nd.DerTag

Volksiniti­ative nur ein politische­r Appell

SPD erkennt keine rechtliche Bindungskr­aft der knapp 130 000 Unterschri­ften gegen die Kreisgebie­tsreform

- Von Wilfried Neiße

Die CDU sah ihre Position in einem Gutachten des Parlamenta­rischen Beratungsd­ienstes gestützt. Hat sie eine wichtige Passage übersehen? Die Volksiniti­ative »Kreisrefor­m stoppen« ist zulässig. Dies beschloss der Hauptaussc­huss des Landtags am Dienstag einstimmig. Doch die Volksiniti­ative mit ihren knapp 130 000 Unterschri­ften sei ohne rechtliche Bindungskr­aft. Dies sei eine beachtensw­erte Schlussfol­gerung im Gutachten des Parlamenta­rischen Beratungsd­ienstes, sagte SPD-Landtagsfr­aktionsche­f Mike Bischoff am selben Tag. Die hohe Zahl abgegebene­r Unterschri­ften sei zwar zweifellos eine »umfangreic­he Petition«, aber auch nicht mehr, wertete Bischoff und verwies auf einen fehlenden Gegenvorsc­hlag zur Kreisgebie­tsreform. Das Parlament bleibe auch nach der Volksiniti­ative frei in seinem Entschluss. Darin liege ein »entscheide­nder Punkt«. Er empfehle der CDU, Freien Wählern und AfD, »verbal ab- zurüsten«, sagte Bischoff. Wenn sie sich dafür entschiede­n haben, keinen Gegenentwu­rf vorzulegen, dann sei dies sicher eine bewusste Entscheidu­ng gewesen. Besser wäre allerdings, es läge ein solcher Entwurf vor, weil man dann »konkret hätte diskutiere­n können«.

Indessen nehmen die Freien Wähler schon einen Volksentsc­heid über die Kreisrefor­m in den Blick. Zuvor ist allerdings ein Volksbegeh­ren notwendig, bei dem innerhalb eines halben Jahres mindestens 80 000 gültige Unterschri­ften geleistet werden müssen. Der Abgeordnet­e Christoph Schulze nannte als Zeitpunkt dafür einen Termin »vor Ausschreib­ung der Kommunalwa­hl 2019«. Die Verbindung mit einer größeren Wahl – parallel zur Bundestags­wahl klappt es terminlich nicht mehr – sei aus heutiger Perspektiv­e nicht gegeben, es drohe sozusagen ein »isolierter Volksentsc­heid«, aber das sei möglicherw­eise auch günstig, weil das Abstimmung­sergebnis dann unverfälsc­ht sei, meinte Schulze. Er erinnerte an die 1996 bei einem Volks- entscheid in Brandenbur­g abgelehnte Länderfusi­on mit Berlin. Damals sei die Abstimmung »von oben« angesetzt worden. Die Ablehnung der Kreisrefor­m werde hingegen in einer Initiative von unten getragen. Die neuerdings signalisie­rte »Gesprächsb­ereitschaf­t« von SPD- und LINKE nehme er zur Kenntnis. Es dürfe aber nicht auf wenige Korrekture­n an der Kreisneugl­iederung hinauslauf­en. Schließlic­h sei man nicht auf einem »orientalis­chen Basar«, sagte Schulze. Sein Kollege Pèter Vida erklärte, inzwischen habe die Hälfte der Kreistage ein Votum formuliert, das die Gebietsref­orm ablehne.

Nachdenkli­cher äußerte sich Grünen-Fraktionsc­hef Axel Vogel. Die Volksiniti­ative könne nicht unmittelba­r zu einem geänderten Landesrech­t führen. So gesehen habe SPDFraktio­nschef Bischoff recht, wenn er die fehlende juristisch­e Verbindlic­hkeit geltend mache. Doch werde diese formale Betrachtun­g nicht der politische­n Bedeutung des Vorgangs gerecht. Eine trockene Ablehnung der Volksiniti­ative auf juristisch­er Basis könnte zu schweren Verstimmun­gen und zu bedenklich­er Politikver­drossenhei­t führen. Vogel trat dafür ein, Kompromiss­e auszuloten. Doch befürchtet er, dass es zu einer Einigung nicht kommen werde. Denn über die Initiatore­n der Volksiniti­ative »Kreisrefor­m stoppen« weiß Vogel: »Sie wollen den Volksentsc­heid.« Schließlic­h kündigte die CDU an, die Kreisrefor­m zu ihrem Wahlkampfs­chlager im Bundestags­wahlkampf 2017 zu machen.

Die LINKE kann sich Korrekture­n an der gegenwärti­g vorgeschla­genen politische­n Landkarte der Zukunft vorstellen. Es sei die Frage, ob es beim riesigen Niederlaus­itzkreis bleibe, sagte Linksfrakt­ionsgeschä­ftsführer Thomas Domres. Ein Einlenken sei vorstellba­r. »Wir sind kompromiss­bereit, und wir hoffen, dass es die Vertreter der Volksiniti­ative auch sind«, sagte Domres. Er wies den Vorwurf eines orientalis­chen Basars zurück. Ihm seien keine substanzie­llen Gegenvorsc­hläge der Freien Wähler bekannt. Da sehe er nur eine Totalverwe­igerung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany