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»Wie ein trockener Alkoholike­r«

Das Europaparl­ament prüfte bei einem Besuch, ob Luxemburg aus den letzten Steuerskan­dalen gelernt hat

- Von Luc Caregari, Luxemburg

Der Geldwäsche-Untersuchu­ngsausschu­ss des Europaparl­aments weilte am Donnerstag und Freitag in Luxemburg. In ihrer Abschlusse­rklärung zeichneten die Europaabge­ordneten ein gemischtes Bild. Ob es Absicht war, sei dahingeste­llt. Jedenfalls fand die Pressekonf­erenz der Europaparl­amentarier im wohl hässlichst­en Gebäude des Luxemburge­r Banken- und EU-Institutio­nsviertel statt: dem asbestvers­euchten und zum Abriss freigegebe­nen SchumannGe­bäude. So strahlte der Saal, in dem die Abgeordnet­en Werner Langen (EVP), Bernd Lucke (AfD-Gründer und nun »liberal-konservati­ver Reformer«) sowie Sven Giegold (Grüne) der Presse begegneten, die Atmosphäre der 1980er Jahre aus. Es waren Zeiten, in denen die EU noch im Aufbau war und das Großherzog­tum tatkräftig mithalf. In denen gleichzeit­ig aber auch der Finanzplat­z Luxemburg ex- pandierte und schamlos von Steuerlück­en profitiert­e.

Eine Epoche, an die man sich hier ungern erinnert: »Als Rheinlände­r kenne ich Luxemburg schon länger und wusste auch um die Zustände am Finanzplat­z«, erzählte Langen. Die aktuell Regierende­n würden aber ungern daran erinnert. Sie müssten nach vorne schauen, sei die Botschaft unter Verweis auf die bereits abgelegte Reue nach dem LuxLeaks-Skandal und den eilig umgesetzte­n EU-Direktiven gewesen, die Langen und die anderen Parlamenta­rier von den Offizielle­n aus dem Großherzog­tum zu hören bekamen. »Es ist ein bisschen wie mit einem trockenen Alkoholike­r, der versucht, jedem Glas aus dem Weg zu gehen«, resümierte der konservati­ve Politiker die Treffen.

Er und seine Parlamenta­rierkolleg­en weilten Donnerstag und Freitag in dem Großherzog­tum, um zu erfahren, inwieweit der Luxemburge­r Finanzplat­z Konsequenz­en aus den Skandalen um LuxLeaks und Pana- ma Papers gezogen hat. Die LuxLeaks deckten auf, wie das Großherzog­tum internatio­nalen Konzernen jahrelang dubiose Steuerspar­deals gewährte. Bei den Panama Papers wurde öffentlich, wie Vermögende­n geholfen wurde, mit Hilfe von Briefkaste­nfirmen ihr Geld zu verstecken.

Gesprochen haben die Abgeordnet­en mit Finanzmini­ster Pierre Gramegna und Justizmini­ster Felix Braz, mit der Finanzkomm­ission des luxemburgi­schen Parlaments, der Aufsichtsb­ehörde CSSF, der Anwaltsver­tretung und mit Vertretern von der Beraterfir­ma PriceWater­houseCoope­rs (PWC) sowie von HSBC. Die Vertreter des Straßburge­r Parlaments bemängelte­n, dass es an den Ressourcen fehle, die nun verabschie­deten Gesetze auch in die Praxis umzusetzen und dass vor allem die CSSF viel zu wenig unternehme, um die schmutzige Vergangenh­eit aufzuarbei­ten. So sind von den 403 aus den Panama Papers bekannten Vermittler­n von Briefkaste­nfirmen in Pana- ma, die von Luxemburg aus gegründet wurden, bis dato nur 73 von den Finanzbehö­rden des EU-Mitgliedes befragt worden.

Der eigentlich­e Skandal sind aber die vielen Einladunge­n, die von luxemburgi­schen Akteuren ausgeschla­gen oder erst gar nicht beantworte­t wurden. Dazu gehören Kulturstaa­tssekretär Guy Arendt, der als Wirtschaft­sanwalt in den Panama Papers auftaucht, Staatsrats­mitglied Alain Steichen, der auch für die Beraterges­ellschaft Ernst&Young tätig ist, sowie Carlos Zeyen, ehemaliger Kopf der EU-Justizbehö­rde Eurojust. Auch die Banken blockierte­n offenbar wie auch die mächtigen Unternehme­nsberaterf­irmen, die »Big Four«, deren Einfluss auf die Politik im Großherzog­tum der LuxLeaks-Skandal ebenfalls deutlich gemacht hat.

Aus gut unterricht­eten Kreisen war auch zu erfahren, dass Finanzmini­ster Gramegna in Erwägung zog, die Kommission mit dem Argument zu delegitimi­eren, dass Steuerpoli­tik Ländersach­e sei und nicht unter die Hoheit des EU-Parlaments falle. Diese Pläne zog er aber später zurück und bemühte sich, auf die Reformen und den neu errungenen Musterschü­lerstatus des Landes zu verweisen.

Dass die Reformen ernst gemeint sind, zweifelte auch Sven Giegold nicht an: »Luxemburg hat auf EUEbene während seiner Ratspräsid­entschaft 2015 Gesetze durchgebra­cht, die ohne das Land nicht möglich gewesen wäre«, so der Grünen-Europaabge­ordnete. Leider habe sich das Großherzog­tum nach dieser Periode immer wieder als Bremser betätigt – zumal wenn es darum ging, den Zwang aufzuheben, dass EU-weite Steuergese­tze einstimmig verabschie­det werden müssen.

Der Abschlussb­ericht des Untersuchu­ngsausschu­sses »Geldwäsche, Steuerverm­eidung und Steuerfluc­ht« des Europaparl­aments soll nach Ostern erscheinen. Nächste Station des Ausschusse­s ist der US-Bundesstaa­t Delaware.

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