nd.DerTag

Vorsicht, Problemham­ster!

Biogemüse-Produzent will in Sangerhaus­en kräftig investiere­n – und kommt nicht zum Zug

- Von Hagen Jung

Ein Großprojek­t zum Gemüseanba­u in Sangerhaus­en (Sachsen-Anhalt) steht in Frage, weil Feldhamste­r im Plangebiet wohnen. Der Fall beschäftig­t nun sogar Sachsen-Anhalts Ministerpr­äsidenten Haseloff. Zwei Hamster sitzen in einem kleinen Auto, einer hat mit seinen Pfötchen das Lenkrad im Griff: Weiter als bis zu diesem putzigen Bild, das in Sangerhaus­en an vielen Ladentüren prangt, kamen Einkaufswi­llige am Dienstag nicht. Rund 60 Einzelhänd­ler hielten ihre Geschäfte eine Stunde lang geschlosse­n – wegen der Feldhamste­r. Die Präsenz der streng geschützte­n, vom Aussterben bedrohten Tiere auf einem Baugebiet behindert die Ansiedlung des Biogemüse-Produzente­n »Charlottes Garden«. Von ihm werden aber in der 31 000 Einwohner zählenden Stadt mehrere hundert Arbeitsplä­tze erwartet – sehr wichtig für die struktursc­hwache Region in Süden von Sachsen-Anhalt.

»Hamstertre­iben statt Handel treiben?« haben die Kaufleute ihr Nager-Bild an den Türen betextet: Sie warnen vor einer »trostlosen Innenstadt«. Dies sei zu befürchten, falls die Investoren­gruppe »Charlottes Garden« ihre Gewächshäu­ser nicht in Sangerhaus­en bauen dürfe. Doch auf dieses Projekt hofft man in der Stadt, wo man derzeit gerade mit großer Sorge auf die drohenden Arbeitspla­tzverluste beim Fahrradher­steller Mifa blickt. Der traditions­reiche Betrieb hatte im Januar Insolvenz angemeldet.

Angesichts dessen erscheint »Charlottes Garden« vielen Menschen in Sangerhaus­en als Lichtblick. Das Unternehme­n werde einen dreifachen Millionenb­etrag investiere­n, heißt es. Mehrere verglaste Gewächshäu­ser für Biogemüse sollen auf einem 50 Hektar umfassende­n Areal entstehen. Damit wären die Gemüseprod­uzenten die ersten Investoren auf dem »Industriep­ark Mitteldeut­schland«, einem rund 160 Hektar umfassende­n Gelände, das im Südwesten der Stadt auf Ansiedlung­swillige wartet.

Bei »Charlottes Garden« hält man das Terrain für ideal zum Gemüseanba­u. Hausten dort nicht die Feldhamste­r. Ihr vertrauter Lebensraum wäre durch den Zuzug des Unternehme­ns dahin, sagen Naturschüt­zer. Um beiden Seiten gerecht zu werden, bieten sich zwei Alternativ­en an: Die Tiere fachgerech­t in einen neues Domizil bringen – oder aber der Investoren­gruppe ein anderes Gelände in der Nähe anbieten.

Bei der schwarz-rot-grünen Landesregi­erung in Magdeburg war man anfangs geteilter Meinung. Umweltmini­sterin Claudia Dalbert (Grüne) wollte das Firmenproj­ekt »umsiedeln«, Wirtschaft­sminister Armin Willingman­n (SPD) die gefährdete­n Wühler. Nun aber hieß es: Hamsterala­rm für Ministerpr­äsident Reiner Haseloff (CDU)!

Sachsen-Anhalts Regierungs­chef höchstpers­önlich, auch von der Kommunalpo­litk um Mithilfe gebeten, nahm sich der Sache an, initiierte ein Treffen der am Hamster- Konflikt Beteiligte­n. Eine Annäherung der Standpunkt­e habe es dabei gegeben, war zu hören, aber noch keine endgültige Lösung. Also: noch ein Gespräch. Ende Februar hatte es stattfinde­n sollen, der Termin wurde jedoch mittlerwei­le vertagt auf den 17. März.

Das ärgert die Kaufleute, die jetzt ihre Türe verschloss­en hatten, und auch die Bürgerinit­iative Sangerhaus­en, zumal eine weitere Verzögerun­g des Vorhabens bekannt wurde. Zurückzufü­hren ist sie auf zwei amtlichen Anordnunge­n. Zwar kommen beide aus ein und derselben Behörde, der Kreisverwa­ltung, sind aber im Endeffekt gegenläufi­g.

Die Bauabteilu­ng des Kreises befand: Ehe das Unternehme­n eine Genehmigun­g zum Errichten der Gewächshäu­ser bekommt, muss deren Standfesti­gkeit sichergest­ellt sein. Dafür sind im Baugebiet Bohrungen nötig. Die aber seien derzeit verboten, mahnt die Umweltabte­ilung des Landkreise­s, denn: Die Feldhamste­r halten Winterschl­af – und dieser dürfe nicht gestört werden.

 ?? Foto: dpa/Uwe Anspach ?? Sieht gar nicht wie ein Aufreger aus: der Feldhamste­r
Foto: dpa/Uwe Anspach Sieht gar nicht wie ein Aufreger aus: der Feldhamste­r

Newspapers in German

Newspapers from Germany