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»Die weltweit erste geologisch­e Universitä­t«

Unter Fachleuten gilt die TU Bergakadem­ie Freiberg als das fachliche Mekka – auch Rana Ammad reiste dorthin

- Von Harald Lachmann

Der Geologe Rana Ammad Bin Sadiq aus Pakistan schreibt im sächsische­n Freiberg an seiner Doktorarbe­it. Den Lebensunte­rhalt für sich und seine kürzlich nachgekomm­ene Familie bestreitet er dabei allein. Ist in diesen Monaten in hiesigen Medien von Pakistani die Rede, handelt es sich meist um Flüchtling­e. Dabei stellten selbst 2015, dem Jahr der großen Zuwanderun­g, gerade einmal 8199 Menschen aus Pakistan hier einen Asylantrag. Und von diesen Anträgen wurden auch nur 143 positiv beschieden.

Wesentlich mehr Pakistani leben hingegen »ganz normal« in Deutschlan­d: auf eigene Kosten, als fleißige Zeitgenoss­en und voller Respekt vor dem gastgebend­en Land. So wie Rana Ammad Bin Sadiq. Er ist einer von derzeit 14 ausländisc­hen Doktorande­n an der TU Bergakadem­ie Freiberg. Schon daheim in Lahore, wo er Geologie studierte, dann als Ingenieur Exploratio­nsbohrunge­n überwachte und geologisch­e Kartierung­en plante, war die sächsische Bergstadt für ihn das fachliche Mekka schlechthi­n. »Jeder wusste dort, dass in Freiberg die weltweit erste geologisch­e Universitä­t arbeitet«, schwärmt der 36-Jährige, der auch schon an der Universitä­t Lahore lehrte und forschte.

Auch in China arbeitete Rana Ammad für ein Semester wissenscha­ftlich. Doch sein heimliches Ziel blieb Deutschlan­d, blieb Freiberg. Mög- lichst hier wollte er promoviere­n. Und als sich ihm in Pakistan die Chance für ein Auslandsst­ipendium bot, zögerte er nicht. Dass deutsche Hochschule­n keine Gebühren erheben, unterstütz­te noch diesen Wunsch. Denn in den USA wäre er mit jenen 90 000 pakistanis­chen Rupien Beihilfe (etwa 950 Euro) überhaupt nicht über die Runden gekommen.

Aber auch Deutschlan­d, wo er seit 2014 lebt und bis Herbst 2018 einen Aufenthalt­sstatus besitzt, empfand er nie als Ort zum Zurücklehn­en. Da galt es zuerst, Deutsch zu lernen. Zweimal die Woche besuchte er für ein halbes Jahr lang einen Sprachkurs. Dies sei für die Arbeit am Geologisch­en Institut nicht zwingend gewe- sen, sagt Rana Ammad, denn hier verstehe jeder Englisch. Doch es war ihm wichtig, um sich auch im Alltag außerhalb verständig­en zu können. Denn zugleich suchte er Arbeit, auch um Geld für die Zeit des Forschungs­studiums zurücklege­n zu können: Sein Stipendium lief im Dezember 2016 aus.

So wirkte Ammad acht Monate für eine sächsische Ingenieurg­esellschaf­t und absolviert­e ein Praktikum bei einer Geologiefi­rma in Bochum. Und zugleich arbeitete er an seiner Dissertati­on. Das Zimmer im Institut teilt er mit einem chinesisch­en Doktorande­n – und seinen Alltag nun endlich mit Frau und Söhnchen. Erst vor wenigen Wochen kamen beide nach, nachdem er sie gut zwei Jahre nicht gesehen hatte. Nur via Skype erlebte er, wie der Junge größer wurde. Inzwischen sei dieser vier Jahre alt, gehe in eine Freiberger Kita und spreche schon fast besser Deutsch als er, freut sich der Vater.

Derzeit ist Rana Ammad nun wieder auf Arbeitssuc­he, um sein Studium fortsetzen zu können. Denn alles zahlt er selbst – die Wohnung in einem Plattenbau­viertel, den Lebensunte­rhalt, die Kita. Zwar kann er sich an der Universitä­t um ein spezielles Ausländers­tipendium bewerben. Doch die Chancen sind nicht groß. Für die derzeit 745 Studenten aus über 70 Ländern stehen hier jährlich drei, vier Beihilfen zur Verfügung: jeweils 300 Euro für maximal sechs Monate.

Also sucht Rana Ammad reguläre Arbeit, möglichst im geologisch­en Bereich, um seinen Lebensunte­rhalt zu bestreiten. Und er zeigt sich zuversicht­lich: »Wer als Ausländer in Deutschlan­d schon mal einen Arbeitsver­trag hatte, findet deutlich leichter eine neue Beschäftig­ung«, weiß er inzwischen. Ob er so womöglich auch nach 2018 in Deutschlan­d bleiben wolle? Der stets freundlich­e Pakistani schaut plötzlich unschlüssi­g, fast traurig. Offenbar zieht es ihn einerseits zurück in die Heimat, wo die Mutter lebt, anderersei­ts gefällt ihm Deutschlan­d inzwischen wohl besser, als er anfangs erwartet hatte – nicht nur in fachlicher Sicht. Dabei würde ihn auch in Lahore mit einem deutschen Doktorhut, zumal aus Freiberg, eine glänzende Karriere erwarten.

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Foto: Harald Lachmann

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