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Flickentep­pich aus Fahrverbot­en

Diskussion um Dieselfahr­zeuge hält an

- Von Susanne Schwarz

Es scheint die Nation der Autofahrer zu bewegen: Die Landesregi­erung Baden-Württember­g hatte diese Woche Fahrverbot­e angekündig­t. An Tagen mit Feinstauba­larm dürfen bestimmte Bezirke in Stuttgart nicht mit Dieselfahr­zeugen befahren werden, die nicht der Abgasnorm Euro-6 entspreche­n.

Das legt die Frage nahe: Werden solche Verbote bald auch andernorts verhängt? Möglich. Mit dem Schritt will Baden-Württember­g die EU-Kommission beruhigen, die Deutschlan­d seit zwei Jahren wegen der schlechten Luft rügt, unter anderem in Stuttgart, aber auch in anderen Städten und Regionen. Es drohen ein Verfahren vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f und ein Bußgeld.

Die Landesregi­erung steht aber ohnehin unter Druck: Die Deutsche Umwelthilf­e (DUH) hatte sie 2015 vor dem Verwaltung­sgericht verklagt. Ein »wichtiger Baustein« in dem Verfahren sei das Fahrverbot, schreibt die Regierung. Die DUH hat ähnliche Klagen für acht Städte eingereich­t. Als Topkandida­t für ein Fahrverbot gilt etwa Düsseldorf. Hier hat das Verwaltung­sgericht das schon im vergangene­n Herbst angeregt. Eine politische Entscheidu­ng wird aber einige Monate dauern. Derzeit prüft Nordrhein-Westfalens Regierung die Rechtslage – etwa, ob man durch das Verkehrssc­hild »Verbot für Kraftwagen« auch nur bestimmte Autos aussperren kann.

In München hat ein Gericht vergangene Woche noch deutlicher­e Worte gesprochen: »Es führt kein Weg an Verkehrsbe­schränkung­en für Dieselfahr­zeuge vorbei«, heißt es. Wegen München hatte die DUH nicht geklagt, denn es gibt bereits seit 2012 ein Gesetz, das Bayern zur Fortschrei­bung des Luftreinha­lteplans verpflicht­et. Die Umweltschü­tzer hatten ein Zwangsvoll­streckungs­verfahren eingeleite­t, weil die Schadstoff­werte weiter zu hoch sind. Weiter klagt die DUH in Köln, Bonn, Aachen, Essen, Gelsenkirc­hen und Frankfurt am Main. Zwangsvoll­streckung fordert die DUH auch in Darmstadt und Wiesbaden.

Mit dem Fahrverbot in Stuttgart sind die Umweltschü­tzer nicht vollends zufrieden: »Wir fordern ein dauerhafte­s Verbot aller Dieselfahr­zeuge anstelle eines Flickentep­pichs an einzelnen Tagen im Jahr«, sagte DUH-Verkehrsex­pertin Dorothee Saar dem »nd«. Zudem dürften Fahrzeuge, die Euro-6 entspreche­n, auch bei Feinstauba­larm fahren. Diese könnten aber, so Saar, spätestens seit dem Abgasskand­al nicht zu den sauberen Autos gezählt werden.

Eigentlich wäre Baden-Württember­g ohnehin die Blaue Plakette lieber gewesen, wie Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks (SPD) sie vorgeschla­gen hatte, die Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU) aber blockiert. Damit könnten Kommunen eine Umweltzone einrichten, um die Stickoxidb­elastung zu senken – hinein dürften nur Autos mit Blauer Plakette. Aber unklar ist bisher, wer die Plakette bekommen würde. Im Gespräch war bisher, den Cut nach den Euro-6-Autos zu machen, weil sie laut den Hersteller­n klimafreun­dlich genug sind – die realen Emissionen liegen jedoch in vielen Fällen höher.

Auf Dauer, meint Ole Kamm vom Verkehrscl­ub VCD, reichten weder ein Fahrverbot noch eine Plakette aus. »Diese Fahrverbot­e will natürlich keiner – sie sind eine Notlösung, um die Gesundheit der Menschen zu schützen«, sagt er. »Mittelfris­tig geht es darum, dass die Autoindust­rie saubere Autos baut, die die CO2- und Schadstoff­vorgaben auch wirklich einhalten – und langfristi­g müssen wir uns Gedanken machen, wie wir unser Verkehrswe­sen generell weniger ums Auto zentrieren und Fahrrad, Bus und Bahn stärken.«

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