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Mehr tote Radler, mehr Unfälle, weniger Verletzte

Die Verkehrssi­cherheitsb­ilanz 2016 der Polizei fällt ernüchtern­d aus / Kreuzungsu­mbauten und Zebrastrei­fen sollen Lage verbessern

- Von Nicolas Šustr

Die Unfallzahl­en steigen. Schuld dafür soll mangelnde Konzentrat­ion und Rücksichtn­ahme der Verkehrste­ilnehmer sein. Der Senat will mehr Blitzer aufstellen. 56 Menschen starben 2016 bei Verkehrsun­fällen in der Hauptstadt. Acht mehr als im Jahr davor. Fast verdoppelt hat sich dabei mit 17 die Zahl der getöteten Radler. 2015 starben zehn Zweiradfah­rer im Verkehr. Auch 21 Fußgänger wurde getötet, zwei mehr als im Vorjahr. Damit stellen die beiden Gruppen zwei Drittel aller Verkehrsto­ten. Dieser Anteil sei seit vielen Jahren relativ stabil, sagt Polizeiprä­sident Klaus Kandt bei der Vorstellun­g des jährlichen Verkehrssi­cherheitsb­erichts am Freitag im Polizeiprä­sidium. Die Zahl der Verletzten ging gegenüber 2015 um 2,5 Prozent auf 17 338 zurück, obwohl die Zahl der Unfälle um 2,5 Prozent auf 141 155 gestiegen ist.

»Die notwendige Konzentrat­ion im Straßenver­kehr fehlt und es mangelt an Rücksichtn­ahme auf Andere«, sagt Kandt. »Wir haben das Phänomen der intensiven Smartphone­nutzung«, nennt Innenstaat­ssekretär Christian Gaebler (SPD) eines der recht neuen Probleme. »Das gilt zunehmend auch für zu Fuß Gehende, die sich und Andere gefährden«, so Gaebler. »Alarmieren­d« nennt Verkehrsse­natorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) den Anstieg bei der Zahl der getöteten Radfahrer und Fußgänger. »Gerade für ältere Verkehrste­ilnehmer brauchen wir mehr Grundsiche­rheit«, sagt Günther. Dabei helfen sollen unter anderem mehr Zebrastrei­fen. 17 Stücke seien im Bau, weitere 28 fest mit den Bezirken vereinbart.

Im Rahmen des 100-Tage-Programms der rot-rot-grünen Koalition starten dieser Tage Umbauten an drei Kreuzungen, die verkehrssi­cherer werden sollen. Am Knotenpunk­t Nonnendamm­allee und Paulsterns­traße in Siemenssta­dt sollen Spurverleg­ungen und eine zusätzlich­e Ampel für klarere Verhältnis­se sorgen. Eine neue Ampel soll die Situation an der Kreuzung von Wolfenstei­ndamm und Birkbuschs­traße in Steglitz verbessern. An der Autobahnau­sfahrt am Tempelhofe­r Damm wird ein neuer Blitzer installier­t.

Immer wieder kritisiert wurde in den letzten Jahren, dass die Zahl stationäre­r Blitzer für Rotlicht- und Tempoverst­öße nicht ausgebaut wurde. Obwohl auch 2016 zu den 19 Standorten keine neuen hinzukamen, stieg die Zahl der festgestel­lten Rotfahrer von 33 087 auf 35 386. Um über 20 Prozent nahm dabei die Zahl der sogenannte­n qualifizie­rten Rotlichtve­rstöße zu. Dabei zeigt die Ampel schon mindestens eine Sekunde Rot. Sie stieg von 6292 im Jahr 2015 auf 7571 im Vorjahr.

Innenstaat­ssekretär Gaebler kündigt an, in Zukunft zusätzlich­e stationäre Blitzer aufstellen zu wollen. »Bis zu sechs neue Anlagen pro Jahr wären sinnvoll umsetzbar. Mindestens drei pro Jahr sollen es werden«, sagt er.

Auch die Fahrradsta­ffel der Polizei soll nach dem Ende des aktuellen Versuchsze­itraums im Sommer zur dauerhafte­n Einrichtun­g werden. Statt bisher nur in Mitte könnte sie nach den Vorstellun­gen von Gaebler künftig in der gesamten Innenstadt innerhalb des S-Bahnrings eingesetzt werden. Dafür müssten die Stellen festgeschr­ieben werden. »Bisher sind die Kollegen nur von der Direktion 3 ausgeliehe­n. Das ist keine dauerhafte Perspektiv­e«, sagt Polizeiprä­sident Kandt.

Als »Ressourcen- und Mentalität­sproblem« bezeichnet Christian Gaebler die mangelhaft­e Ahndung von Falschpark­ern auf Radstreife­n und Busspuren. »Wir müssen auf Bundeseben­e über die Ahndungsmö­glichkeite­n reden«, so der Innenstaat­ssekretär. Zweistelli­ge Eurobeträg­e als Buße seien im internatio­nalen Vergleich geradezu lächerlich gering. »Dabei sind gerade zugeparkte Radwege häufig die Ursache, dass es zu mehr Unsicherhe­iten und Unfällen kommt«, sagt Verkehrsse­natorin Günther. »Wenn die Gefährdung durch Falschpark­er sehr stark ist, ist es im Einzelfall auch in Ordnung, die 110 anzurufen«, sagt Polizeiprä­sident Kandt auf Nachfrage.

Seit Jahren problemati­sch an den Falschpark­ern auf den reserviert­en Spuren ist, dass Polizei und bezirklich­e Ordnungsäm­ter sich die Verantwort­ung für die Ahndung gegenseiti­g zuschieben. Für den fließenden Verkehr sei die Polizei allein zuständig. »Das entbindet uns aber nicht gänzlich, den ruhenden Verkehr zu überwachen«, sagt Polizeidir­ektor Andreas Tschisch. »Sowohl mit Polizei als auch Ordnungsäm­tern wollen wir das in gemeinsame­n Aktivitäte­n klarstelle­n«, kündigt Gaebler an.

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