Ungenutzte Kapazitäten
Während in Deutschland viele vormals von Flüchtlingen genutzte Immobilien leer stehen, harren Tausende in provisorischen Camps in Griechenland und Italien aus
Tausende Asylsuchende sitzen in Flüchtlingscamps in Südeuropa fest. »Pro Asyl« fordert nun von Deutschland, deutlich mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Mehrere Initiativen und Kommunen sehen das ähnlich. Die Flüchtlingsorganisation »Pro Asyl« hat der Bundesregierung fehlenden politischen Willen bei der Flüchtlingsaufnahme vorgeworfen. Am vereinbarten europäischen Relocation-Programm zur Umverteilung von Asylsuchenden, die derzeit in Griechenland und Italien festsitzen, habe sich Deutschland bislang nur unzureichend beteiligt, sagte »Pro Asyl«-Geschäftsführer, Günter Burkhardt, am Mittwoch in Berlin. »Die Zahlen sind erbärmlich. Es wäre ein Leichtes für Deutschland, mehr als die bisher aufgenommenen Personen aufzunehmen«, sagte Burkhardt. Landesweit stünden Unterkünfte leer. »Es fehlt der politische Wille.
Von den zugesagten rund 27 500 Flüchtlingen, die bis September 2017 im Rahmen des Relocation-Programms nach Deutschland kommen sollten, seien bislang lediglich knapp zehn Prozent in die Bundesrepublik gelangt.
Deutschland verschleppe die vereinbarte Flüchtlingsaufnahme, kritisierte der Europareferent von »Pro Asyl«, Karl Kopp. Damit verschärfe sich »die humanitäre Krise in Griechenland«. Zudem bahne sich auch eine humanitäre Krise in Italien an, warnte Kopp. Den Angaben zufolge sitzen derzeit rund 15 000 Menschen allein auf den griechischen Inseln fest, ohne dass sie die Chance hätten, einen regulären Asylantrag zu stellen.
Hintergrund des Relocation-Programms sind zwei Beschlüsse des EUMinisterrats von September 2015, wonach bis zu 160 000 Flüchtlinge, die sich derzeit in Griechenland und Italien aufhalten, innerhalb von zwei Jahren in Europa umverteilt werden. Die Umverteilung in andere europäische Staaten sollte proportional zur Größe und Leistungskraft des Aufnahmelandes geschehen. Deutschland muss nach den EU-Beschlüssen insgesamt rund 27 500 Flüchtlinge aufnehmen, davon rund 10 000 aus Italien und 17 000 aus Griechenland.
Wie das Bundesinnenministerium (BMI) am Mittwoch gegenüber dem Evangelischen Pressedienst erklärte, wurden bislang im Rahmen des Re- location-Programms insgesamt 2 626 Asylsuchende – davon 1556 Asylsuchende aus Griechenland und 1 070 aus Italien – nach Deutschland umverteilt. EU-weit seien bisher 13 264 Asylsuchende umverteilt worden, davon 9 565 aus Griechenland und 3 699 aus Italien.
Ziel sei, monatlich eine Umverteilung von monatlich 1 000 Personen nach Deutschland zu erreichen, betonte das Ministerium. Die bislang schleppende Umsetzung von Relocation erklärte das BMI mit Verfahrensabläufen, die sich zunächst einspielen mussten. Künftig solle das Umsiedlungsverfahren schneller und effizienter durchgeführt werden.
»Pro Asyl« und andere Flüchtlingsinitiativen fordern unterdessen eine deutliche höhere Aufnahmequote von Flüchtlingen, die aktuell in Südeuropa festsitzen. Dazu übergaben sie am Mittwoch auch eine Online-Petition an Vertreter des BMI. Rund 46 000 Internetnutzer hatten sich in der Petition mit dem Titel »Geflüchtete aus Griechenland und Italien nach Deutschland holen – Relocation jetzt umsetzen!« für höhere Aufnahmequoten ausgesprochen.
»Nach der Schließung der Balkanroute im letzten Frühjahr leben weit über 50 000 Menschen in Flüchtlingscamps, in denen es am Nötigsten fehlt«, heißt es in der Petition, die von der privaten Flüchtlingsinitiative aus Osnabrück »50 aus Idomeni« initiiert wurde. Die Unterstützer der Unterschriftenliste sprechen sich dafür aus, dass Deutschland deutlich mehr Menschen aufnehmen sollte, als bis- lang geplant. Begründet wird die Forderung unter anderem damit, dass bundesweit derzeit zahlreiche Flüchtlingsunterkünfte leer stünden.
»Pro Asyl« sowie Vertreter der Osnabrücker Initiative »50 aus Idomeni« und der Flüchtlingsinitiative »Potsdam-Konvoi« verwiesen darauf, dass es bundesweit mittlerweile über ein Dutzend Kommunen gebe, die sich unter anderem mit Stadtratsbeschlüssen zu einer höheren Flüchtlingsaufnahme bereiterklärt hätten. Dazu zählen »Pro Asyl« zufolge neben Osnabrück und Potsdam auch Marburg, Mainz und München. Bundesweit stehen viele Immobilien, die auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle eingerichtet wurden, leer bzw sind nicht ausgelastet.