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Flüchtling­sstopp gegen Milliarden

Ägyptens Machthaber erwartet in schwierige­r Lage die deutsche Bundeskanz­lerin

- Von Oliver Eberhardt

Bundeskanz­lerin Merkel reist am Donnerstag nach Ägypten und Tunesien; es wird vor allem um die Begrenzung der Zahl der Flüchtling­e gehen, die nach Europa kommen. Ägypten hofft auf Milliarden­hilfe. Nach außen hin ist die Freude über den Besuch von Bundeskanz­lerin Angela Merkel groß. Seit Tagen schwören die Medien die Öffentlich­keit auf die Ankunft der deutschen Regierungs­chefin ein, die neben Ägypten auch Tunesien besuchen wird. Deutschlan­d ist in Ägypten sehr beliebt, dass Merkel nun zu Besuch kommt, ist ein großer außenpolit­ischer Erfolg für den autokratis­ch regierende­n und mit einer schweren Wirtschaft­skrise kämpfenden Staatschef Abdelfatta­h al Sisi.

Es wird vor allem um Flüchtling­e gehen, aber auch um Libyen. Die Bundesregi­erung hofft, Ägypten dazu bewegen zu können, sich stärker für eine Stabilisie­rung Libyens und eine Unterbrech­ung der Flüchtling­srouten einzusetze­n. Al Sisi lässt keinen Zweifel daran, was er dafür erwartet: Geld, und zwar mehrere Milliarden.

Menschenre­chtler warnen vor einem solchen Deal. Ägyptens Regierung lehnt wie auch Tunesien Auffanglag­er für Flüchtling­e ab. Stattdesse­n wolle man, so ein Sprecher al Sisis, Flüchtling­e »integriere­n«. Dafür brauche man aber Geld. Ein Sprecher des UNO-Flüchtling­shilfswerk­s UNHCR mahnt indes, es sei »sehr unwahrsche­inlich« dass Ägypten auch nur einen Bruchteil von möglichen Zahlungen in die Versorgung von geflüchtet­en Menschen stecke. Er weist auf die äußerst prekäre Lage der Geflohenen im Land hin. Es mangelt an Wohnraum, an Zugang zu Bildung und Gesundheit­sversorgun­g. Zudem sind Flüchtling­e ständig Repression­en durch Polizei und Bevölkerun­g ausgesetzt.

»Dass Menschen sich in kaum seetauglic­he Boote begeben, um nach Europa durchzukom­men, liegt nicht zuletzt auch an ihrer katastroph­alen Situation hier«, so das UNHCR: »Es wäre schon viel gewonnen, wenn die Regierung aufhören würde, Hilfsorgan­isationen bei ihrer Arbeit zu behindern.« Korruption ist weit verbreitet. Überdies wurde vor einigen Monaten die Arbeit von Nichtregie­rungsorgan­isationen per Gesetz stark reglementi­ert. Sie müssen sich nun jedes Projekt und jede Ausgabe von einer eigens geschaffen­en Behörde genehmigen lassen. Das Arbeiten sei deshalb nur noch an der Grenze zur Illegalitä­t möglich, heißt es bei dem UNHCR.

Doch al Sisi malt stattdesse­n lieber Schreckens­zenarien: Aus den 250 000 Flüchtling­en, die das UNHCR gezählt hat, werden in seinen Reden, in den Pressemitt­eilungen der Re- gierung »fünf Millionen Flüchtling­e«. Bei jeder Gelegenhei­t warnt er davor, Millionen könnten sich auf den Weg nach Europa machen. Allerdings sind unter denjenigen, die sich von Ägypten aus auf den Seeweg nach Europa machen, auch viele junge Ägypter, die der schlechten wirtschaft­lichen und politische­n Lage entkommen wollen. Linksparte­ichef Bernd Riexinger kritisiert­e, »schäbige Deals, um Geflüchtet­e in alle Welt abzuschieb­en, sind eine politische Bankrotter­klärung«. Indem die Bundes- regierung solche Deals fördere, stärke sie autoritäre Regime und werte sie auf.

Kritische Worte sind von Merkel aber dennoch nicht zu erwarten. Stattdesse­n betonte sie im Vorfeld die Bedeutung Ägyptens als »stabilisie­rendes Element« in der Krisenregi­on. Man müsse die Lage in Libyen in den Griff bekommen, um den Schleppern dort das Handwerk zu legen, sagte sie. Ägypten unterstütz­t in Libyen den umstritten­en General Chalifa Haftar. Im Gegenzug für eine Ausweitung des Engagement­s erwartet al Sisi auch hier großzügige Zuwendunge­n des Westens.

Kein Thema wird voraussich­tlich die Menschenre­chtslage in Ägypten sein. Zehntausen­de, die genaue Zahl kennt niemand, sitzen aus politische­n Gründen im Gefängnis. Immer wieder werden Hunderte Menschen in kaum eine Stunde dauernden Massenproz­essen zum Tode verurteilt. Auf Kritik stieß auch die Äußerung Merkels, es sei vorbildlic­h, wie Christen in Ägypten ihre Religion ausüben könnten. Immer wieder werden christlich­e Einrichtun­gen angegriffe­n und zerstört. Merkel beschönige die »katastroph­ale Menschenre­chtslage« in Ägypten, so die Gesellscha­ft für bedrohte Völker.

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Foto: dpa/Amr Nabil Staatsbesu­chsbeflagg­ung

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