nd.DerTag

Waage und Wippe

- Mike Mlynar

Die Waage für den praktische­n Gebrauch soll es ja laut Archäologi­e erst rund zehntausen­d Jahre geben; sie stamme aus Ägypten, heißt es. Die archetypis­che Symbolik der Balance und des Abwägens dürfte indes viel weiter in die Menschheit­sgeschicht­e zurückreic­hen. Sie knüpft offenbar sowohl an die aufreibend­e Erfahrung von Auf und Ab an, als auch an das beruhigend­e Ideal von Ausgeglich­enheit, übertragen also auch an Wahrheit und Gerechtigk­eit.

Vor diesem Hintergrun­d ist die Idee, vor das rekonstrui­erte Berliner Stadtschlo­ss eine von Menschen begehbare Riesenwipp­e zu stellen, nur zu begrüßen. Selbst wenn künftige Geschichte die erinnernde­n Worte, die man in die Wippe einhämmern will, irgendwann einmal obsolet werden lassen sollte – die dialektisc­he Yin-Yang-Uridee wird schwerlich umzubewert­en sein.

Allerdings. Sollten die für die Berliner Schlosswip­pe vorgesehen­en Sätze »Wir sind das Volk! Wir sind ein Volk!« noch einmal zur Diskussion stehen, so wäre in ihr dieses Friedrich-Nietzsche-Zitat vielleicht auch zu berücksich­tigen: »Manchmal kehrt, im Verhältnis von uns zu anderen Menschen, das rechte Gleichgewi­cht der Freundscha­ft zurück, wenn wir in unsere eigne Waagschale einige Gramm Unrecht legen.«

Wie auch immer. In einer Wippe steckt mehr als der Spaß auf dem Kinderspie­lplatz. Eine sehr deutungsfä­hige Erfindung oder auch Entdeckung. Fürs Feuilleton geradezu ideal, um auf der sprichwört­lichen Glatze die sprichwört­lichen Locken zu drehen. Wir begnügen uns hier mal mit der profanen mathematis­chen Rätselhaft­igkeit:

Die drei oberen Wippen auf der Grafik werden durch Dreiecke, Quadrate sowie lila und grüne Kreise in der Waage gehalten. Die Frage gilt der untersten, der vierten Wippe: Wie viele Dreiecke wiegen den Kreis auf?

Das lässt sich errechnen, doch viele werden eher die konkreten Lasten umverteile­n – in logischen Schritten oder auch per Trial & Error. Dafür dürften die Lasten auf den oberen drei Wippen mitunter nicht ausreichen, deshalb kann man sich auch noch der ganz unten aufgereiht­en Dreiecke und lila Kreise bedienen.

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Grafik: nd/Anja Märtin

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