Alle Zeichen stehen auf Streik
Urabstimmung bei ver.di: 98,6 Prozent für Arbeitsniederlegungen an Berlins Flughäfen
An den Berliner Flughäfen deutet alles auf einen Ausstand hin. Im Tarifkonflikt des Bodenpersonals geben die ver.di-Mitglieder den Arbeitgebern bis 7. März eine letzte Frist für Nachbesserungen. Für die rund 2000 Mitarbeiter von Bodenverkehrsdienstleistern an den Flughäfen Tegel, Schönefeld und im Logistikbereich des unfertigen BER ist das Maß voll. Die dort zumeist in sicherheitsrelevanten Bereichen eingesetzten Mitarbeiter wollen sich ihre harte Tätigkeit nicht länger mit absoluten Billiglöhnen bezahlen lassen. Da die Arbeitgeber aus ihrer Sicht nicht bereit sind, ein Tarifangebot vorzulegen, über das es sich zu verhandeln lohnt, sind sie zum Ausstand entschlossen.
Die Gewerkschaft ver.di hatte dazu ihre Mitglieder beim Bodenpersonal zu einer Urabstimmung aufgerufen. Am Freitag gab Verhandlungsführer Enrico Rümker, Gewerkschaftssekretär im zuständigen Fachbereich des Landesverbandes, bekannt: »98,6 Prozent unser Mitglieder haben sich für einen unbefristeten Streik zur Durchsetzung der Tarifforderungen ausgesprochen.«
Rümker verband diese Ankündigung mit dem Appell an die Arbeitgeberseite, endlich ein verhandlungsfähiges Angebot vorzulegen, und räumte ihr dazu eine letzte Frist bis zum 7. März ein. »Andernfalls ist ab 8. März mit massiven Streiks an beiden Standorten zu rechnen«, sagte er. Im Interesse der Reisenden werde man die Durchführung von Streiks jeweils mit einem halben Tag Vorlauf ankündigen – diese Zusage werde aber dann aufrechterhalten, wenn die Gegenseite etwa auf die Entsendung von Streikbrechern verzichte.
Mit dem Ergebnis der Urabstimmung wird sich die Tarifkommission der Gewerkschaft am kommenden Dienstag befassen. Sollte es bis dahin zu keinem Einlenken der Arbeitgeber kommen, könnte es ab dem Folgetag zu Ausständen kommen. Am Mitt- woch wird der Internationale Frauentag begangen. In Berlin öffnet an diesem Tag die Internationale Tourismus-Börse (ITB), zu der mehr als 180 000 Besucher erwartet werden.
Laut Rümker fordert ver.di für die Beschäftigten des Bodenpersonals einen Tarifvertrag mit zwölf Monaten Laufzeit, eine Gehaltsanhebung von einem Euro pro Stunde, Verbesserungen im Tarifsystem sowie erst- mals Aufstiegschancen für die Mitarbeiter. Den alten Vertrag hatte ver.di im Mai 2016 gekündigt.
Das zuletzt durch die Arbeitgeber vorgelegte Angebot sah eine Laufzeit von vier Jahren und eine Gehaltserhöhung pro Jahr um 1,5 Prozent vor. Das entspräche laut ver.di in den niedrigsten Gehaltsstufen einer Steigerung von gerade einmal zehn Cent.
»Das Bodenpersonal zählt zum Niedriglohnsektor, ein Großteil der Mitarbeiter erhält kaum mehr als den Mindestlohn. Dabei arbeiten mehr als 50 Prozent beispielsweise in der Flugzeugabfertigung in Teilzeit- oder Splittverträgen«, sagte Rümker dem »nd«. »Viele Stellen sind nicht besetzt, die Ausfälle liegen im dreistelligen Bereich. 72 Prozent der Kollegen schätzen selbst ein, dass sie selbst sicherheitsrelevante Vorgaben nicht ausreichend einhalten können.«
Roy Henson arbeitet für die Aviation Ground Sevice GmbH (AGS) als Supervisor in der Flugzeugabfertigung in Tegel. Er schätzt, dass in der Branche in Berlin deutlich mehr als die Hälfte seiner Kollegen gewerkschaftlich organisiert sind. AGS beschäftige am Standort vielleicht 600 Stellen, derzeit seien vielleicht 80 unbesetzt, und das Unternehmen beschäftige vielleicht zu 50 Prozent Leiharbeiter. Trotzdem sei die Entschlossenheit zum Streik groß.
Die Verhandlungen waren im Februar dieses Jahres gescheitert, nachdem das Forum der Bodenverkehrsdienstleister Berlin-Brandenburg und die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in fünf Gesprächsrunden keinen Kompromiss finden konnten. Bei zwei Warnstreiks vor kurzem waren auf den beiden Berliner Flughäfen Hunderte Flüge ausgefallen.
»Ab 8. März ist mit massiven Streiks an beiden Flughafenstandorten zu rechnen.« Enrico Rümker, ver.di-Verhandlungsführer