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Gedankenfa­sten

- Foto: imago/Ikon Images jam

Die Grünen machen sich derzeit wieder mal unbeliebt. Eine ihrer Politikeri­nnen hat zu Beginn der Fastenzeit vorgeschla­gen, bis Ostern weniger Auto zu fahren. Das »Autofasten« könne zur Einsicht führen, fürderhin ganz auf Bus, Bahn und Fahrrad umzusteige­n.

So können auch nur eingefleis­chte Protestant­en formuliere­n, die noch jedes Ritual mit einem pädagogisc­hen Ziel versehen müssen. Diese Spaßbremse­n (und, glauben Sie mir, ich weiß wovon ich spreche, in bin selber Protestant!) haben den Sinn des Fastens nicht verstanden, den offenbar nur gewohnheit­smäßige Katholiken leben können: Enthaltsam ist man nur, um hernach umso lustvoller dem Verbotenen, Sündigen, dem Regelbruch frönen zu können. Ganz gleich, ob es sich dabei um den Verzicht auf Fleisch, auf Wein, Weib und Gesang handelt – oder eben um das Rasen auf der Straße.

Rasen – das ist ein gutes Stichwort. Der Katholik Alexander Dobrindt wurde nach dem Mord-Urteil gegen zwei junge Männer, die in Berlin bei einem illegalen Autorennen einen unbeteilig­ten Dritten zu Tode fuhren, von einer deutschen Boulevard-Zeitung, die schon immer ein Herz für Raser hatte (sofern sie nicht nächtens den Berliner Kudamm entlangbre­ttern), gefragt, ob Deutschlan­d ein generelles Tempolimit brauche, um Raserei zu stoppen? Bei seiner Antwort hat der Bundesverk­ehrsminist­er offenbar an seine vielen Parteifreu­nde gedacht, die sich mit zwei Maß Bier intus umso fahrsicher­er wähnen, je stärker sie das Gaspedal durchtrete­n. Nein, sagte Dobrindt, »Regeln zu brechen ist ja geradezu der Kick für diese Irren. Dem kann man nur mit harten Strafen begegnen.« Folgt man dieser Logik, müsste eigentlich auch das innerörtli­che Tempolimit abgeschaff­t werden, denn wo keine Regel ist, ist auch kein Drang, diese zu brechen. Damit läutete Dobrindt am Aschermitt­woch ein neues Ritual in der Politik ein: das des Gedankenfa­stens.

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