Zeit der Monster
Rab Auke und Vetoh erzählen Geschichten über Flucht
Das Mittelmeer, wenige Kilometer vor der Küste von Libyen: Mehrere Rettungsschiffe warten hier. Sie wollen Flüchtlinge vor dem Ertrinken bewahren. Eines von ihnen ist die »MS Aquarius«. Zusammen mit 30 Besatzungsmitgliedern bin ich für zwei Wochen auf dem Schiff, um darüber zu berichten. Kurz nach dem Sonnenaufgang entdecken wir einen weißen Punkt auf dem Wasser. »Das könnte ein Schlauchboot mit Flüchtlingen sein«, sagt Kapitän Alexander Moroz. Jetzt muss es ganz schnell gehen: Der Rest des Teams wird geweckt. Alle müssen ihre Rettungswesten anziehen. Auf der Vorderseite des Schiffes sammeln wir uns. Wenige Minuten später gibt es Gewissheit: Tatsächlich treibt wenige Hundert Meter entfernt ein Schlauchboot im Wasser. 142 erschöpfte Gesichter blicken in unsere Richtung. Männer, Frauen und Kinder pressen sich eng aneinander. Ihr orangefarbenes Boot ist zu klein für so viele Menschen. Wir winken ihnen zu. »Habt keine Angst«, ruft eine Übersetzerin ihnen mit einem Megafon auf Englisch und Französisch entgegen. Die Besatzung lässt zwei kleine Schnellboote ins Meer. Ausgerüstet mit Schwimmwesten und Wasserflaschen fahren wir zu dem Schlauchboot der Flüchtlinge. Die Übersetzerin versucht die Leute zu beruhigen. »Habt Geduld. Jeder wird in Sicherheit gebracht«, sagt sie. In kleinen Gruppen bringen wir die Geflüchteten dann auf das große Schiff. Dort versorgen Ärzte die Menschen. Vielen ist von der Fahrt übel. Einige haben ernsthafte Verletzungen erlitten. Das Team der »MS Aquarius« ist dennoch froh: Alle haben die gefährliche Reise überlebt. Auf dem Rettungsschiff bekommen die Flüchtlinge neue Kleidung und etwas zu Essen. Sie ruhen sich nach der anstrengenden Fahrt aus. Es dauert nicht lange, und die Kinder beginnen wieder zu spielen. Amliebsten klettern die Kleinen auf den Besatzungsmitgliedern herum. Nach den ersten Gesprächen erfahren wir: Die Flüchtlinge kommen diesmal aus den afrikanischen Ländern Nigeria, Ghana und Mali. Sie haben die SaharaWüste durchquert, um nach Libyen zu gelangen. Von dort aus wollten sie Europa erreichen. Die Geflüchteten berichten, dass man sie in Libyen sehr schlecht behandelt hat. »Wir wurden geschlagen«, sagt ein 23-Jähriger. Alle wollten schnell weg von dort. Auf dem Schiff denken die Neuankömmlinge aber lieber an die Zukunft. Sie hoffen, dass es ihnen in Europa besser gehen wird. Gleichzeitig hoffen sie, dass sie nicht wieder zurückgeschickt werden. Auf dem Schiff ist es nun sehr eng. In zwei Tagen kommen wir in Italien an. Danach wird Kapitän Moroz wieder in Richtung Küste fahren. Weitere Schlauchboote mit Flüchtlingen werden erwartet.