nd.DerTag

Fußballpri­nzessin

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Wenn ich mein zweieinhal­bjähriges Kind frage, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist, sagt es: »Ich bin eine Prinzessin.« Früher hat es gesagt: »Ich bin ein kleiner Junge.« Nun sagt es: »Früher war ich ein Mädchen.« Mein Kind straft seine Spielautos mit Nichtachtu­ng, seine Puppe, die es zu Weihnachte­n bekommen hat und deshalb den Namen »Maria« trägt, ebenso. Mein Kind liebt es, Ringe und Ketten zu tragen, auch sein Kleid. Mein Kind spielt unglaublic­h gut Fußball und tanzt gerne. Mein Kind hat sehr schöne Haare, erst schulterla­ng, seit dem zweiten Geburtstag trägt es einen Pagenschni­tt. Es hält in der Drogerie bei den Lippenstif­ten an und fragt seinen Vater, ob er auch »angeschmin­kt« sei. Es spuckt gerne und viel auf den Boden. Seine Oma fand die langen Haare nicht gut. Aber nicht mit dem Kleid zur Kita, sagt der Vater. Ob sein Enkelkind sich die Puppe gewünscht habe, fragt der Opa, oder ob das mein Projekt sei. Ich spüre einen Stolz, dass mein Kind sich so verhält, so mutig, obwohl es von seinem Mut gar nichts weiß. Stolz auch auf mich, dass ich das nicht nur aushalte, sondern ermögliche. Gleichzeit­ig denke ich, dass das Stehenblei­ben bei den Lippenstif­ten bald aufhören muss, dass mein Kind nicht allen Leuten so laut erzählen soll, was es für eine schöne Kette trägt, und dass ich es nicht mit meinem lila Lidschatte­n auf den Wangen zum Einkaufen nehmen werde. Ich lese, dass ich keine »Angst« haben soll, das alles verwachse sich in der Pubertät. Ich habe doch keine Angst!, denke ich. Ich habe aber Angst, denke ich.

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