Spaniens Linke hat Angst vor ihren portugiesischen Genossen
Wahlbündnis En Marea wirft Lissabon Verstoß gegen europäische Wettbewerbsnormen vor
In Galizien sind sich Konservative, Gewerkschafter und Linke einig: An der eigenen wirtschaftlichen Misere soll Portugal schuld sein. Die portugiesische Linksregierung ist so erfolgreich, dass es selbst den spanischen Genossen unheimlich wird. Sie hat Wachstum geschaffen und es anders als der große Nachbar geschafft, das Haushaltsdefizit deutlich unter die Stabilitätsmarke von drei Prozent zu senken. Mit derzeit zehn Prozent ist die Arbeitslosenquote seit 2013, als sie ihren Höchststand von 16,4 Prozent erreicht hatte, deutlich gefallen und nur noch knapp so hoch wie hinter der Grenze, wo sie auf 19 Prozent verharrt. So blickt man vor allem in Galizien, das eine lange Grenze zu Portugal hat, neidisch zum kleineren Nachbarn.
In Santiago de Compostela sorgt man sich über die »Abwanderung« von Firmen nach Portugal. Die von der rechten Volkspartei (PP) geführte Xunta, wie die Galizische Regionalregierung auch genannt wird, prüft, ob Portugal Firmen mit unzulässigen Beihilfen anlockt. Galiziens Vizeministerpräsident Alfonso Rueda vermutet Verstöße gegen europäische Wettbewerbsregeln. Betroffen seien »auch Firmen mit einer konsolidierten Aktivität, Zulieferer von großen Firmen hier«, sagte er. Er sprach von einer Steuerpolitik, die »bis zu einem Maximum« auch Vergünstigungen gewähre. Hinzu käme die Verbilligung von Industriegelände »bis zum gesetzlichen Minimum«.
Während die Konservativen noch prüfen, haben einige Linke ihr Urteil schon gefällt. Das Wahlbündnis »En Marea« (Flut) fordert von der rechten Zentralregierung, Lissabon bei der EUKommission zu verklagen. Auch wenn sich etwa Podemos, das Teil von En Marea ist, gerne auf das portugiesische Vorbild beruft. Denn Podemos ist Schwesterpartei des Linksblocks (BE), der in Lissabon zusammen mit der öko-kommunistischen CDU die sozialistische Regierung stützt.
En Marea spricht vom Verstoß gegen Wettbewerbsnormen bei der Gewährung von Beihilfen. Im Süden Galiziens seien dadurch allein in der Automobilindustrie etwa 2000 Arbeitsplätze im Automobilbau verschwunden, hinzu käme eine noch größere Zahl an verlorenen Arbeitsplätzen, die eine indirekte Folge der Subventionen seien. Dabei greift En Marea auch die galizische Regionalregierung an an. Sie prüfe Millionensubventionen im Automobilbau nicht, die für Innovationsprogramme flössen, obwohl alles darauf hinweise, dass diese »weder der Innovation noch der Schaffung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen in Spanien dienen«.
Auch die große Gewerkschaft CCOO greift Portugal an. Der neue Chef der Industriesparte in Galizien, Celso Carnero, meint, dass »der Nor- den Portugals nie mit gleichen Regeln gespielt« habe. Die verstärkte Abwanderung in Galizien werde durch die niedrigere Löhne in Portugal begünstigt. Er verschweigt aber, dass die Linksregierung den von den konservativen Vorgängern gesenkten Mindestlohn schon zwei Mal auf 557 Euro erhöht hat.
Weder En Marea noch die CCOO beachten, dass Portugal das Dumping beendet hat, das die Konservativen auf Brüssler Druck umgesetzt hatten. Es sind die großen portugiesischen Gewerkschaften, die ihre spanischen Kollegen auf tiefer liegende Probleme hinweisen: Die multinationalen Konzerne nutzten vor allem schlechtere Löhne und Arbeitsbedingungen aus, erklärte der Chef des kommunistischen Gewerkschaftsverbands CGTP, Armenio Carlos: »Heute wandern Firmen von Galicien nach Portugal ab, doch morgen wird es andere Verlagerungen geben, aus Galicien und Portugal nach Osteuropa.« Der Kampf müsse gemeinsam darauf zielen, gerechte Lohn- und Arbeitsbedingungen für alle in Europa zu erreichen. Ihm zur Seite sprang der Chef des sozialistischen Gewerkschaftsbundes UGT, Carlos Silva, demzufolge alle Länder den Unternehmen Vergünstigungen anbieten und Galiziens Regierung mit ihrer Kritik an Portugal nur die eigene Unfähigkeit verdecken will.
Auch der Verband für die Euroregion Galizien–Nordportugal Eixo Atlántico kritisiert Galizien. Dessen Generalsekretär, Xoan Vázquez Mao, sprach von einer »totalen Unattraktivität« für Investitionen in der Region aufgrund einer »miserablen« Verwaltung und einer »inexistenten Industriepolitik«. Er verwies auf den Dauerstreit unter einzelnen Provinzen und einer fehlenden Koordination und hat sich bereits mit einem Brief an die Xunta gewandt. Demnach wanderten große Konzerne ab, da es in Portugal eine besser koordinierte Industrie- und Infrastrukturpolitik gebe.