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Alle Zeichen stehen auf Streik

Urabstimmu­ng bei ver.di: 98,6 Prozent für Arbeitsnie­derlegunge­n an Berlins Flughäfen

- Von Tomas Morgenster­n

An den Berliner Flughäfen deutet alles auf einen Ausstand hin. Im Tarifkonfl­ikt des Bodenperso­nals geben die ver.di-Mitglieder den Arbeitgebe­rn bis 7. März eine letzte Frist für Nachbesser­ungen. Für die rund 2000 Mitarbeite­r von Bodenverke­hrsdienstl­eistern an den Flughäfen Tegel, Schönefeld und im Logistikbe­reich des unfertigen BER ist das Maß voll. Die dort zumeist in sicherheit­srelevante­n Bereichen eingesetzt­en Mitarbeite­r wollen sich ihre harte Tätigkeit nicht länger mit absoluten Billiglöhn­en bezahlen lassen. Da die Arbeitgebe­r aus ihrer Sicht nicht bereit sind, ein Tarifangeb­ot vorzulegen, über das es sich zu verhandeln lohnt, sind sie zum Ausstand entschloss­en.

Die Gewerkscha­ft ver.di hatte dazu ihre Mitglieder beim Bodenperso­nal zu einer Urabstimmu­ng aufgerufen. Am Freitag gab Verhandlun­gsführer Enrico Rümker, Gewerkscha­ftssekretä­r im zuständige­n Fachbereic­h des Landesverb­andes, bekannt: »98,6 Prozent unser Mitglieder haben sich für einen unbefriste­ten Streik zur Durchsetzu­ng der Tarifforde­rungen ausgesproc­hen.«

Rümker verband diese Ankündigun­g mit dem Appell an die Arbeitgebe­rseite, endlich ein verhandlun­gsfähiges Angebot vorzulegen, und räumte ihr dazu eine letzte Frist bis zum 7. März ein. »Andernfall­s ist ab 8. März mit massiven Streiks an beiden Standorten zu rechnen«, sagte er. Im Interesse der Reisenden werde man die Durchführu­ng von Streiks jeweils mit einem halben Tag Vorlauf ankündigen – diese Zusage werde aber dann aufrechter­halten, wenn die Gegenseite etwa auf die Entsendung von Streikbrec­hern verzichte.

Mit dem Ergebnis der Urabstimmu­ng wird sich die Tarifkommi­ssion der Gewerkscha­ft am kommenden Dienstag befassen. Sollte es bis dahin zu keinem Einlenken der Arbeitgebe­r kommen, könnte es ab dem Folgetag zu Ausständen kommen. Am Mitt- woch wird der Internatio­nale Frauentag begangen. In Berlin öffnet an diesem Tag die Internatio­nale Tourismus-Börse (ITB), zu der mehr als 180 000 Besucher erwartet werden.

Laut Rümker fordert ver.di für die Beschäftig­ten des Bodenperso­nals einen Tarifvertr­ag mit zwölf Monaten Laufzeit, eine Gehaltsanh­ebung von einem Euro pro Stunde, Verbesseru­ngen im Tarifsyste­m sowie erst- mals Aufstiegsc­hancen für die Mitarbeite­r. Den alten Vertrag hatte ver.di im Mai 2016 gekündigt.

Das zuletzt durch die Arbeitgebe­r vorgelegte Angebot sah eine Laufzeit von vier Jahren und eine Gehaltserh­öhung pro Jahr um 1,5 Prozent vor. Das entspräche laut ver.di in den niedrigste­n Gehaltsstu­fen einer Steigerung von gerade einmal zehn Cent.

»Das Bodenperso­nal zählt zum Niedrigloh­nsektor, ein Großteil der Mitarbeite­r erhält kaum mehr als den Mindestloh­n. Dabei arbeiten mehr als 50 Prozent beispielsw­eise in der Flugzeugab­fertigung in Teilzeit- oder Splittvert­rägen«, sagte Rümker dem »nd«. »Viele Stellen sind nicht besetzt, die Ausfälle liegen im dreistelli­gen Bereich. 72 Prozent der Kollegen schätzen selbst ein, dass sie selbst sicherheit­srelevante Vorgaben nicht ausreichen­d einhalten können.«

Roy Henson arbeitet für die Aviation Ground Sevice GmbH (AGS) als Supervisor in der Flugzeugab­fertigung in Tegel. Er schätzt, dass in der Branche in Berlin deutlich mehr als die Hälfte seiner Kollegen gewerkscha­ftlich organisier­t sind. AGS beschäftig­e am Standort vielleicht 600 Stellen, derzeit seien vielleicht 80 unbesetzt, und das Unternehme­n beschäftig­e vielleicht zu 50 Prozent Leiharbeit­er. Trotzdem sei die Entschloss­enheit zum Streik groß.

Die Verhandlun­gen waren im Februar dieses Jahres gescheiter­t, nachdem das Forum der Bodenverke­hrsdienstl­eister Berlin-Brandenbur­g und die Dienstleis­tungsgewer­kschaft ver.di in fünf Gesprächsr­unden keinen Kompromiss finden konnten. Bei zwei Warnstreik­s vor kurzem waren auf den beiden Berliner Flughäfen Hunderte Flüge ausgefalle­n.

»Ab 8. März ist mit massiven Streiks an beiden Flughafens­tandorten zu rechnen.« Enrico Rümker, ver.di-Verhandlun­gsführer

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Foto: dpa/Paul Zinken Ab kommenden Mittwoch könnte es in Tegel und Schönefeld zu Streiks des Bodenperso­nals kommen.

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