Le Pen auf Trumps Spuren
Außenpolitisches Programm der rechten Präsidentschaftskandidatin in Frankreich nimmt Anleihen in den USA
Sollte Frankreichs rechtsextreme Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen bei den Wahlen obsiegen, steht die außenpolitische Marschrichtung fest: France d'abord (Frankreich zuerst). Ihre Ansage ist unmissverständlich: Die rechtsextreme Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen will die Interessen Frankreich über alles stellen. Sie sollen mit allen Mitteln durchgesetzt und verteidigt werden. Das sei eine Frage der Souveränität, die man sich durch keine Organisation und kein Bündnis einschränken lasse. Nicht zuletzt deshalb wolle sie mit der Europäischen Union »Schluss machen« und im Verein mit Gleichgesinnten in anderen Ländern des Kontinents ein »neues Europa der Nationen« schaffen.
Ihr außenpolitisches Programm legte die Kandidatin der Front National (FN) am Donnerstagabend in Paris vor Vertretern des Diplomatischen Korps und der Presse dar. Ihre Rede wurde kurz unterbrochen durch eine mitten im Saal auftauchende Femen-Aktivistin mit freiem Oberkörper, die Le Pen-kritische Losungen rief, bevor sie vom Ordnungsdienst der Partei aus dem Saal geschleift wurde.
Marine Le Pen betonte, der massive Rückhalt, den sie von immer mehr Franzosen bekomme, zeuge vom Wunsch, nicht nur die bisherigen politischen Verhältnisse in Frankreich gründlich zu verändern, sondern auch die internationale Politik in Europa und in der Welt. Doch die Globalisierung, die Frankreich so viel Schaden gebracht habe, zeige überall in der Welt Risse und Rückschläge. Die Brexit-Entscheidung der Briten, die Wahl von Donald Trump in den USA, der wachsende »Euroskeptizismus« und der Trend einer Rückkehr zu Nationalstaaten zeugten von einer tief greifenden geopolitischen Veränderung in Richtung auf eine multipolare Welt. Die FNParteivorsitzende bezeichnete sich als »Garant« der »Diversität der Nationen«, des »dauerhaften Friedens durch Verhandlungen und Übereinkommen«, der »Umweltsicherheit« und des »allgemeinen Wohls der Menschheit«.
Als »haltlos« bezeichnete sie die Befürchtungen, dass eine »Explosion der Europäischen Union« unvorhersehbare Folgen haben könne. Die Umwandlung Europas sei im Gegenteil »notwendig« und eine »beflügelnde Herausforderung«. Unter ihr werde Frankreich die militärische Kommandostruktur der NATO ver- lassen, das Verteidigungsbudget auf sofort zwei Prozent und bis 2022 auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöhen und so seine Verteidigung und seine Grenzen »souverän selbst sichern«.
Abfällig äußerte sich Marine Le Pen über die Politik des bisherigen USAPräsidenten Barack Obama und seine »abenteuerliche Strategie«, während sie den neuen Präsidenten Donald Trump für seinen »Realismus« und seinen »Willen zu grundlegenden Veränderungen« lobte. Sein Slogan »America first« entspreche genau der seit Jahren von der Front National angestrebten »nationalen Priorität«. Die gelte für alle Gebiete des politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens in Frankreich selbst wie auch für die Außenpolitik des Landes.
In Afrika und mit Entwicklungsländern auf anderen Kontinenten gelte es, eine »Politik der gemeinsamen Entwicklung« zu verfolgen, nicht zuletzt um Flüchtlingsströme abzuwenden. Scharf kritisierte Marine Le Pen den »gewaltsamen Export westlicher Demokratiemodelle«, der die Länder Nordafrikas und des Nahen Ostens in Krieg und Verderben gestürzt und die Lage in der gesamten Region »gefährlich destabilisiert« habe.
Für den Nahostkonflikt befürwortete sie die Zwei-Staaten-Lösung, wobei »die bedingungslose Anerkennung Israels durch die Palästinenser« die Grundvoraussetzung sei. Um den Krieg in Syrien zu beenden und den Islamischen Staat vernichtend zu schlagen, müsse mit allen Seiten zusammengearbeitet werden, einschließlich Assad und Putin. Zu Russland, das zum »Großen Europa« gehöre, eine »Militärgroßmacht« und »Bestandteil der europäischen Zivilisation« sei, gelte es »Beziehungen privilegierter Partnerschaft« zu halten.
Le Pens Anfang des Monats vorgestelltes Wahlprogramm sieht vor, im Fall eines Wahlsiegs ein Referendum über einen Austritt aus der EU organisieren. Sie liegt in Umfragen für den ersten Wahlgang derzeit klar vorn, für die entscheidende Stichwahl allerdings hinten. Sicher ist: Frankreich steht bei den Präsidentschaftswahlen vor einer grundlegenden Richtungsentscheidung.