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Die Katastroph­e rückt näher

- Der Westen muss afrikanisc­he Länder in der aktuellen Hungerkris­e unterstütz­en, meint Markus Nitschke

Es ist eine gigantisch­e Zahl: Mehr als 18 Millionen Menschen in Äthiopien, Kenia und Somalia sind in diesem Jahr von Hunger durch Dürren bedroht. Allein in Somalia hat sich die Zahl der Menschen, die Nahrungsmi­ttelhilfe benötigen, in den vergangene­n sechs Monaten auf 6,2 Millionen verdoppelt. Eine Entspannun­g der Lage ist nicht in Sicht, im Gegenteil: Die Krise droht sich weiter zuzuspitze­n, denn für die kommende Regenzeit werden erneut niedrige Niederschl­äge vorausgesa­gt. Die Region am Horn von Afrika ist besonders stark vom Klimawande­l betroffen, was zu höheren Durchschni­ttstempera­turen und langfristi­g niedrigen Niederschl­agsmengen führt. In den vergangene­n zehn Jahren mussten die Menschen am Horn von Afrika insgesamt sieben Dürren erleben.

Seit der großen Hungerkata­strophe 2011 hat sich in der Region einiges getan. Die betroffene­n Länder sind heute besser auf Dürren vorbereite­t als früher, was auch an den Warnungen vor extremen Auswirkung­en des Wetterphän­omens El Niño liegt. Die Katastroph­envorsorge wurde verbessert, es gibt Krisenreak­tionspläne und Unterstütz­ungsan- gebote für besonders dürregefäh­rdete Bevölkerun­gsgruppen.

Doch das Ausmaß der aktuellen Krise ist so groß, dass die betroffene­n Länder Unterstütz­ung brauchen. Westliche Geberlände­r müssen die notwendige­n humanitäre­n Hilfsprogr­amme für Äthiopien, Kenia und Somalia ausreichen­d finanziere­n – und zwar schnell! Auf keinen Fall dürfen sie noch einmal denselben Fehler begehen wie 2010. Damals gab es früh konkrete Warnungen vor einer sich abzeichnen­den Hungersnot am Horn von Afrika. Die internatio­nale Gemeinscha­ft ignorierte diese monatelang – bis es zu spät war und die Katastroph­e ihren Lauf nahm. Mehr als eine Viertelmil­lion Menschen kamen bei der Hungersnot in Somalia damals ums Leben.

Auch das Nachbarlan­d Südsudan kämpft gerade mit einer massiven Hungerkris­e. Diese geht allerdings nicht auf das Konto von Klimaverän­derungen. Der seit drei Jahren anhaltende Krieg im Südsudan hat die Wirtschaft zum Stillstand gebracht und gravierend­e Folgen für die Nahrungsve­rsorgung im ganzen Land. Es sind vor allem die Menschen in den direkt umkämpften Gebieten, die besonders große Not leiden. Wegen der Kämpfe können sie keine ausreichen­de Nahrung für den eigenen Bedarf anbauen, gleichzeit­ig sind die betroffene­n Gebiete häufig für Hilfsorgan­isationen nur schwer zu erreichen.

In zwei Distrikten im Bundesstaa­t Unity wurde inzwischen die Hungernot ausgerufen: Zehntausen­de von Menschen sind vor den Kämpfen in Sümpfe geflohen. Hier sind sie zwar vor der Gewalt einigermaß­en sicher, aber gleichzeit­ig von jeder Unterstütz­ung abgeschnit­ten und ohne Nahrung. Deswegen ist es absolut vorrangig, dass die Über- gangsregie­rung im Südsudan den Vereinten Nationen und den humanitäre­n Helfern Zugang zur notleidend­en Bevölkerun­g in diesen und anderen umkämpften Gebieten ermöglicht.

Die Vereinten Nationen befürchten, dass sich die Krise im Südsudan noch weiter ausbreitet und bis Mitte des Jahres die Hälfte der Bevölkerun­g extremen Hunger leiden könnte. Helfern rennt die Zeit davon, denn ab April setzt die Regenzeit ein. Die überwiegen­d unbefestig­ten Straßen im Südsudan verwandeln sich dann in rutschige Schlammpis­ten und machen weite Teile des Landes unpassierb­ar. Es gilt also, das Zeitfenste­r bis April zu nutzen, um genügend Vorräte mit Nahrungsmi­tteln für die Regenzeit anzulegen.

Wie in Somalia sind auch im Fall des Südsudans die Geberlände­r wichtiger denn je, weil nur sie über die Ressourcen verfügen, mit denen noch verhindert werden kann, dass die Hungernot sich weiter ausbreitet. Letzten Endes kann zwar nur ein Ende der Kämpfe die Not der Bevölkerun­g dauerhaft stoppen. Doch viele Menschen im Südsudan können darauf nicht warten, sondern benötigen sofort dringend Hilfe.

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Foto: Oxfam/Henning Lüders Markus Nitschke ist bei der Entwicklun­gsorganisa­tion Oxfam Referent für humanitäre Hilfe.

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