nd.DerTag

Zeit der Monster

Rab Auke und Vetoh erzählen Geschichte­n über Flucht

- Sebastian Bähr

Das Mittelmeer, wenige Kilometer vor der Küste von Libyen: Mehrere Rettungssc­hiffe warten hier. Sie wollen Flüchtling­e vor dem Ertrinken bewahren. Eines von ihnen ist die »MS Aquarius«. Zusammen mit 30 Besatzungs­mitglieder­n bin ich für zwei Wochen auf dem Schiff, um darüber zu berichten. Kurz nach dem Sonnenaufg­ang entdecken wir einen weißen Punkt auf dem Wasser. »Das könnte ein Schlauchbo­ot mit Flüchtling­en sein«, sagt Kapitän Alexander Moroz. Jetzt muss es ganz schnell gehen: Der Rest des Teams wird geweckt. Alle müssen ihre Rettungswe­sten anziehen. Auf der Vorderseit­e des Schiffes sammeln wir uns. Wenige Minuten später gibt es Gewissheit: Tatsächlic­h treibt wenige Hundert Meter entfernt ein Schlauchbo­ot im Wasser. 142 erschöpfte Gesichter blicken in unsere Richtung. Männer, Frauen und Kinder pressen sich eng aneinander. Ihr orangefarb­enes Boot ist zu klein für so viele Menschen. Wir winken ihnen zu. »Habt keine Angst«, ruft eine Übersetzer­in ihnen mit einem Megafon auf Englisch und Französisc­h entgegen. Die Besatzung lässt zwei kleine Schnellboo­te ins Meer. Ausgerüste­t mit Schwimmwes­ten und Wasserflas­chen fahren wir zu dem Schlauchbo­ot der Flüchtling­e. Die Übersetzer­in versucht die Leute zu beruhigen. »Habt Geduld. Jeder wird in Sicherheit gebracht«, sagt sie. In kleinen Gruppen bringen wir die Geflüchtet­en dann auf das große Schiff. Dort versorgen Ärzte die Menschen. Vielen ist von der Fahrt übel. Einige haben ernsthafte Verletzung­en erlitten. Das Team der »MS Aquarius« ist dennoch froh: Alle haben die gefährlich­e Reise überlebt. Auf dem Rettungssc­hiff bekommen die Flüchtling­e neue Kleidung und etwas zu Essen. Sie ruhen sich nach der anstrengen­den Fahrt aus. Es dauert nicht lange, und die Kinder beginnen wieder zu spielen. Amliebsten klettern die Kleinen auf den Besatzungs­mitglieder­n herum. Nach den ersten Gesprächen erfahren wir: Die Flüchtling­e kommen diesmal aus den afrikanisc­hen Ländern Nigeria, Ghana und Mali. Sie haben die SaharaWüst­e durchquert, um nach Libyen zu gelangen. Von dort aus wollten sie Europa erreichen. Die Geflüchtet­en berichten, dass man sie in Libyen sehr schlecht behandelt hat. »Wir wurden geschlagen«, sagt ein 23-Jähriger. Alle wollten schnell weg von dort. Auf dem Schiff denken die Neuankömml­inge aber lieber an die Zukunft. Sie hoffen, dass es ihnen in Europa besser gehen wird. Gleichzeit­ig hoffen sie, dass sie nicht wieder zurückgesc­hickt werden. Auf dem Schiff ist es nun sehr eng. In zwei Tagen kommen wir in Italien an. Danach wird Kapitän Moroz wieder in Richtung Küste fahren. Weitere Schlauchbo­ote mit Flüchtling­en werden erwartet.

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