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»Das Patriarcha­t ist ins Wanken gekommen«

Gibt es einen gemeinsame­n Feminismus von der LINKEN bis zur CDU? Jenna Behrends und Katja Kipping im Gespräch über Sexismus in Parteien, Familie und Job – und den gemeinsame­n Kampf gegen den rechten Rollback

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Sie kommen aus zwei Parteien, die politisch nicht gerade Nachbarn sind. Eine Feministin in der LINKEN ist keine Seltenheit. Frau Behrends, was hat Sie ausgerechn­et in die konservati­ve CDU verschlage­n? Behrends: Es ist doch wichtig, Feminismus in Parteien hineinzutr­agen, in denen er noch nicht so präsent ist. Vor allem in eine breite Volksparte­i, die viele Leute mitnimmt. Die Junge Union hat Plakate, auf denen eine Frau in schwarzem Slip abgedruckt ist, die sich das Höschen leicht herunterzi­eht. »Wir gehen tiefer«, steht darauf. Wer wird von so etwas mitgenomme­n? Behrends: Viele Parteien haben Plakate von früher im Giftschran­k, die ihnen heute peinlich sind. Ein solches wird heute nicht mehr gemacht. In Ihrem Offenen Brief an die CDU haben Sie den Sexismus innerhalb der Partei angesproch­en. Frank Henkel soll Sie ein »süßes Mäuschen« genannt haben. Wie haben Parteikoll­egen darauf reagiert? Behrends: Gerade von Frauen habe ich viel positives Feedback bekommen. Einige haben mir gesagt, dass sie Ähnliches erlebt haben – es aber nie öffentlich gemacht ha

ben. Aber es gab auch ordentlich Gegenwind von CDU-Frauen. Sandra Cegla, die Vorsitzend­e der Frauen- Union in Berlin Mitte, warf Ihnen vor, Sie würden sexuell offensiv auf Männer zugehen. Kipping: Wie bitte?! Das ist echte Komplizens­chaft mit dem Patriarcha­t. Und das in Zeiten, in denen der Feminismus sich harten Angriffen ausgesetzt sieht. Und wie haben Männer auf den Brief reagiert? Behrends: Meine Lieblingsg­eschichte ist die eines älteren Herren, der oft sagt, er sei seit mehr als 40 Jahren in der Partei und wisse ganz genau, wie das laufe. Als er zu mir kam, schwante mir nichts Gutes. Aber er sagte: »Ich habe nach Ihrem Brief mit meinen Töchtern gesprochen, Sie ahnen gar nicht, was die mir für Geschichte­n erzählt haben. Ich bin seit mehr als 40 Jahren in der Partei und wissen Sie was? Anders als über einen Offenen Brief hätte man das Thema nicht platzieren können.« Das hat mich sehr berührt. Haben Sie in der LINKEN auch schon Sexismus erlebt, Frau Kipping? Kipping: Meine persönlich­en Erlebnisse waren subtiler. Es gibt diese Ohrring-Falle. Du hast gerade mit einem Mann eine sehr harte Auseinande­rsetzung, über Personalpo­litik etwa. Just in dem Moment, in dem ich ein besonders gutes Argument bringe, kommt der Satz: Deine Ohrringe wackeln ja so schön. Gab es Männerstru­kturen, die Sie ausbremste­n? Kipping: Wir haben in allen Gremien eine Frauenquot­e. Aber als im Zuge der Neugründun­g auf Fraktionss­itzungen manchmal eine Krise ausbrach, fanden sich am Rande auf wundersame Weise einige wichtige Männer zusammen, um das Problem zu besprechen. Ohne die Frauen in wichtigen Positionen dazu zu holen. Wie reagierten Sie darauf? Kipping: Ich ging einfach dazu. Ich war ja schließlic­h gewählt. Aber das zeigt: Es braucht Frauennetz­werke. Sie sagten vorhin, der Feminismus werde derzeit besonders stark angegriffe­n. Wieso ist das so? Kipping: Die Heftigkeit der Kämpfe hat damit zu tun, dass im Bereich der Geschlecht­erverhältn­isse revolution­äre Fortschrit­te erkämpft wurden. Die Hasskommen­tare sind Teil einer patriarcha­len Gegenrevol­ution. Sie meinen, wir stehen kurz vor der Gleichbere­chtigung? Kipping. Nein. Aber es ist viel ins Wanken gekommen. Es gibt zum Beispiel immer mehr Väter, die genau so viel Zeit mit dem Kind verbringen wollen wie die Frau. Oder nehmen wir sexistisch­e Sprüche: Sie werden immer mehr mit einem mitleidige­n Schmunzeln bedacht. Wenn der Schenkelkl­opfer plötzlich ausbleibt, fallen manche in eine Krise. Eine Krise der Männlichke­it. Braucht es dann eine Männerbewe­gung? Kipping: Der Feminismus richtet sich nicht gegen Männer, sondern es geht um eine Perspektiv­e für ein gutes Leben für alle. Nehmen wir das 4-in-1Modell der marxistisc­hen Feministin Frigga Haug. Demnach sollte im Le-

 ?? Foto: nd/Ulli Winkler ?? Katja Kipping ist seit 2012 Bundesvors­itzende der LINKEN. Die 39-jährige Mutter einer kleinen Tochter lebt und arbeitet in Berlin und Dresden und teilt sich die Erziehungs­arbeit mit ihrem Partner zu gleichen Teilen. Termine ihres Mannes und ihrer...
Foto: nd/Ulli Winkler Katja Kipping ist seit 2012 Bundesvors­itzende der LINKEN. Die 39-jährige Mutter einer kleinen Tochter lebt und arbeitet in Berlin und Dresden und teilt sich die Erziehungs­arbeit mit ihrem Partner zu gleichen Teilen. Termine ihres Mannes und ihrer...

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