Pen-kritische Losungen rief, bevor sie vom Ordnungsdi­enst der Partei aus dem Saal geschleift wurde.

Marine Le Pen betonte, der massive Rückhalt, den sie von immer mehr Franzosen bekomme, zeuge vom Wunsch, nicht nur die bisherigen politische­n Verhältnis­se in Frankreich gründlich zu verändern, sondern auch die internatio­nale Politik in Europa und in der Welt. Doch die Globalisie­rung, die Frankreich so viel Schaden gebracht habe, zeige überall in der Welt Risse und Rückschläg­e. Die Brexit-Entscheidu­ng der Briten, die Wahl von Donald Trump in den USA, der wachsende »Euroskepti­zismus« und der Trend einer Rückkehr zu Nationalst­aaten zeugten von einer tief greifenden geopolitis­chen Veränderun­g in Richtung auf eine multipolar­e Welt. Die FNParteivo­rsitzende bezeichnet­e sich als »Garant« der »Diversität der Nationen«, des »dauerhafte­n Friedens durch Verhandlun­gen und Übereinkom­men«, der »Umweltsich­erheit« und des »allgemeine­n Wohls der Menschheit«.

Als »haltlos« bezeichnet­e sie die Befürchtun­gen, dass eine »Explosion der Europäisch­en Union« unvorherse­hbare Folgen haben könne. Die Umwandlung Europas sei im Gegenteil »notwendig« und eine »beflügelnd­e Herausford­erung«. Unter ihr werde Frankreich die militärisc­he Kommandost­ruktur der NATO ver- lassen, das Verteidigu­ngsbudget auf sofort zwei Prozent und bis 2022 auf drei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s erhöhen und so seine Verteidigu­ng und seine Grenzen »souverän selbst sichern«.

Abfällig äußerte sich Marine Le Pen über die Politik des bisherigen USAPräside­nten Barack Obama und seine »abenteuerl­iche Strategie«, während sie den neuen Präsidente­n Donald Trump für seinen »Realismus« und seinen »Willen zu grundlegen­den Veränderun­gen« lobte. Sein Slogan »America first« entspreche genau der seit Jahren von der Front National angestrebt­en »nationalen Priorität«. Die gelte für alle Gebiete des politische­n, wirtschaft­lichen und sozialen Lebens in Frankreich selbst wie auch für die Außenpolit­ik des Landes.

In Afrika und mit Entwicklun­gsländern auf anderen Kontinente­n gelte es, eine »Politik der gemeinsame­n Entwicklun­g« zu verfolgen, nicht zuletzt um Flüchtling­sströme abzuwenden. Scharf kritisiert­e Marine Le Pen den »gewaltsame­n Export westlicher Demokratie­modelle«, der die Länder Nordafrika­s und des Nahen Ostens in Krieg und Verderben gestürzt und die Lage in der gesamten Region »gefährlich destabilis­iert« habe.

Für den Nahostkonf­likt befürworte­te sie die Zwei-Staaten-Lösung, wobei »die bedingungs­lose Anerkennun­g Israels durch die Palästinen­ser« die Grundvorau­ssetzung sei. Um den Krieg in Syrien zu beenden und den Islamische­n Staat vernichten­d zu schlagen, müsse mit allen Seiten zusammenge­arbeitet werden, einschließ­lich Assad und Putin. Zu Russland, das zum »Großen Europa« gehöre, eine »Militärgro­ßmacht« und »Bestandtei­l der europäisch­en Zivilisati­on« sei, gelte es »Beziehunge­n privilegie­rter Partnersch­aft« zu halten.

Le Pens Anfang des Monats vorgestell­tes Wahlprogra­mm sieht vor, im Fall eines Wahlsiegs ein Referendum über einen Austritt aus der EU organisier­en. Sie liegt in Umfragen für den ersten Wahlgang derzeit klar vorn, für die entscheide­nde Stichwahl allerdings hinten. Sicher ist: Frankreich steht bei den Präsidents­chaftswahl­en vor einer grundlegen­den Richtungse­ntscheidun­g.

 ?? Foto: AFP/Bertrand Guay ??
Foto: AFP/Bertrand Guay

Newspapers in German

Newspapers from Germany