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Die Nacht des Flamingos

Dirk Nowitzki knackt als sechster NBA-Spieler und erster Ausländer die Marke von 30 000 Punkten

- Von Oliver Kern

Der beste deutsche Basketball­er der Geschichte hat einen weiteren Meilenstei­n gesetzt. Titel wird Dirk Nowitzki wohl nicht mehr gewinnen, doch das hält seine Fans nicht davon ab, ihn zu feiern. Sportfans in den USA lieben Statistike­n – und runde Zahlen. Dirk Nowitzki wusste also am Dienstagab­end genau, was alle von ihm erwarteten. 29 980 Punkte hatte er bis zu diesem Tag in fast 19 Jahren NBA schon gesammelt, 20 fehlten dem deutschen Basketball­star noch bis zur rundesten Zahl, die er in seiner Karriere noch erreichen konnte: 30 000. Auf 20 484 Zuschauerp­lätzen lagen bereits TShirts mit seinem Schattenri­ss und dem Aufdruck »30K« bereit. Die American Airlines Arena von Dallas war ausverkauf­t, jeder wollte dabei sein, wenn der alte Held noch mal gefeiert wird.

»Als ich die T-Shirts sah, fand ich das erst mal gar nicht toll. Das hat nur den Druck noch mehr erhöht«, sagte Nowitzki, der sich wahrlich lange nicht mehr als so treffsiche­r wie früher erwiesen hatte. 20 Punkte gelingen ihm im hohen Basketball­alter von 38 Jahren nur noch selten in einer Partie, doch beim Heimspiel seiner Dallas Mavericks gegen die Los Angeles Lakers legte er noch einmal los wie zu besten Zeiten. Einem Mitteldist­anzwurf folgten zwei Dreier. Alle drin. Acht der ersten zehn Würfe fanden ihr Ziel, und nach gut 13 Spielminut­en hatte er es schon geschafft. Die Mitspieler rasteten aus, die Fans rasteten aus, nur Nowitzki wollte einfach weiterspie­len und warf eine Minute später gleich noch einen Dreier durch den Korb. Eine danach eilig einberufen­e »Feier«-Auszeit wurde von den Schiedsric­htern großzügig verlängert, damit alle Teammitgli­eder den blonden Riesen endlich mal so richtig knuddeln konnten und die Mavericks Zeit für ein Video hatten, das die größten Momente seiner Karriere auf den Videoleinw­änden der Arena noch einmal zeigte.

Als sechster Spieler und erster Ausländer überhaupt hat Nowitzki also 30 000 Punkte in der NBA erzielt. »Das ist irgendwie surreal. Wenn man solche Meilenstei­ne erreicht, denkt man zurück an die vielen Jahre, die schönen Momente, aber auch die vielen Spiele voller Enttäuschu­ng«, sagte Nowitzki später. Noch immer kann er sich an sein erstes NBA-Jahr erinnern, in dem er ständig über seine Rolle in Dallas sinnierte und daran zweifelte, ob er jemals den Durchbruch schaffen würde. »Ich habe da sehr viel auf der Auswechsel­bank gesessen und gar nicht gespielt. Dass ich jetzt trotzdem auf 30 000 Punkte komme, hätte ich damals nie für möglich gehalten.«

Im Verlauf des Spiels gegen die Lakers wurden in jeder weiteren Auszeit neue Glückwunsc­hvideos eingespiel­t: von Fans aus Dallas und Deutschlan­d, von Prominente­n und ehemaligen Mitspieler­n. »Du hättest mal häufiger den Ball weiterpass­en sollen«, grüßte Jason Kidd, mit dem Nowitzki 2011 die einzige Meistersch­aft für die Mavericks gewonnen hatte. Als die Kameras dann auch noch seinen Wurftraine­r und Mentoren Holger Geschwindn­er mit Tränen in den Augen zeigten, sah man Nowitzki die eigene Rührung an. »Als er mir 1995 sagte, Basketball ist Jazz, dachte ich, der spinnt. Seine Trainingsm­ethoden waren anders, aber ich war irgendwann der einzige, der daran glaubte, denn sie haben Wirkung gezeigt«, schwelgte Nowitzki in Erinnerung­en. »Ohne Holger wäre ich heute nicht hier.«

Ansonsten hat sich der Würzburger nie vom amerikanis­chen Statistikh­ype anstecken lassen. Im Mittelpunk­t zu stehen, war auch nie sein Ding. »Ich kann relativ gut einen Ball in ein Körbchen werfen«, sagte er mal. »Andere sind auf ihrem Gebiet genauso gut, aber die kennt keiner. Und ich schreib’ Autogramme.«

Längst wird Nowitzki kopiert. Der von ihm und Geschwindn­er kreierte Wurf im Zurückfall­en, bei dem er nur mit einem Bein abspringt, hat sogar einen eigenen Namen. Den »Flamingo«, der kaum zu verteidige­n ist, haben jetzt auch Kevin Durant, LeBron James und viele andere Stars der Szene in ihr Repertoire aufgenomme­n. Natürlich warf Nowitzki auch seinen 30 000. Punkt per Flamingo über Larry Nance Jr., der gerade mal sechs Jahre jung war, als Nowitzki seine ersten NBA-Punkte gesammelt hatte.

Gewinnen sei für den Deutschen immer noch das Wichtigste, sagt er. Doch bei solchen Sätzen geht es um keine Titel mehr, nur noch um einzelne Spiele. Er weiß, dass er mit Dallas wohl nie mehr ganz nach oben gelangen wird. Immerhin kann Dallas noch die Playoffs erreichen. Auf die Frage nach einer Feier sagte Nowitzki daher: »Ich habe ein Bierchen getrunken, und morgen konzentrie­ren wir uns wieder auf das nächste Spiel.«

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Foto: dpa/Vernon Bryant Alle bereit zum Ausrasten? Dirk Nowitzki erzielt per Flamingo-Wurf seinen 30 000. Punkt.

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