Flickenteppich aus Fahrverboten
Diskussion um Dieselfahrzeuge hält an
Es scheint die Nation der Autofahrer zu bewegen: Die Landesregierung Baden-Württemberg hatte diese Woche Fahrverbote angekündigt. An Tagen mit Feinstaubalarm dürfen bestimmte Bezirke in Stuttgart nicht mit Dieselfahrzeugen befahren werden, die nicht der Abgasnorm Euro-6 entsprechen.
Das legt die Frage nahe: Werden solche Verbote bald auch andernorts verhängt? Möglich. Mit dem Schritt will Baden-Württemberg die EU-Kommission beruhigen, die Deutschland seit zwei Jahren wegen der schlechten Luft rügt, unter anderem in Stuttgart, aber auch in anderen Städten und Regionen. Es drohen ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof und ein Bußgeld.
Die Landesregierung steht aber ohnehin unter Druck: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte sie 2015 vor dem Verwaltungsgericht verklagt. Ein »wichtiger Baustein« in dem Verfahren sei das Fahrverbot, schreibt die Regierung. Die DUH hat ähnliche Klagen für acht Städte eingereicht. Als Topkandidat für ein Fahrverbot gilt etwa Düsseldorf. Hier hat das Verwaltungsgericht das schon im vergangenen Herbst angeregt. Eine politische Entscheidung wird aber einige Monate dauern. Derzeit prüft Nordrhein-Westfalens Regierung die Rechtslage – etwa, ob man durch das Verkehrsschild »Verbot für Kraftwagen« auch nur bestimmte Autos aussperren kann.
In München hat ein Gericht vergangene Woche noch deutlichere Worte gesprochen: »Es führt kein Weg an Verkehrsbeschränkungen für Dieselfahrzeuge vorbei«, heißt es. Wegen München hatte die DUH nicht geklagt, denn es gibt bereits seit 2012 ein Gesetz, das Bayern zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans verpflichtet. Die Umweltschützer hatten ein Zwangsvollstreckungsverfahren eingeleitet, weil die Schadstoffwerte weiter zu hoch sind. Weiter klagt die DUH in Köln, Bonn, Aachen, Essen, Gelsenkirchen und Frankfurt am Main. Zwangsvollstreckung fordert die DUH auch in Darmstadt und Wiesbaden.
Mit dem Fahrverbot in Stuttgart sind die Umweltschützer nicht vollends zufrieden: »Wir fordern ein dauerhaftes Verbot aller Dieselfahrzeuge anstelle eines Flickenteppichs an einzelnen Tagen im Jahr«, sagte DUH-Verkehrsexpertin Dorothee Saar dem »nd«. Zudem dürften Fahrzeuge, die Euro-6 entsprechen, auch bei Feinstaubalarm fahren. Diese könnten aber, so Saar, spätestens seit dem Abgasskandal nicht zu den sauberen Autos gezählt werden.
Eigentlich wäre Baden-Württemberg ohnehin die Blaue Plakette lieber gewesen, wie Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sie vorgeschlagen hatte, die Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) aber blockiert. Damit könnten Kommunen eine Umweltzone einrichten, um die Stickoxidbelastung zu senken – hinein dürften nur Autos mit Blauer Plakette. Aber unklar ist bisher, wer die Plakette bekommen würde. Im Gespräch war bisher, den Cut nach den Euro-6-Autos zu machen, weil sie laut den Herstellern klimafreundlich genug sind – die realen Emissionen liegen jedoch in vielen Fällen höher.
Auf Dauer, meint Ole Kamm vom Verkehrsclub VCD, reichten weder ein Fahrverbot noch eine Plakette aus. »Diese Fahrverbote will natürlich keiner – sie sind eine Notlösung, um die Gesundheit der Menschen zu schützen«, sagt er. »Mittelfristig geht es darum, dass die Autoindustrie saubere Autos baut, die die CO2- und Schadstoffvorgaben auch wirklich einhalten – und langfristig müssen wir uns Gedanken machen, wie wir unser Verkehrswesen generell weniger ums Auto zentrieren und Fahrrad, Bus und Bahn stärken.«