Kein Recht auf humanitäres Visum
Europäischer Gerichtshof sieht Entscheidung über legale Einreise allein bei den einzelnen EU-Staaten
Der Europäische Gerichtshof stellt klar, dass EU-Staaten nicht verpflichtet sind, humanitäre Visa zur Einreise von Asylbewerbern auszustellen. Die legale Einreise bleibt verwehrt. Luxemburg. Die EU-Staaten sind nicht verpflichtet, Flüchtlingen humanitäre Visa zur Einreise und Asylantragstellung auszustellen. Wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag in Luxemburg urteilte, steht es den Mitgliedstaaten weiterhin frei, selbst nach nationalem Recht zu entscheiden, ob sie von Folter und Tod bedrohten Flüchtlingen ein entsprechendes Visum erteilen. Der erhoffte legale und ungefährliche Weg nach Europa bleibt Flüchtlingen damit weiter versperrt. (AZ: C-638/16 PPU)
Eine aus Aleppo stammende syrische Familie mit drei minderjährigen Kindern scheiterte mit ihrer Klage. In der belgischen Botschaft in Beirut bean- tragte sie im Oktober 2016 erfolglos ein humanitäres Visum, welches zum 90-tägigen Aufenthalt in Belgien berechtigt hätte. Die Familie hatte angegeben, dass sie Asyl beantragen wolle. Sie würden in Syrien als orthodoxe Christen verfolgt. Der Vater sei von einer bewaffneten Gruppe entführt, geschlagen und gefoltert worden. Erst gegen Lösegeld hätten ihn seine Entführer freigelassen.
Die Familie berief sich in ihrem Visa-Antrag auf die EUGrundrechte-Charta und die europäische Erklärung der Menschenrechte. Danach hätten die Mitgliedstaaten die Verpflichtung, das Asylrecht zu gewährleisten und müssten ein humanitäres Visum zur Asylantragstellung erteilen.
Die belgischen Behörden sahen sich nicht verpflichtet, Menschen, die eine besonders katastrophale Situation erlebt haben, ein humanitäres Visum auszustel- len. Dem folgte der EuGH. Die Familie habe ein kurzfristiges Visum beantragt, habe aber tatsächlich mit der beabsichtigten Asylantragstellung länger bleiben wollen. Der EU-Gesetzgeber habe aber keine Regelungen erlassen, unter welchen Voraussetzungen Nicht-EU-Bürger langfristige Visa aus humanitären Gründen erhalten können. Da EU-Recht nicht greift, zähle allein das nationale Recht. Der EuGH folgte damit nicht dem Votum von Generalanwalt Paolo Mengozzi, der zuvor zu dem Schluss kam, die Visa müssten erteilt werden.
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl wertete die Entscheidung als »trauriges Urteil«. Im »Mittelmeer wird nun weiter gestorben«, sagte Europa-Referent Karl Kopp. Flüchtlinge hätten so gut wie keine Möglichkeit, legal nach Europa zu kommen, um dort einen Asylantrag zu stellen. Auch die Arbeiterwohlfahrt bedauerte das Urteil: »Humanitäre Visa hätten das große Sterben im Mittelmeer beenden können«, sagte Vorstandsmitglied Brigitte Döcker. Nach derzeitiger Rechtslage kann ein Asylantrag nur dort gestellt werden, wo um Asyl gebeten wird. Die Innenexpertin der CDU/CSUGruppe im Europarlament, Monika Hohlmeier (CSU), begrüßte dagegen das Urteil. Botschaften und Konsulate wären zu »Asylbehörden zweckentfremdet worden«, sagte sie.