Die Katastrophe rückt näher
Es ist eine gigantische Zahl: Mehr als 18 Millionen Menschen in Äthiopien, Kenia und Somalia sind in diesem Jahr von Hunger durch Dürren bedroht. Allein in Somalia hat sich die Zahl der Menschen, die Nahrungsmittelhilfe benötigen, in den vergangenen sechs Monaten auf 6,2 Millionen verdoppelt. Eine Entspannung der Lage ist nicht in Sicht, im Gegenteil: Die Krise droht sich weiter zuzuspitzen, denn für die kommende Regenzeit werden erneut niedrige Niederschläge vorausgesagt. Die Region am Horn von Afrika ist besonders stark vom Klimawandel betroffen, was zu höheren Durchschnittstemperaturen und langfristig niedrigen Niederschlagsmengen führt. In den vergangenen zehn Jahren mussten die Menschen am Horn von Afrika insgesamt sieben Dürren erleben.
Seit der großen Hungerkatastrophe 2011 hat sich in der Region einiges getan. Die betroffenen Länder sind heute besser auf Dürren vorbereitet als früher, was auch an den Warnungen vor extremen Auswirkungen des Wetterphänomens El Niño liegt. Die Katastrophenvorsorge wurde verbessert, es gibt Krisenreaktionspläne und Unterstützungsan- gebote für besonders dürregefährdete Bevölkerungsgruppen.
Doch das Ausmaß der aktuellen Krise ist so groß, dass die betroffenen Länder Unterstützung brauchen. Westliche Geberländer müssen die notwendigen humanitären Hilfsprogramme für Äthiopien, Kenia und Somalia ausreichend finanzieren – und zwar schnell! Auf keinen Fall dürfen sie noch einmal denselben Fehler begehen wie 2010. Damals gab es früh konkrete Warnungen vor einer sich abzeichnenden Hungersnot am Horn von Afrika. Die internationale Gemeinschaft ignorierte diese monatelang – bis es zu spät war und die Katastrophe ihren Lauf nahm. Mehr als eine Viertelmillion Menschen kamen bei der Hungersnot in Somalia damals ums Leben.
Auch das Nachbarland Südsudan kämpft gerade mit einer massiven Hungerkrise. Diese geht allerdings nicht auf das Konto von Klimaveränderungen. Der seit drei Jahren anhaltende Krieg im Südsudan hat die Wirtschaft zum Stillstand gebracht und gravierende Folgen für die Nahrungsversorgung im ganzen Land. Es sind vor allem die Menschen in den direkt umkämpften Gebieten, die besonders große Not leiden. Wegen der Kämpfe können sie keine ausreichende Nahrung für den eigenen Bedarf anbauen, gleichzeitig sind die betroffenen Gebiete häufig für Hilfsorganisationen nur schwer zu erreichen.
In zwei Distrikten im Bundesstaat Unity wurde inzwischen die Hungernot ausgerufen: Zehntausende von Menschen sind vor den Kämpfen in Sümpfe geflohen. Hier sind sie zwar vor der Gewalt einigermaßen sicher, aber gleichzeitig von jeder Unterstützung abgeschnitten und ohne Nahrung. Deswegen ist es absolut vorrangig, dass die Über- gangsregierung im Südsudan den Vereinten Nationen und den humanitären Helfern Zugang zur notleidenden Bevölkerung in diesen und anderen umkämpften Gebieten ermöglicht.
Die Vereinten Nationen befürchten, dass sich die Krise im Südsudan noch weiter ausbreitet und bis Mitte des Jahres die Hälfte der Bevölkerung extremen Hunger leiden könnte. Helfern rennt die Zeit davon, denn ab April setzt die Regenzeit ein. Die überwiegend unbefestigten Straßen im Südsudan verwandeln sich dann in rutschige Schlammpisten und machen weite Teile des Landes unpassierbar. Es gilt also, das Zeitfenster bis April zu nutzen, um genügend Vorräte mit Nahrungsmitteln für die Regenzeit anzulegen.
Wie in Somalia sind auch im Fall des Südsudans die Geberländer wichtiger denn je, weil nur sie über die Ressourcen verfügen, mit denen noch verhindert werden kann, dass die Hungernot sich weiter ausbreitet. Letzten Endes kann zwar nur ein Ende der Kämpfe die Not der Bevölkerung dauerhaft stoppen. Doch viele Menschen im Südsudan können darauf nicht warten, sondern benötigen sofort dringend Hilfe.