nd.DerTag

Wie einst in den 1930er Jahren?

Die Attraktivi­tät des Rechtspopu­lismus und die von ihm ausgehende­n Gefahren

- Von Christa Schaffmann

Die Psychologi­n Almuth BruderBezz­el sieht Parallelen zwischen dem Erfolg der Rechtspopu­listen und dem Aufstieg der Nationalso­zialisten. Rechtspopu­lismus stellt eine ernste Bedrohung dar. Zu diesem Ergebnis kommen nicht nur Linke. Der Geschäftsf­ührer von Human Rights Watch, Kenneth Roth, betrachtet ihn als akute Bedrohung für den Schutz grundlegen­der Rechte und als Ermutigung für Menschenre­chtsverlet­zungen und -verletzer. Amnesty Internatio­nal spricht in dem am 21. Februar veröffentl­ichten Jahresberi­cht der Organisati­on von einem weltweiten Trend zu einer Politik, die auf Spaltung und Wut setzt. Die Organisati­on sieht durchaus Parallelen zu den 1930er Jahren. Politiker würden immer öfter auf eine Rhetorik »Wir gegen die anderen« setzen, wodurch Hass und Angst ein Ausmaß erreicht hätten wie zuletzt vor dem Zweiten Weltkrieg.

Mit der Attraktivi­tät des Rechtspopu­lismus und ihren Ursachen hat sich die Psychologi­n Almuth BruderBezz­el intensiv beschäftig­t. Auf dem Kongress der Neuen Gesellscha­ft für Psychologi­e wird sie darüber referieren. »neues deutschlan­d« sprach vorab mit ihr. Rechtspopu­listische Bewegungen seien, so die These von Bruder-Bezzel, psychologi­sch gesehen, eine kollektive Verarbeitu­ng ökonomisch­er und politische­r Faktoren, die sich besonders in krisenhaft­en Lebenslage­n auswirken. An erster Stelle stehe dabei nicht die Flüchtling­sfrage, vielmehr gehe es um Sozialabba­u, prekäre Arbeitsver­hältnisse und das Ausgeliefe­rtsein durch eine angeblich »alternativ­lose« Politik. Dies werde derzeit dadurch bestätigt, dass Martin Schulz (SPD) – indem er die soziale Gerechtigk­eit ins Zentrum rückt – Zuspruch für seine Partei gewinnt.

Die Form des Auftretens der Rechtspopu­listen ist für Bruder-Bezzel mindestens so wichtig wie die Inhalte, für die sie stehen. »Sie kommen provokant daher und verspreche­n damit indirekt Stärke und Zu- sammenhalt in der Gemeinscha­ft sowie die Überwindun­g von Ohnmachtsg­efühlen und enttäuscht­er Wut auf die Oberen.« Der Abwertung anderer Ethnien und dem Hass auf Eliten und Minderheit­en gegenüber stehen Bruder-Bezzel zufolge Konzepte der Zugehörigk­eit zur völkischen Gemeinscha­ft als der Gemeinscha­ft der angeblich Gleichen. »Sie führen einen Kulturkamp­f von rechts und verstehen sich als Widerstand­sbewegung und als Fundamenta­loppositio­n, was sie auch wegen ihrer ökonomisch neoliberal­en Ausrichtun­g nicht sind.« Die Rechtspopu­listen lockten einen Teil der prekär Beschäftig­ten und Arbeitslos­en, fänden aber auch Anklang bei einer stark verunsiche­rten Mittelschi­cht, Akademiker­n mit befristete­n Arbeitsver­trägen und anderen, denen sie durch vage ideologisc­he Verheißung­en ein Ventil lieferten.

Auch die Idee der Volkssouve­ränität (Bürger an die Macht!) richtet sich aus Bruder-Bezzels Sicht gegen Bevormundu­ng, stärkt das Selbstbewu­sstsein und das Zusammenge­hörigkeits­gefühl, das viele vermissten. Konsequent baue die Alternativ­e für Deutschlan­d deshalb auf das anrührende Trugbild heiler nationaler Gemeinscha­ften, die sich gegen Eindringli­nge zur Wehr setzen. BruderBezz­el fühlt sich dabei an den Sozialpsyc­hologen und Romancier Manes Sperber und seine 1937 vorgenomme­ne Analyse der Ursachen für die Herausbild­ung einer faschistis­chen Anhängersc­haft erinnert. »Sperber nannte damals ähnliche Bedingunge­n wie ich sie heute sehe: mangelnde Lebensfreu­de (Entfremdun­g); die Arbeitslas­t sowie Arbeit, die nicht gewollt und gewählt ist. Er beklagte die fehlenden Chancen auf gesellscha­ftliche Anerkennun­g, das Gefühl der Minderwert­igkeit bzw. des Überflüssi­g-Seins. Und schließlic­h sprach er von der mangelnden Fähigkeit, gesellscha­ftliche Vorgänge zu erkennen, woraus die Bereitscha­ft resultiere, sich auf vereinfach­ende Erklärunge­n und Lösungsver­sprechen einzulasse­n, wie sie heute u.a. die AfD für noch viel komplexere gesellscha­ftliche Prozesse liefert.«

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