Präsidentin, Ministerin, Chefin
Auf den Philippinen ist die Gleichberechtigung relativ weit gediehen – doch es gibt auch Probleme
In kaum einem Land ist das Geschlecht für den Karriereerfolg so unwichtig wie auf den Philippinen. Trotz noch immer großer Armut ist das Land weltweit führend in Geschlechtergleichheit. Als die Philippinen vor einem Dreivierteljahr einen neuen Präsidenten wählten, hätte es auch eine Präsidentin werden können. Unter den fünf Kandidaten waren zwei Frauen. Und auch wenn mit Rodrigo Duterte ein Mann gewann, kamen an einem generellen Muster keine Zweifel auf: Das südostasiatische Land ist gut für Frauen, die Karriere machen wollen. Sie tummeln sich in der Politik, im Finanzwesen, in der Unterhaltungsbranche, als Drahtzieher halbseidener Geschäfte.
Im Gender Gap Report 2016 des World Economic Forum, das die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern misst, werden die Philippinen als am meisten gleichberechtigte Nation Asiens und siebtbeste weltweit gewertet. In Europa stehen nur Island, Norwegen, Finnland, Schweden und Irland höher. Deutschland belegt von 145 Ländern Platz 13, die USA belegen Platz 45. Seit Jahren sind die Philippinen eins der wenigen gut platzierten Länder, das nicht auch Industrienation ist.
Die reichen Länder, die es mit Frauenquoten, Gesetzen und Anreizen versuchen, sollten sich die grundlegende Frage stellen, warum sie das nicht auch schaffen. Der Gender Gap Report bewertet die weibliche Teilhabe in Wirtschaft, Bildung, Politik und Gesundheit, danach werden Punkte verteilt. Demnach sind die Philippinen besonders erfolgreich darin, Frauen Ausbildungs- und Karrieremöglichkeiten zu bieten. Die Lohnkluft zwischen Männern und Frauen mit dem gleichen Beruf liegt bei einem Fünftel. Ein vergleichsweise guter Wert, den man in Deutschland nicht erreicht.
Filipinas schaffen es auch in der Politik an die Spitze. Bevor Ex-Präsident Benigno Aquino III 2010 sein Amt antrat, war das Land von Gloria Macapagal-Arroyo regiert worden. Und die Mutter des vorigen Regenten Aquino, Corazón Aquino, war ab 1986 Ferdinand Marcos als Präsidentin nachgefolgt. Auch in der Wirtschaft, oder in anderen öffentlichen Ämtern, finden sich Frauen wieder. Mercury Drug, die größte Drogeriekette des Landes, wird von einer Frau angeführt, ebenso Puregold, ein führendes Supermarktunternehmen. Die wohl einflussreichste Person in der für das philippinische Wirtschaftswachstum wichtigen CallCenter-Industrie: Karen Batungbacal, eine Frau. Ähnliches sieht es im privaten Bildungssektor sowie in der Finanzbranche aus. In immerhin einem Drittel der Unternehmen gibt es laut World Economic Forum weibliche Führungskräfte.
Ein eher berüchtigtes Beispiel ist die Geschäftsfrau Janet Lim-Napoles, die beschuldigt wird, Drahtzieherin eines milliardenschweren Veruntreuungsskandal historischen Ausmaßes zu sein, der 2013 an die Öffentlichkeit geriet. Die Chefaufdeckerin dieser Affäre ist ebenfalls eine Frau: Maria Gracia Pulido Tan, Ex-Chefin des Rechnungshofs. Tan wurde bei den Verhören, die bis heute die philippinischen Medien dominieren, wiederum von zwei Frauen unterstützt: der Justizministerin Leila de Lima und der Ombudsfrau Conchita Carpio-Morales. Seit der Regentschaft von Corazón Aquino ab den 1980er Jahren erhöhte sich der weibliche Einfluss in der Gesellschaft kontinuierlich.
Wirklich gut läuft es aber auch auf den Philippinen nicht überall. Jede zweite Schwangerschaft ist unbeabsichtigt, das Abtreibungsrecht noch immer restriktiv. Verhütung beim Sex ist in den letzten Jahren nicht beliebter geworden und die Müttersterblichkeit verharrt seit langem auf hohem Niveau. Die schlechte Gesundheit vieler Frauen hängt vor allem mit deren niedrigem Ausbildungsgrad und dem wirtschaftlichen Hintergrund zusammen. Zudem sind Frauen, egal wie erfolgreich und beschäftigt im Berufsleben, häufig trotzdem für den Haushalt zuständig.
Der Anteil von Frauen in der informellen Wirtschaft, wo es keine Sozialleistungen oder sonstige Absicherungen gibt, wird auf rund 70 Pro- zent geschätzt. Männer haben häufiger sichere Jobs. Trotzdem bleibt das Abschneiden der Philippinen bemerkenswert. Ein Gesetz, das feierlich die »Magna Carta of Women« genannt wird, regelt den Anspruch auf Vereinbarung von Beruf und Familie für Mütter. Auch dank funktionierender Familiennetzwerke, in denen Ver- wandte als Babysitter einspringen, erreichen philippinische Mütter ebenso Führungspositionen wie kinderlose Frauen.
So schaffen es die Philippinen ohne grundlegendes Anti-Diskriminierungsgesetz oder eine Quote, Frauen an die Schaltstellen der Volkswirtschaft zu bringen. Bei der letzten Prä- sidentschaftswahl ging es, kaum überraschend, auch nicht um Geschlechterfragen. Die drittplatzierte Kandidatin Grace Poe ist dreifache Mutter. Und bei allem, was der Wahlkampf an Attacken produzierte: Dass sie deshalb entweder keine gute Politikerin oder keine gute Mutter wäre, wurde ihr von keiner Seite vorgeworfen.