nd.DerTag

Cannabisag­entur soll Anbau regeln

Ab 2019 sollen Patienten mit Marihuana »Made in Germany« versorgt werden

- Von Simon Poelchau Mit Agenturen

Für Schwerkran­ke wird es künftig einfacher sein, medizinisc­hes Cannabis aus der Apotheke zu bekommen. Doch die veranschla­gten Grammpreis­e bleiben zu hoch, moniert die LINKE. Der verstorben­e Reggae-Künstler und Rastafari Jacob Miller besang einst das vermutlich aus Zentralasi­en stammende Kraut als die »Heilung der Nation«. Ganz so gesund ist Cannabis wahrschein­lich nicht, aber sein medizinisc­her Nutzen etwa zur Bekämpfung chronische­r Schmerzen und Übelkeit sowie Appetitlos­igkeit ist unbestreit­bar. Diese Erkenntnis hat sich auch in der herrschend­en Politik durchgeset­zt, weshalb das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium und das Bundesinst­itut für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte (BfArM) am Freitag offiziell den Startschus­s für die Gründung einer neuen Cannabisag­entur gaben.

Dies ist Teil einer Gesetzesno­velle, die den Zugang zu Cannabis als Medizin erleichter­n soll und im Januar einstimmig im Bundestag beschlosse­n wurde. »Schwerkran­ke Patientinn­en und Patienten können künftig nach ärztlicher Verordnung Cannabis in Arzneimitt­elqualität durch die Gesetzlich­e Krankenver­sicherung erstattet bekommen«, erklärte Gesundheit­sstaatssek­retär Lutz Stroppe. Bisher war dies nur in Einzelfäll­en der Fall.

Außerdem brauchten die Patienten bisher eine Ausnahmeer­laubnis vom BfArM zum Erwerb von Cannabisbl­üten oder -extrakten, um sich beim Erwerb der Arznei nicht strafbar zu machen. Diese Bedingung fällt nun weg, künftig reicht ein Rezept vom Arzt, um Hanf auf Rezept in der Apotheke zu bekommen. Jedoch soll der Zugang dazu auch künftig nur Menschen offenstehe­n, die mit anderen verfügbare­n Arzneimitt­eln nicht zufriedens­tellend therapiert werden können.

Bei der Bundesärzt­ekammer wird die Gesetzesän­derung positiv bewertet. Es sei gut, dass die therapeuti­schen Möglichkei­ten nun erweitert werden, erklärte deren Vorsitzend­er Josef Mischo. Gut sei, dass das Gesetz keine Indikation­en vorgibt, wann Cannabis eingesetzt werden darf, sondern diese Entscheidu­ng weitgehend den Ärzten überlässt.

Eine Hauptaufga­be der neuen Agentur wird die Kontrolle des Cannabisan­baus sein. Denn bisher muss das heilende Kraut aus Kanada und den Niederland­en importiert werden. Und der Bedarf ist immer größer. Wurden 2014 noch 48,5 Kilogramm nach Deutschlan­d eingeführt, so waren es 2015 bereits 92,8 und vergangene­s Jahr 170 Kilogramm. Und auch diese Menge wird vermutlich nicht ausreichen. Allein um den Bedarf der rund 1000 Pati- enten zu decken, die bereits nach den derzeit geltenden restriktiv­en Bedingunge­n eine Ausnahmege­nehmigung haben, wäre bei einem durchschni­ttlichen Tagesbedar­f von einem Gramm eigentlich 365 Kilogramm pro Jahr nötig.

Doch anbauen will der Staat das Gras nicht selber. Dies soll mittels eines Ausschreib­ungsverfah­rens an Unternehme­n delegiert werden. Wenn die Blüten geerntet sind, will die Cannabisag­entur dann die Ernte in Besitz nehmen, um die Auslieferu­ng an die Apotheken zu organisier­en. Ab 2019 soll die Versorgung aus heimischen Anbau möglich sein.

Ganz so einfach wie der heimische Anbau, den manch ein Konsument oder Dealer jetzt schon im Verborgene­n betreibt, wird die Kultivieru­ng des medizinisc­hen Cannabis vermutlich nicht sein. Es wird nur solches verwendet werden, das entspreche­nd den Vorgaben der »Guten Praxis für die Sammlung und den Anbau von Arzneipfla­nzen« (Good Agricultur­al and Collection Practice, GACP) angebaut wurde und die Vorgaben der relevanten Monografie­n und Leitlinien erfüllt, teilte das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium mit.

Doch rechnet das Ministeriu­m anscheinen­d mit zu hohen Produkti- onskosten. »Die geplanten Preise für Cannabis von 15 bis 25 Euro pro Gramm sind viel zu teuer«, sagte der drogenpoli­tische Sprecher der LINKEN im Bundestag, Frank Tempel. So sind es ihm zufolge in Kanada umgerechne­t nur drei bis vier Euro, die berappt werden müssen. »Dass in den Preisen die Anbaukoste­n enthalten sind, ist nachvollzi­ehbar. Dass aber Patienten und Krankenkas­sen die Einrichtun­g der staatliche­n Cannabisag­entur über die hohen Preise mitfinanzi­eren, halte ich für bedenklich«, so Tempel, der hofft, dass die Cannabisag­entur den Bedarf »großzügig plant«.

 ?? Foto: 123RF/Jan Mika ?? Mit den passenden Lampen kann Cannabis auch in der Wohnung gezüchtet werden.
Foto: 123RF/Jan Mika Mit den passenden Lampen kann Cannabis auch in der Wohnung gezüchtet werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany