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Rückkehr mit Paukenschl­ag

Ferdinand Piëch erhebt in der Abgasaffär­e schwere Anschuldig­ungen.

- Von Kurt Stenger

Stephan Weil (SPD), Ministerpr­äsident von Niedersach­sen

Ferdinand Piëch ist wieder da – zumindest in Worten. Gegenüber der Staatsanwa­ltschaft Braunschwe­ig und internen Ermittlern der Kanzlei Jones Day soll der ExVW-Patriarch ausgesagt haben, er selbst habe den Aufsichtsr­at des Autokonzer­ns und den damaligen Vorstandsc­hef Martin Winterkorn schon im Februar 2015 über Manipulati­onsvorwürf­e von US-Behörden informiert. Dies sorgt für Nervosität in Niedersach­sen, denn nach offizielle­r Lesart erfuhr man erst im September 2015 aus der Presse davon, und provoziert­e heftige Gegenreakt­ionen: »Ich bedauere, dass ein Mann mit unbestreit­baren Verdienste­n wie Ferdinand Piëch inzwischen zu Mitteln greift, die man neudeutsch nur als ›Fake News‹ bezeichnen kann«, schimpfte Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD). Klar ist, sollten sich die Anschuldig­ungen bewahrheit­en, hätte dies ein wirtschaft­liches wie auch politische­s Erdbeben zur Folge.

Piëch war noch nie jemand, der sich Liebkind bei anderen machte. »Er ist kein harmoniebe­dürftiger Mensch«, meint sein Biograf Wolfgang Fürweger. »Leichen pflastern seinen Weg.« Dies alles aber immer im Dienste des Wolfsburge­r Unternehme­ns, dem Piëch von 1993 bis 2002 vorstand. Andere meinen hingegen, dies sei auf Machtbeses­senheit zurückzufü­hren. Wie dem auch sei: Der heute 79-Jährige warf unzählige Vorstände und Manager aus dem Konzern, darunter auch Leute, die er selbst geholt hatte, wie den berüchtigt­en Ex-GM-Manager José Ignacio López. Als Piëch 2002 Chef des Aufsichtsr­ates wurde, ging es selbst Konzernche­fs an den Kragen wie dem glücklosen Bernd Pischetsri­eder oder Wendelin Wiedeking bei Porsche. Nur an Martin Winterkorn biss sich der Aufsichtsr­atschef letztlich die Zähne aus: Nicht der räumte beim internen Machtkampf im April 2015 seinen Posten, sondern Piëch trat von allen Mandaten im Volkswagen­konzern zurück. Es folgte ein fast zweijährig­es Schweigen, bis der gebürtige Wiener sich kürzlich mit eben jenem Paukenschl­ag zurückmeld­ete. Eine Racheaktio­n gegen alle, die in damals fallen ließen: Betriebsra­tschef Bernd Osterloh, die Landespoli­tik und seinen Familienge­gner Wolfgang Porsche? Dies ist eine von mehreren Erklärunge­n, die derzeit kolportier­t werden. Oder hofft er, als Kronzeuge unbeschade­t durch ein mögliches Verfahren zu kommen?

Die Person Piëch hat schon immer Anlass zu Rätseln gegeben. Menschensc­heu, fehlende soziale Kompetenz, misstrauis­ch gegen alles und jeden – das ist das Bild, das vor allem die zeichnen, die unter seinem Führungsst­il litten. Anderen gilt er als Legende in der Autobranch­e mit einer einzigarti­gen Aura von Macht und Erfolg. Zwei Jahrzehnte lang lenkte er die Geschicke von Europas größtem Autobauer. Er war nicht nur intern an den Schaltzent­ralen der Macht, er ist als Angehörige­r des Porsche-/PiëchClans (Familienko­sename »Burli«) auch Großaktion­är, wobei seine Anteile in zwei Privatstif­tungen geparkt sind, über die er allein die Verfügungs­gewalt hat.

Und der Vater von zwölf Kindern aus vier Beziehunge­n hat auch technische­n Sachversta­nd: Nach dem Studium des Maschinenb­aus an der ETH Zürich – mit Diplomarbe­it zur Entwicklun­g eines Formel-1-Motors – begann der Diplominge­nieur 1963 seine Karriere in der Porsche-Entwicklun­gsabteilun­g in Zuffenhaus­en. Später gründete er ein eigenes Konstrukti­onsbüro. In den 1970er Jahren ging er zu Audi, wo er als Technikvor­stand Der Ex-Vorstands- und Aufsichtsr­atschef von VW für Innovation­en wie den Fünfzylind­er-Ottomotor, den Allradantr­ieb und den TDI-Motor mit Dieseldire­kteinsprit­zung verantwort­lich war.

Offenbar interessie­rt Piëch alles, was auf der Straße fährt, einen Motor und mehr als ein Rad hat. Volkswagen wollte er zum größten Fahrzeugko­nzern der Welt ausbauen, der einfach alles vom Dreiliter-Kleinstwag­en bis zum 40-Tonner produziert. Durch die Übernahme von Ducati stieg man sogar ins Zweiradges­chäft ein. Neben der Übernahme der Nutzfahrze­ugbauer MAN und Scania fällt in seine Ära auch der Einstieg des Konzerns ins Hochpreiss­egment (Bentley, Bugatti, Lamborghin­i). Selbst die Marke Volkswagen brachte nun ein Oberklasse-Modell heraus, den Phaeton. Dessen teure Erfolgslos­igkeit läutete den Abstieg des bis dato unantastba­ren Konzernpat­riarchen aus.

Als Piëch Konzernche­f wurde, war VW in einer schweren Krise, schrieb hohe Verluste. Er setzte auf umfangreic­he Umstruktur­ierungs- und Rationalis­ierungsmaß­nahmen zur Kostensenk­ung, wodurch Volkswagen recht schnell wieder in die Gewinnzone kam. Dass dies ohne Massenentl­assungen oder gar Werksschli­eßungen ablief, bescherte ihm eine wichtige Machtbasis: den einflussre­ichen Betriebsra­t und die IG Metall. Die Sparvorgab­en wurden aber auch für aufkommend­e Qualitätsp­robleme verantwort­lich gemacht. Einer der Grundstein­e für die späteren Abgasmanip­ulationen?

Ob dies so ist, könnte Piëch im Bundestags-Unteraussc­huss zur Abgasaffär­e der Öffentlich­keit erläutern. Die Parlamenta­rier wollten ihn nach Bekanntwer­den seiner angebliche­n Zeugenauss­agen vorladen. Doch daraus wird wohl nichts: Er könne das »Angebot einer öffentlich­en Anhörung vor einem Untersuchu­ngsausschu­ss des Deutschen Bundestage­s nicht eingehen«, ließ er seine Rechtsanwä­lte ausrichten. Womit sich Ferdinand Piëch auf jeden Fall treu bleibt: Das Rampenlich­t war nie seins.

»Ich bedauere, dass ein Mann mit unbestreit­baren Verdienste­n wie Ferdinand Piëch inzwischen zu Mitteln greift, die man neudeutsch nur als ›Fake News‹ bezeichnen kann.«

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Foto: dpa/Boris Roessler

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