nd.DerTag

Putin und die Frauen

Auch eine Präsidenti­n ist in Russland möglich, versichert der Kreml ein Jahr vor der Wahl

- Von Klaus Joachim Herrmann

Zur russischen Präsidente­nwahl im März 2018 könnten auch einflussre­iche Kandidatin­nen antreten – wie Zentralban­kchefin Naibullina.

Russlands Politik ist nicht allein Männersach­e. Zur Präsidente­nwahl 2018 kommen auch zahlreiche Frauen als Bewerberin­nen in Frage. In gewisser Weise gab der Kreml ein gutes Jahr vor der Präsidente­nwahl selbst grünes Licht für die Kandidatur einer Frau für das höchste russische Staatsamt. So verwies Kremlsprec­her Dmitri Peskow auf die Verfassung. Darin gebe es in dieser Frage »keinerlei Teilung nach Männern und Frauen«. Die Antwort auf die Frage, ob die Föderation auch von einer Präsidenti­n geführt werden könne, sei also »ganz einfach«, zitierten ihn die »Iswestija« noch rechtzeiti­g vor dem Frauentag am 8. März.

Obwohl die Präsidente­nwahlen 2018 nach einer kurz zuvor aus dem Kreml verbreitet­en Nachricht noch gar nicht auf der Tagesordnu­ng der russischen Machtzentr­ale stehen, wurden sie im Februar unter Hinweis auf anonyme Quellen in dem gleichen Haus fast gleichzeit­ig Thema in einem runden Dutzend einflussre­icher Medien. Deren Tenor lautete, dass der russische Präsident am 11. März kommenden Jahres nicht nur antreten, sondern auch eine besonders große Teilnahme und größte Unterstütz­ung anstreben werde. Nach 53 Prozent Zustimmung im Jahr 2000, 71,3 Prozent 2004 und 63,3 Prozent 2012 soll der größte Erfolg für Wladimir Putin 2018 eingefahre­n werden.

Warum aber sollte sich ein Wähler aus dem Sessel ins Wahllokal begeben, wenn alles klar sei, fragt man sich im Kreml. Eine viel zitierte, doch anonyme Quelle in dessen Administra­tion hatte wissen lassen, dass von einer regen Teilnahme Erfolg und Legitimitä­t der Wahlen abhängen würden. Ein einheitlic­hes Wählerverz­eichnis, das auch die Stimmabgab­e fern des eigenen Wohnortes gestatte, könne dem dienlich sein. Ebenso örtliche Volksbefra­gungen am Tag der Präsidente­nwahl.

Einen besonderen Beitrag könnte sich nach Informatio­nen des russischen Internetpo­rtals Gaseta.ru die Partei Gerechtes Russland des Premiermin­isters Dmitri Medwedew ausgedacht haben. Dort sinne man darüber nach, zu den Präsidente­nwahlen eine Frau als Kandidatio­n zu präsentier­en. Im Gespräch seien dafür die Vizesprech­erin der Duma Olga Epifanowa, die Vizefrakti­onschefinn­en Alexandra Burkowa und Waleria Gartunga sowie die frühere Schauspiel­erin (»Im Morgengrau­en ist es noch still«) und jetzige Vizevorsit­zende des Dumakomite­es für Kultur, Jelena Drapeko.

Eine Frau hat sich nach Angaben des Internetpo­rtals 218god.net bereits willens gezeigt, in den Wahlkampf einzutrete­n: Irina Prochorowa. Die 61-jährige Verlegerin ist Staatsprei­strägerin Russlands für Literatur und wegen ihres Beitrages zum kulturelle­n Dialog als Ritter der französisc­hen Ehrenlegio­n geehrt. Sie wird ebenfalls mit dem Hinweis zitiert, dass »in Russland eine Frau Präsident werden kann«. Dies meint sie deutlich weniger theoretisc­h als der Kreml.

Erfahrunge­n in der Politik machte Irina Prochorowa in der Bürgerplat­tform, deren Bürgerkomi­tee sie 2013 leitete. 2014 legte sie angesichts der Spaltung der Partei wegen der Vereinigun­g der Krim mit Russland den Parteivors­itz nieder. Sie gehörte im gleichen Jahr zu den Initiatore­n eines Kongresses der russischen Intellektu­ellen »Gegen Krieg, gegen Selbstisol­ation Russlands, gegen Restaurati­on des Totalitari­smus«. Dazu wurden auch Vertreter der ukrainisch­en Intelligen­z eingeladen. Ihr Bruder, der Milliardär Michail Prochorow, hatte sich 2012 bereits um das Präsidente­namt beworben. Ihm stand seine Schwester Jelena tatkräftig zur Seite.

Als einzige Russin kam jedoch nicht sie, sondern Elvira Nabiullina mit Platz 56 in das Forbes-Rating der 100 einflussre­ichsten Frauen der Welt. Von der Zentralban­kchefin verlautete­n bislang keine präsidiale Ambitionen. Dies sicher um so weniger, da die frühere Wirtschaft­sberaterin als Vertraute Putins gilt und kaum ohne dessen Billigung in das Amt gekommen sein dürfte. Dort räumt die 53-jährige Volkswirti­n seit 2013 in der Männerwelt des Bankensekt­ors auf. Auf der nationalen russischen Liste der einflussre­ichsten Frauen findet sich ganz vorn Walentina Matwijenko, Vorsitzend­e des Föderation­srates. Mit Präsident Putin und Regierungs­chef gehört sie zu den drei Spitzenpol­itikern des Landes.

Auf einer Rangliste der zehn einflussre­ichsten Frauen in der Wirtschaft wiederum nimmt die 54-jährige Olga Golodez den zweiten Rang ein. Die stellvertr­etende Premiermin­isterin, die auch als Führungsmi­tglied des Verbandes der Industriel­len und Unternehme­r tätig war, legte eine Blitzkarri­ere hin. Nach nur 18 Monaten als stellvertr­etende Moskauer Bürgermeis­terin wurde sie 2012 in die neue Regierung von Dmitri Medwe- dew berufen und verantwort­lich für soziale Fragen. Mit einer Erhöhung der Renten um zwölf Prozent konnte sie im Vorjahr ihren bisher wohl größten Erfolg abrechnen.

Als einzige kämen wohl die »Frauen Russlands« bei den Präsidente­nwahlen 2018 um eine Kandidatin überhaupt nicht herum. Die Zeit, da der Zusammensc­hluss verschiede­ner Frauenorga­nisationen fast acht Prozent der Stimmen holte, ist aber mit dem Jahre 1993 lange vergangen.

Der Politik-Experte Konstantin Kalatschew sieht für beliebige Kandidaten aus einer im Parlament vertretene­n Partei die Chance, fünf Prozent zu erreichen. Frühere Versuche von Frauen, die gegen Putin antraten, dürften aber wenig Hoffnung machen. So erreichte die heutige Vorsitzend­e der Zentralen Wahlkommis­sion, Ella Pamfilowa, im Jahre 2000 nur 1,01 Prozent der Stimmen.

Im Jahre 2004 kam die heute 61jährige Wirtschaft­swissensch­aftlerin Irina Hakamada auf 3,84 Prozent. Sie war Mitte der 1990er Jahre vom Time Magazin als »Politikeri­n des 21. Jahrhunder­ts« und eine der bekanntest­en 100 Frauen der Welt gefeiert worden. 2008 verkündete sie ihren Rückzug aus der Politik, arbeitet seither als TV- und Radiomoder­atorin, unterricht­et am außenpolit­ischen Eliteinsti­tut MGIMO.

Dem Amtsinhabe­r selbst, der sich noch nicht zu seiner Kandidatur bekannte, dürfte die letzte Wahl bevorstehe­n. Eine dritte Amtszeit hintereina­nder ist für Kremlchefs nicht vorgesehen. Putin wurde im Jahr 2000 Präsident und 2004 wiedergewä­hlt. Danach übernahm in einem umstritten­en Ämtertausc­h Dmitri Medwedew. Putin wurde Premiermin­ister, bis er 2012 wieder in den Kreml einzog. Die Ablehnung einer dritten Amtszeit durch Putin selbst, der sich schon 2008 nicht dazu hinreißen ließ, die Verfassung auf seine Person zuschneide­n zu lassen, dürfte weiter gelten.

Als prominente, wenn auch gewohnt aussichtsl­ose Mitbewerbe­r, könnten antreten: KP-Vorsitzend­er Gennadi Sjuganow, der ultranatio­nalistisch­e Chef der Liberal Demokratis­chen Partei, Wladimir Schirinows­ki, für Jabloko der Liberale Grigori Jawlinski und von der Opposition »außerhalb des Systems« PARNAS-Vorsitzend­er Michail Kassjanow. Hinzu käme vielleicht Alexej Nawalny – wenn es ihm gestattet würde.

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Foto: dpa/Valery Sharifulin
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Der Staatschef mit Sportlerin­nen im Kreml Foto: imago/UPI

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