Sieben Tage, sieben Nächte
Gemeinhin gilt die Arbeit von Journalisten als aufregend. Dennoch hat der Alltag in Redaktionen auch viel mit immer wiederkehrender Routine zu tun, die der Kalender diktiert. Die vergangene Woche ist dafür ein Beleg. Denn schließlich lief es auch in der vielbeschworenen fünften Jahreszeit 2017 wie jedes Jahr: erst das Geschunkel und die bunten Narren mit ihren aufmüpfigen Wagen zum Straßenkarneval im Rheinland, dann das Gejohle und Gepöbel von den immer gleichen Jecken zum politischen Aschermittwoch in diversen bayerischen Bierzelten. Deftiges, Heftiges – und ganz viel olle Kamelle.
In Wahljahren findet das Ganze freilich noch einen Zacken schärfer statt, aber auch das gehört zum Ritual, das keinen Beobachter mehr so richtig vom Stuhl reißt. Wahrscheinlich fällt wenigstens wegen des Urnenganges im September nach den von diversen Politikern viel zu voll genommenen Mäulern die ansonsten dem Fußvolk wiederkehrend empfohlene Askese in der 40-tägigen Fastenzeit zurückhaltender aus. Der Gute-Laune-Wähler ist schließlich gefragt. Gerade weil die Auferstehung bei den Konservativen seit mehr als einem Jahrzehnt den immergleichen Namen trägt und sie bei den Sozis abweichend vom Kalender ganz und gar auf den tiefsten Winter vorgezogen worden war.
Und Fasten überhaupt. Das mag der ein oder andere Wahlkämpfer bei Fleisch, Süßigkeiten, Kaffee, Zigaretten und vielleicht sogar Alkohol noch irgendwie hinbekommen. Aber ohne Auto, Handy, Computer oder Fernsehen, wie es einige Gesundheitsexperten für den zeitweiligen Verzicht dringend raten, dürften die Granden in keiner Partei auskommen. Da kann der gute alte Goethe noch so recht haben mit seiner Erkenntnis: Man verliert nicht immer, wenn man entbehrt.
Doch Nichtverlieren ist in der Politik sowieso zu wenig. Da geht es immer nur um eines: um das Gewinnen. Erst in diversen Umfragen, dann in den Prognosen und schließlich vor allem bei der Verteilung der Macht. Im Herbst ist sowieso egal, ob die Kandidatin oder der Kandidat zwischen Aschermittwoch und Ostern eine körperliche und seelische Grundreinigung oder den sogenannten inneren Frühjahrsputz vorgenommen haben. Das Fitnessprogramm mag für Normalsterbliche gelten, auf Nominierungsparteitagen, bei Wahlkampfveranstaltungen und Kandidatenduellen zählt nur das lauteste Geschrei und das gewagteste Versprechen.
Nein, machen wir uns nichts vor. Mit Fastenkuren ist in den kommenden Wochen kaum zu rechnen. Nicht mit innerer Einkehr, Besinnung gar. Allerdings deutet viel auf einen Verzicht hin, der längst nicht nur bis Ostern reicht und uns schon seit Jahren an der Hacke klebt wie ein ausgelutschter Kaugummi: auf eine wirkliche gesellschaftliche Alternative.