Hat Sessions unter Eid gelogen?
Schwere Vorwürfe gegen den US-Justizminister wegen Russland-Kontakten
In der Affäre um ihre Russland-Beziehungen steht die Regierung von US-Präsident Donald Trump erneut unter massivem Druck. In »ernsthaften Schwierigkeiten« sieht die »Washington Post« Jeff Sessions. Die Zeitung hatte als erste über Treffen des Trump-Vertrauten mit Russlands Botschafter Sergej Kisljak berichtet. Nun kommt auf den 70-Jährigen eine Untersuchung zu, die mit dem Vorwurf des Meineids enden könnte. Und weil der Justizminister, der in den USA United States Attorney General heißt, der Bundespolizei FBI vorsteht und in Personalunion eine Art Generalbundesanwalt ist, schlecht gegen sich selbst ermitteln kann, hat sich Sessions am Donnerstag (Ortszeit) wegen möglicher Befangenheit offiziell vom Fall zurückgezogen. Das sei jedoch kein Schuldeingeständnis. Zuvor hatten auch wichtige republikanische Politiker Druck gemacht. Kevin McCarthy etwa, Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, meinte, ein solcher Schritt würde die Angelegenheit vereinfachen. Den oppositionellen Demokraten indes ist das zu wenig; sie fordern den Rücktritt des Justizministers.
Worum geht es? Sessions habe den Kongress getäuscht, sagt Chuck Schumer, der demokratische Minderheitsführer im Senat. Und seine Kollegin Nancy Pelosi aus dem Repräsentantenhaus spitzt zu: Hier sei das »Gesetz gebrochen« worden. Denn Sessions habe unter Eid gelogen. Er hatte im Vorjahr als Senator erwiesenermaßen zweimal Kontakt mit Kisljak, doch darüber den Kongress bei seiner Nominierungsanhörung im Unklaren gelassen. Im Januar erklärte Sessions noch, es habe im Wahlkampf »keine Kommunikation mit den Russen« gegeben. Nun sagt er, es sei zumindest nicht über den Wahlkampf gesprochen worden. Deshalb seien die Begegnungen auch nicht unangebracht gewesen, so das Justizministerium.
So oder so, die Regierung in Washington ist wegen ihrer RusslandKontakte erneut massiv unter Druck geraten. Sie sorgen seit geraumer Zeit für innenpolitischen Streit. Deshalb musste bereits der Nationale Sicherheitsberater Michael Flynn seinen Hut nehmen. Er soll noch vor Amtsantritt des Präsidenten mit Kisljak über die US-Sanktionen gegen Russland ge- sprochen und Trumps Vize Mike Pence nicht informiert haben.
Laut Erkenntnissen der US-Geheimdienste sei Moskau dafür verantwortlich, dass mitten im Wahlkampf Computer der Demokratischen Partei gehackt wurden, was Trump Munition gegen Clinton geliefert haben soll. Das FBI leitet Ermittlungen zur mutmaßlichen russischen Einmischung – die Moskau entschieden zurückweist. Sessions war in der Kampagne Trumps außenpolitischer Berater, verneinte in der Senatsanhörung jedoch die Frage, ob er an einem angeblich stetigen Informationsaustausch zwischen Trumpund russischen Vertretern während des Wahlkampfs beteiligt gewesen sei. Die »New York Times« berichtet derweil von einem weiteren Treffen zwischen Trump-Vertrauten und Moskaus Botschafter. Wie KremlSprecher Dmitri Peskow am Donnerstag in Moskau erklärte, wisse er nicht, ob es solche Treffen gegeben habe, und wenn ja, was ihr Inhalt gewesen sei. Aber es gehöre nun mal zur normalen Arbeit eines Botschafters, so viele Treffen wie möglich auch mit Regierungs- oder Parlamentsvertretern des Gastlandes zu haben.
Für Donald Trump ist das wahre Thema die illegale Weitergabe vertraulicher Informationen. Er twitterte mit Blick auf Sessions: »Da ist eine totale Hexenjagd!« Der US-Präsident sprach ihm sein »volles Vertrauen« aus und gehe davon aus, dass er im Senat »wahrscheinlich« die Wahrheit gesagt habe, so Trump während eines Besuchs im Bundesstaat Virginia.
Dieses auch im Fall Flynn beschworene Vertrauen währte im Februar aber nur wenige Tage. Inzwischen wird die »Russland-Affäre« auch von vier Ausschüssen des Kongresses untersucht. Und nach den jüngsten Enthüllungen wird jetzt immer lauter die Einsetzung eines Sonderermittlers gefordert. Das wäre dann eine neue Dimension, denn der hätte weitreichende Vollmachten und würde unabhängig vom Justizministerium agieren.