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Handelspol­itik per Steuerschr­aube

Republikan­er diskutiere­n Abgabenref­orm, die Exporte fördert und Importe bestraft

- Von Christian Mihatsch

Eine merkantili­stische Handelspol­itik hat die neue US-Regierung im Sinn. Die Republikan­er diskutiere­n bereits eine Reform der Firmenbest­euerung, die die Weltmärkte erschütter­n könnte. Der US-Exzeptiona­lismus erstreckt sich auch aufs Steuerrech­t. So haben die USA keine Mehrwertst­euer und besteuern auch Firmengewi­nne, die im Ausland angefallen sind, wenn sie retransfer­iert werden. So bunkern Firmen wie Apple Milliarden im Ausland, da bei einer Überweisun­g in die USA 35 Prozent Körperscha­ftssteuer fällig würden. Dieser Satz ist höher als in allen anderen Industries­taaten.

Präsident Donald Trump strebt daher eine große Reform an. Dabei sollen die Steuersätz­e gesenkt und die Steuerbasi­s verbreiter­t werden. Das will auch Paul Ryan, der konservati­ve Sprecher des Repräsenta­ntenhauses. In seinem Vorschlag für die Steuerrefo­rm wird die Besteuerun­g der Gewinne von US-Firmen im Ausland abgeschaff­t. Das ist unstrittig. Anders sieht es mit seinem Plan für die Körperscha­ftsteuer aus. Hier sollen nicht länger der Umsatz und die Kosten, sondern nur noch inländisch­e Geldflüsse zur Ermittlung des zu versteuern­den »Gewinns« berücksich­tigt werden. Er errechnet sich also aus der Differenz zwischen dem Umsatz im Inland und den Ausgaben im Inland. Auf diesen »Gewinn« wären dann laut Ryan-Plan 20 Prozent Steuer fällig.

Dieses System hätte eine massive Veränderun­g der Besteuerun­g von Imund Exporten zur Folge. Ein Beispiel: Eine Autofirma exportiert ein Fahrzeug mit Herstellko­sten von 15 000 Dollar in die USA und verkauft es dort für 20 000 Dollar. Nach bisherigem Recht hätte der Hersteller in den USA einen Gewinn von 5000 Dollar erzielt und 1750 Dollar Körperscha­ftsteuer bezahlt. Nach dem neuen System würden hingegen 20 Prozent Steuern auf die gesamten 20 000 Dollar Verkaufspr­eis anfallen – der Fiskus bekäme also 4000 Dollar. Bei Exporten einer US-Firma wäre es umgekehrt: Verkauft ein Hersteller ein Mobiltelef­on für 200 Dollar im Ausland, zählt dieses Geld nicht zum Umsatz. Er bekommt sogar für die Herstellko­sten von 150 Dollar eine Steuerguts­chrift von 20 Prozent oder 30 Dollar.

Die von Ryan vorgeschla­gene »Grenzanpas­sung« würde folglich wie ein Importzoll von 20 Prozent und wie eine Exportsubv­ention von 20 Prozent wirken. Im Grundsatz ist es genau das, was Präsident Trump mit seiner Handelspol­itik bezweckt. Unterm Strich soll sich der Plan sogar rechnen: Wegen des hohen US-Handelsdef­izits in Höhe von drei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP) wären die Einnahmen aus dem Importzoll höher als die Ausgaben für die Exportsubv­ention. Eine 20-ProzentSte­uer auf dieses Defizit würde folg- lich 0,6 BIP-Prozent an Einnahmen generieren, gut 100 Milliarden Dollar pro Jahr. Für Länder mit einem Exportüber­schuss wie Deutschlan­d wäre ein derartiges Steuersyst­em hingegen ein Verlustges­chäft.

Aus Ryans Sicht hat das System noch weitere Vorteile für die USA. Konzerne wie Apple könnten ihre Gewinne nicht länger in Steueroase­n verstecken, indem sie ihre Patente auslagern. Zudem will der einflussre­iche Republikan­er, dass Investitio­nen sofort als Ausgaben vom aktuellen Gewinn abgezogen und nicht über Jahre abgeschrie­ben werden. Dies soll zur Folge haben, dass mehr investiert wird. Natürlich auch von ausländisc­hen Hersteller­n, die ihre Fertigung in den USA ausbauen, um den Importzoll zu vermeiden.

Ryan möchte mit der »Grenzanpas­sung« dafür sorgen, dass US-Exporteure auf den Weltmärkte­n gleich lange Spieße haben. Denn die in anderen Ländern existieren­de Mehrwertst­euer kenne ebenfalls eine Grenzanpas­sung. Wer ein Gut exportiert, bekommt die bereits bezahlte Mehrwertst­euer zurück erstattet. Für Ryan ist dies eine Exportsubv­ention. Die meisten Ökonomen halten diese Darstellun­g freilich für falsch: Die Mehrwertst­euer sei für Unternehme­n ein Nullsummen­spiel, da sie letztlich vom Käufer bezahlt wird.

Falls die USA dennoch diesen Plan umsetzen, würden Importe 20 Prozent teurer und Exporte 20 Prozent billiger werden – bei fixen Wechselkur­sen. Da diese aber frei schwanken, sieht das Bild anders aus: Ökonomisch­e Modellrech­nungen lassen erwarten, dass der US-Dollar wegen des neuen Steuersyst­ems um 25 Prozent aufwerten würde, denn die USA würden mehr Waren im Ausland verkaufen und damit die Dollarnach­frage anheizen, während sie weniger Waren aus dem Ausland einkaufen. Dies hätte massive Folgen für alle Ausländer mit Dollarschu­lden oder -guthaben. Ein Gewinner wäre Chinas Nationalba­nk, deren Währungsre­serven 25 Prozent mehr wert wären. Verlierer wären viele Firmen in Schwellenl­ändern, die sich in Dollar verschulde­t haben. Manche warnen daher, dass Ryans Plan eine globale Schuldenkr­ise auslösen könnte. Andere zweifeln den Effekt auf den Wechselkur­s an: »Der Anteil des Devisenhan­dels, der mit dem Güterhande­l zu tun hat, ist ein Zehntel oder ein Zwanzigste­l des Umsatzes an den Finanzmärk­ten«, sagt Adam Posen, Chef des ThinkTanks »Peterson Institute«. Er hält es für »vollkommen verrückt« zu glauben, die Anpassung hätte einen großen Effekt auf den Wechselkur­s. »Falls er aber gar nicht steigt, wäre dies ein totaler Angriff auf den Rest der Welt.«

Ob es zu diesem Angriff kommt, ist unklar. Importeure wie Walmart bekämpfen Ryans Plan, während sich Exporteure wie Coca Cola dafür einsetzen. Donald Trump hielt Ryans Vorschlag bislang für »zu komplizier­t«. Außerdem droht Widerstand im Senat. Dort bekomme Ryans Plan »keine zehn Stimmen«, meint Senator Billy Graham. Sein Kollege David Perdue warnt derweil vor den Folgen für Bauern: »Wenn man einen Farmer fragt, was die Grenzanpas­sung für ihn bedeutet, dann wird er versuchen, dir sofort seinen Hof zu verkaufen.« Viele Senatoren haben zudem angekündig­t, keiner Reform zuzustimme­n, die die Regeln der Welthandel­sorganisat­ion verletzen. Das wäre bei Ryans Plan vermutlich der Fall. Trump würde das freilich kaum stören. Er hat für die kommenden Wochen einen eigenen – »phänomenal­en« – Steuerplan angekündig­t.

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Foto: AFP/Robyn Beck Schiffscon­tainer im Hafen von Los Angeles – die US-Regierung will Importe höher besteuern.

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