Handelspolitik per Steuerschraube
Republikaner diskutieren Abgabenreform, die Exporte fördert und Importe bestraft
Eine merkantilistische Handelspolitik hat die neue US-Regierung im Sinn. Die Republikaner diskutieren bereits eine Reform der Firmenbesteuerung, die die Weltmärkte erschüttern könnte. Der US-Exzeptionalismus erstreckt sich auch aufs Steuerrecht. So haben die USA keine Mehrwertsteuer und besteuern auch Firmengewinne, die im Ausland angefallen sind, wenn sie retransferiert werden. So bunkern Firmen wie Apple Milliarden im Ausland, da bei einer Überweisung in die USA 35 Prozent Körperschaftssteuer fällig würden. Dieser Satz ist höher als in allen anderen Industriestaaten.
Präsident Donald Trump strebt daher eine große Reform an. Dabei sollen die Steuersätze gesenkt und die Steuerbasis verbreitert werden. Das will auch Paul Ryan, der konservative Sprecher des Repräsentantenhauses. In seinem Vorschlag für die Steuerreform wird die Besteuerung der Gewinne von US-Firmen im Ausland abgeschafft. Das ist unstrittig. Anders sieht es mit seinem Plan für die Körperschaftsteuer aus. Hier sollen nicht länger der Umsatz und die Kosten, sondern nur noch inländische Geldflüsse zur Ermittlung des zu versteuernden »Gewinns« berücksichtigt werden. Er errechnet sich also aus der Differenz zwischen dem Umsatz im Inland und den Ausgaben im Inland. Auf diesen »Gewinn« wären dann laut Ryan-Plan 20 Prozent Steuer fällig.
Dieses System hätte eine massive Veränderung der Besteuerung von Imund Exporten zur Folge. Ein Beispiel: Eine Autofirma exportiert ein Fahrzeug mit Herstellkosten von 15 000 Dollar in die USA und verkauft es dort für 20 000 Dollar. Nach bisherigem Recht hätte der Hersteller in den USA einen Gewinn von 5000 Dollar erzielt und 1750 Dollar Körperschaftsteuer bezahlt. Nach dem neuen System würden hingegen 20 Prozent Steuern auf die gesamten 20 000 Dollar Verkaufspreis anfallen – der Fiskus bekäme also 4000 Dollar. Bei Exporten einer US-Firma wäre es umgekehrt: Verkauft ein Hersteller ein Mobiltelefon für 200 Dollar im Ausland, zählt dieses Geld nicht zum Umsatz. Er bekommt sogar für die Herstellkosten von 150 Dollar eine Steuergutschrift von 20 Prozent oder 30 Dollar.
Die von Ryan vorgeschlagene »Grenzanpassung« würde folglich wie ein Importzoll von 20 Prozent und wie eine Exportsubvention von 20 Prozent wirken. Im Grundsatz ist es genau das, was Präsident Trump mit seiner Handelspolitik bezweckt. Unterm Strich soll sich der Plan sogar rechnen: Wegen des hohen US-Handelsdefizits in Höhe von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) wären die Einnahmen aus dem Importzoll höher als die Ausgaben für die Exportsubvention. Eine 20-ProzentSteuer auf dieses Defizit würde folg- lich 0,6 BIP-Prozent an Einnahmen generieren, gut 100 Milliarden Dollar pro Jahr. Für Länder mit einem Exportüberschuss wie Deutschland wäre ein derartiges Steuersystem hingegen ein Verlustgeschäft.
Aus Ryans Sicht hat das System noch weitere Vorteile für die USA. Konzerne wie Apple könnten ihre Gewinne nicht länger in Steueroasen verstecken, indem sie ihre Patente auslagern. Zudem will der einflussreiche Republikaner, dass Investitionen sofort als Ausgaben vom aktuellen Gewinn abgezogen und nicht über Jahre abgeschrieben werden. Dies soll zur Folge haben, dass mehr investiert wird. Natürlich auch von ausländischen Herstellern, die ihre Fertigung in den USA ausbauen, um den Importzoll zu vermeiden.
Ryan möchte mit der »Grenzanpassung« dafür sorgen, dass US-Exporteure auf den Weltmärkten gleich lange Spieße haben. Denn die in anderen Ländern existierende Mehrwertsteuer kenne ebenfalls eine Grenzanpassung. Wer ein Gut exportiert, bekommt die bereits bezahlte Mehrwertsteuer zurück erstattet. Für Ryan ist dies eine Exportsubvention. Die meisten Ökonomen halten diese Darstellung freilich für falsch: Die Mehrwertsteuer sei für Unternehmen ein Nullsummenspiel, da sie letztlich vom Käufer bezahlt wird.
Falls die USA dennoch diesen Plan umsetzen, würden Importe 20 Prozent teurer und Exporte 20 Prozent billiger werden – bei fixen Wechselkursen. Da diese aber frei schwanken, sieht das Bild anders aus: Ökonomische Modellrechnungen lassen erwarten, dass der US-Dollar wegen des neuen Steuersystems um 25 Prozent aufwerten würde, denn die USA würden mehr Waren im Ausland verkaufen und damit die Dollarnachfrage anheizen, während sie weniger Waren aus dem Ausland einkaufen. Dies hätte massive Folgen für alle Ausländer mit Dollarschulden oder -guthaben. Ein Gewinner wäre Chinas Nationalbank, deren Währungsreserven 25 Prozent mehr wert wären. Verlierer wären viele Firmen in Schwellenländern, die sich in Dollar verschuldet haben. Manche warnen daher, dass Ryans Plan eine globale Schuldenkrise auslösen könnte. Andere zweifeln den Effekt auf den Wechselkurs an: »Der Anteil des Devisenhandels, der mit dem Güterhandel zu tun hat, ist ein Zehntel oder ein Zwanzigstel des Umsatzes an den Finanzmärkten«, sagt Adam Posen, Chef des ThinkTanks »Peterson Institute«. Er hält es für »vollkommen verrückt« zu glauben, die Anpassung hätte einen großen Effekt auf den Wechselkurs. »Falls er aber gar nicht steigt, wäre dies ein totaler Angriff auf den Rest der Welt.«
Ob es zu diesem Angriff kommt, ist unklar. Importeure wie Walmart bekämpfen Ryans Plan, während sich Exporteure wie Coca Cola dafür einsetzen. Donald Trump hielt Ryans Vorschlag bislang für »zu kompliziert«. Außerdem droht Widerstand im Senat. Dort bekomme Ryans Plan »keine zehn Stimmen«, meint Senator Billy Graham. Sein Kollege David Perdue warnt derweil vor den Folgen für Bauern: »Wenn man einen Farmer fragt, was die Grenzanpassung für ihn bedeutet, dann wird er versuchen, dir sofort seinen Hof zu verkaufen.« Viele Senatoren haben zudem angekündigt, keiner Reform zuzustimmen, die die Regeln der Welthandelsorganisation verletzen. Das wäre bei Ryans Plan vermutlich der Fall. Trump würde das freilich kaum stören. Er hat für die kommenden Wochen einen eigenen – »phänomenalen« – Steuerplan angekündigt.