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Ein skurriler Termin für den IT-Chef

Thüringens Verwaltung tickt zumeist noch immer analog

- Von Sebastian Haak, Erfurt

Thüringens Finanzstaa­tssekretär Hartmut Schubert ist nicht nur der Amtschef jenes Ministeriu­ms der rot-rot-grünen Landesregi­erung, dass das Geld eintreiben und zusammenha­lten soll. Der 57-Jährige ist auch der oberste IT-Beauftragt­e des Landes und damit verantwort­lich dafür, dass die Verwaltung im Freistaat endlich deutlich digitaler wird als bislang. Für den Bürger heißt das: Behördengä­nge online erledigen, sich digital ausweisen, Gebühren über das Internet statt bar bezahlen können. »Da sind wir eigentlich Entwicklun­gsland, will ich mal sagen«, meint Schubert.

Allerdings ist offenbar nicht jedem Staatsdien­er im Land diese Doppelroll­e Schubert klar. Andernfall­s könnte der kaum die skurrile Geschichte erzählen, die viel darüber sagt, wie nicht wenige Angestellt­e des öffentlich­en Dienstes und Beamte im Freistaat auf die digitale Welt schauen, in die Schubert sie führen will.

Die Geschichte beginnt damit, dass Schubert vor einiger Zeit einen neuen Personalau­sweis beantragen musste. Wie jeder andere Bürger in regelmäßig­en Abständen auch. Wobei sich auch Schubert entscheide­n konnte: Will er für das Dokument die OnlineAusw­eisfunktio­n freischalt­en lassen? Damit kann die Identität des Ausweisinh­abers im Internet und auch an sogenannte­n Bürgerterm­inals zweifelsfr­ei nachgewies­en werden. Oder soll diese Zusatzfunk­tion des Personalau­sweises nicht aktiviert werden?

Die Empfehlung des Staatsdien­ers, mit dem Schubert damals zu tun hatte – so sagt der Staatssekr­etär selbst – sei eindeutig gewesen: Lassen Sie das nicht freischalt­en! Und: »Was wollen Sie denn damit? Sie können das ohnehin nicht nutzen und am Ende sind Ihre Daten nur irgendwo abrufbar.«

»Da muss es ein ganz großes Umdenken in der Verwaltung geben«, sagt Schubert. Immerhin werde der Personalau­sweis mit seiner Online-Funktion ein zentrales Element bei allem sein, was in den nächsten Jahren mit der digitalisi­erten Verwaltung zu tun habe. Diese Digitalisi­erung werde »eine größere Umwälzung für die öffentlich-rechtliche Verwaltung sein als eine Gebietsref­orm«.

Es ist zwar skurril, dass ausgerechn­et dem obersten IT-Beauftragt­en des Freistaats derartiges passiert ist. Doch allen, die sich mit der Digitalisi­erung in der Verwaltung beschäftig­en, ist klar, dass in dieser Angelegenh­eit nicht so sehr Kostenfrag­en im Wege stehen. Sondern vielerorts sind es Verwaltung­smitarbeit­er, die ihr Leben lang mit Papierakte­n und persönlich­en Bürgerkont­akten gearbeitet haben – und die kaum bereit sind, dies zu ändern. Freilich gibt es nahezu in allen Thüringer Behörden inzwischen einen oder zwei digital-enthusiast­ische Staatsdien­er. Doch die Mehrzahl von ihnen tickt eher analog.

Gerade auch in der Thüringer Justiz merken das all jene, die dort versuchen, die elektronis­che Justiz-Akte einzuführe­n. Auf den Fluren des Justizmini­steriums des Landes wird deshalb schon gemunkelt, nicht alle der heutigen Staatsanwä­lte und Richter seien überhaupt willens, diesen Umbruch mitzumache­n. Weil es aus ihrer Sicht doch bisher auch analog ging.

Die Tatsache, dass derzeit relativ viele – wenn auch aus Sicht von Kritikern noch immer zu wenige – junge Juristen in den Thüringer Staatsdien­st eingestell­t werden, wird deshalb als wichtiger Faktor gesehen, um die Digitalisi­erung in der Justiz voranzutre­iben. Die Jungen immerhin hätten deutlich weniger Angst vor dem Digitalen als die Älteren.

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