Sicher abtreiben
Aktivistinnen der Gruppe »Ciocia Basia« helfen polnischen Frauen und erhalten dafür den Clara-Zetkin-Preis
Vor zwei Jahren hat Ihre Gruppe »Ciocia Basia« die Abtreibungspille per Drohne über die polnische Grenze geflogen. Jetzt hat die nationalkonservative Regierung in Polen angekündigt, die »Pille danach« nur noch auf Rezept herauszugeben. Ist es Zeit für eine neue Kampagne? Ja, auf jeden Fall wäre das notwendig. Wir denken tatsächlich darüber nach, unser Angebot zu erweitern – dass wir nicht nur jenen Frauen in Polen helfen, die Abtreibungspille zu bekommen, sondern eben auch die Notfallpille. Schwerpunkt unserer Arbeit ist aber nicht die politische Kampagne, sondern wir wollen ganz konkrete Hilfe leisten. Obwohl im Oktober Massenproteste von Frauen ein totales Abtreibungsverbot in Polen verhindert haben, gibt es noch immer ein sehr restriktives Abtreibungsgesetz. »Ciocia Basia« vermittelt polnischen Frauen sichere Abtreibungen in Deutschland. Wie geschieht das? Unsere Gruppe arbeitet in Deutschland eng mit Gynäkologinnen und Beraterinnen zusammen. Wir organisie- ren die notwendigen Termine, übersetzen ins Deutsche und unterstützen finanziell. Wie groß ist die Gruppe? Wir haben eine Kerngruppe von etwa zehn Frauen, vor allem Polinnen, alle arbeiten ehrenamtlich. Darüber hinaus können wir auf einen großen Unterstützerinnenkreis zurückgreifen, also Leute, die übersetzen, bei denen Frauen übernachten können oder die bei Notfällen einspringen. Es kommt häufig zu unvorhergesehenen Vorfällen, mit denen wir spontan umgehen müssen.
Seit einiger Zeit haben wir bemerkt, dass die Nachfrage größer wird, weil wir in den Medien präsenter und bekannter geworden sind. Ich würde mir wünschen, dass die Berichterstattung über unsere praktische Unterstützung von polnischen Frauen auch dazu beiträgt, die Abtreibungsdebatte hierzulande wieder mehr auf die Lebensrealität der Frauen zu lenken. Denn es gibt auch in Deutschland viele negative Stereotypen über Abtreibungen. Wie vielen Frauen konnte »Ciocia Basia« bereits helfen? Wir haben nie eine Statistik geführt, vielmehr löschen wir die Informationen über die Frauen wieder – aus Sicherheitsgründen. Aber wir sind sicherlich jede Woche mit etwa vier bis fünf Frauen in Kontakt. Warum sind Sie so vorsichtig? Weil wir verhindern wollen, dass Betroffene schikaniert werden und weil viele polnische Frauen bei uns mitarbeiten. Wir denken, es ist besser, vorsichtig zu sein. Haben Sie Angst, dass die Unterstützung von »Ciocia Basia« in Polen geahndet werden kann? Klar. Das Gesetz in Polen sieht vor, dass die Frau, die abtreibt, nicht belangt werden kann, aber alle Personen um sie herum, die ihr helfen. Deshalb sind gerade unsere polnischen Aktivistinnen gefährdet. Man weiß nie, ob die Polizei und Justiz in Polen einmal ein Exempel statuieren. Wie viele illegale Abtreibungen gibt es in Polen? Die Schätzungen gehen davon aus, dass es zwischen 100 000 und 200 000 illegale Abtreibungen pro Jahr sind. Das sind viel mehr als in Deutschland mit einem liberaleren Abtreibungsrecht. Es zeigt sich immer wieder, dass in Ländern mit einem restriktiven Abtreibungsgesetz auch die sexuelle Aufklärung und die Verhütung stigmatisiert werden. Das wiederum sind bekanntlich probate Mittel gegen ungewollte Schwangerschaften. Generell lässt sich sagen, dass eine Stigmatisierung von Abtreibungen sich schlecht auf Frauengesundheit auswirkt. Wer führt in Polen illegale Abtreibungen durch? Häufig sind das ältere Ärzte. Das Problem bei illegalen Abtreibungen ist, dass sie oft mit riskanten Methoden durchgeführt werden. Mitunter wird noch die Ausschabungsmethode angewendet, obwohl Absaugungen oder die Abtreibungspille viel sicherer sind. Viele Ärzte bilden sich auf dem Gebiet nicht weiter. Trotzdem sind illegale Abtreibungen in Polen teuer. Frauen versuchen bisweilen, sich die Abtreibungspille mit anderen Medikamenten selbst zu mixen. Oder sie lassen die sich per Post zuschicken. Einige Frauen gehen für den Eingriff auch über die Grenze nach Tschechien. Oder sie kommen zu uns.