Der Anti-Mehdorn
Mit Karsten Mühlenfeld ging es am Flughafen BER voran, nun könnte er scheitern.
Zu Wochenbeginn schien Karsten Mühlenfelds Zeit an der Spitze der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB) abgelaufen. Mit dem umstrittenen Rauswurf des Technikchefs der Flughafenbaustelle, Jörg Marks, hatte er wohl das schon länger angespannte Verhältnis zum Aufsichtsratsvorsitzenden Michael Müller (SPD) überstrapaziert. Müller, als Berlins Regierender Bürgermeister auch Mitgesellschafter des Flughafens, hatte dem BER-Chef vorgeworfen, er habe mit einer eigenmächtigen wie vertragswidrigen Entscheidung über eine zentrale Personalie vollendete Tatsachen geschaffen. Mühlenfeld hatte dem öffentlich widersprochen. Galt zuvor die Kommunikation zwischen beiden Männern als gestört, so scheint nun das Vertrauen zwischen ihnen entzwei zu sein. Seiner drohenden Entlassung, die vor der Sondersitzung des Aufsichtsrates am Mittwoch unvermeidbar schien, ist der 53-Jährige entgangen. Vorerst, denn nur Brandenburg hat sich dagegen gesperrt, und am Montag beraten die Gremien erneut. Dabei war Mühlenfeld vor zwei Jahren in Schönefeld als Hoffnungsträger gestartet.
Manchem »Überlebenden« der Ära Hartmut Mehdorn am BER muss Karsten Mühlenfeld wie ein Erlöser erschienen sein. Der bärbeißige ExBahnchef Mehdorn, der das Chaos auf der Baustelle des wichtigsten Infrastrukturprojekts von Berlin-Brandenburg beenden und Ordnung auf der Flughafenbaustelle schaffen sollte, hatte sich weder dort noch beim Aufsichtsrat und den Gesellschaftern allzu viele Freunde mit seiner undiplomatischen Art gemacht. Immer wieder hatte er als BER-Chef für negative Schlagzeilen gesorgt. Mühlenfeld war der glatte Gegenentwurf: Der gebürtige Berliner, ein fitter, zupackender und doch freundlicher Typ, strahlte Sachkompetenz, Ruhe und Aufmerksamkeit aus. Und der Maschinenbau-Ingenieur mit dem Doktortitel war als Manager erfolgreich.
Die Jahre zwischen der geplatzten Eröffnung des Hauptstadtflughafens im Frühjahr 2012 und Mehdorns Rücktrittserklärung Ende 2014 gelten heute als »verlorene Zeit« für das Projekt. Mühlenfeld ist es gelungen, den Stillstand am BER zu überwinden und nach und nach messbare Fortschritte am Bau zu erzielen. Der Landrat des für die Baugenehmigung zuständigen Dahme-Spreewald-Kreises, Stephan Loge (SPD), hat im Gespräch stets den Sachverstand und die Verlässlichkeit des neuen BER-Chefs gewürdigt. Loge hatte 2012 dem Airport unmittelbar vor der geplanten Eröffnung die Baugenehmigung verweigert. Die damals als größtes Hindernis ausgemachte Entrauchungsanlage des Fluggastterminals, das »Monster«, hat das Team um Müh- lenfeld in den Griff bekommen und bis Januar 2017 schließlich alle fälligen Baugenehmigungen erhalten.
Mühlenfeld war vom Schienenfahrzeughersteller Bombardier zum BER geholt worden. Zuvor aber hatte er in der Triebwerksentwicklung von Rolls Royce gearbeitet und als Werksleiter maßgeblich am Erfolg des britischen Unternehmens am Standort Dahlewitz (Teltow-Fläming) mitgewirkt. Ihm wurden seither gute Kontakte zur Landesregierung attestiert. Deren Flughafenkoordinator, der Staatssekretär Rainer Bretschneider, sagte damals dem Deutschlandfunk: »Ich kenne ihn von Rolls Royce, er ist ein engagierter Manager, der sehr viel für die Region getan hat. Sprechen Sie mit dem Bürgermeister, dem Landrat im Umfeld: Die sind alle ganz be- geistert. Und wenn er die Kreativität und das Engagement hier für Schönefeld entwickelt, da können wir alle nur von profitieren.«
In Potsdam sieht man das immer noch so. Zu Wochenbeginn erklärte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) im »Tagesspiegel«: »Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Rauswurf von Herrn Mühlenfeld das Projekt beschleunigt. Entscheidend muss doch sein, dass der BER endlich an den Start kommt.« Und am Mittwoch, in der Aktuellen Stunde des Landtages, stärkte Staatssekretär Bretschneider Mühlenfeld den Rücken. Es müsse jetzt darum gehen, den BER »endlich havariefrei und sicher an den Start zu bringen«, sagte er. Eine Ablösung des aktuellen BERChefs löse kein einziges Problem.
Mühlenfeld galt als der Wunschkandidat Brandenburgs, als es 2015 darum ging, Ersatz für den erfolglosen Hartmut Mehdorn zu finden. Um den Ingenieur durchzusetzen, hatte die Landesregierung mit Berlin den zweiten Gesellschafter gewinnen müssen. Dem Bund wäre bis zuletzt ein Flughafenspezialist an der BERSpitze lieber gewesen. Karsten Mühlenfeld nahm das sportlich: »Für mich ist es einfach eine große Herausforderung, diesen Flughafen fertigstellen zu dürfen. Und es ist für mich sehr schön und eine Möglichkeit zu zeigen, welche Fähigkeiten in mir stecken, hier diesen komplexen Betrieb rechtzeitig ans Netz zu bringen.«
Seit seinem Amtsantritt hatte Karsten Mühlenfeld die Flughafeneröffnung für das zweite Halbjahr 2017 in Aussicht gestellt. Noch Mitte Oktober, gemeinsam mit seinem Technikchef Marks auf der Baustelle, hatte er vor Journalisten wagemutig erklärt: »Wir beide glauben daran, dass wir 2017 noch eine Chance haben zu eröffnen.« Dass ihn dann ausgerechnet neuerliche Probleme mit der Brandschutztechnik überrascht haben, hat ihn sicher gedemütigt. Seinen Aufsichtsratschef aber hat es wohl richtig wütend gemacht.
»Wir beide glauben daran, dass wir 2017 noch eine Chance haben zu eröffnen.« Karsten Mühlenfeld im Oktober 2016, zusammen mit dem inzwischen entlassenen Technikchef Jörg Marks