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Biathlon auf dem Golfplatz

Ein Jahr vor den Olympische­n Winterspie­len in Pyeongchan­g sind die Vorbereitu­ngen weit vorangesch­ritten, doch es gibt auch Kritik

- Von Oliver Kern

Die Sportstätt­en sind fast fertig, auch Fahnen hängen schon an den Straßenlat­ernen von Pyeongchan­g. Testwettkä­mpfe ein Jahr vor Olympia zeigten aber, dass noch einiges nachgebess­ert werden muss. In genau einem Jahr werden im Olympiasta­dion von Pyeongchan­g die Paralympic­s eröffnet. Einen Monat vorher werden bereits die ersten Olympiaspo­rtler um Medaillen im recht beschaulic­hen Bergort im Nordosten Südkoreas kämpfen. Elf Monate sind für ein Megaprojek­t dieser Größe keine lange Vorbereitu­ngszeit mehr, weshalb schon viele Sportstätt­en fertiggest­ellt sind. Jetzt ist die Zeit für Testwettkä­mpfe, die dieser Tage ausgetrage­n werden, um den olympische­n Ernstfall zu proben. Die meisten Athleten berichten positiv von ihren Reisen, Kritik ist aber auch deutlich zu vernehmen.

Christiane Putzich ist derzeit in Pyeongchan­g bei der Weltmeiste­rschaft im Rollstuhlc­urling. Ihre aktuelle Enttäuschu­ng ist dabei aber rein sportliche­r Natur, denn am Donnerstag verlor die deutsche Mannschaft zwei Partien gegen Schottland und die Schweiz jeweils 3:6. Wären beide Spiele gewonnen worden, hätte sie am Samstag noch um eine Medaille spielen können. So aber müssen Putzich und ihre Kollegen an diesem Freitag noch einmal gegen die Schweiz ran. Ein Sieg ist Pflicht, um den Abstieg noch zu vermeiden. »Wir konnten unsere Normalleis­tungen leider nicht abrufen. Aber ich bin auch nur ein Mensch und habe Nerven gezeigt«, sagt Putzich.

Am Spielort, dem Curling Centre in der Küstenstad­t Gangneung, habe es aber nicht gelegen. »Da habe ich nichts zu mäkeln. Das Eis und die Halle sind top«, berichtet die 41-Jährige. Die Temperatur­en sind angenehm, für Barrierefr­eiheit ist gesorgt, und selbst Schlaglöch­er auf den Straßen werden für die Rollstuhlf­ahrer mit Gummimatte­n abgedeckt. Zuschauer kamen jedoch kaum zu dieser WM, allerdings sei das auch kein Problem, sagt Putzich. Rollstuhlc­urler sind es nicht anders gewohnt.

Die Biathleten, die bei ihrem Weltcup vor einer Woche gut 20 Kilometer weiter die Berge hinauf zum Weltcup angetreten waren, aber schon. Diesmal liefen und schossen sie aber nicht vor 15 000 Fans wie in Italien, Norwegen, Deutschlan­d oder Tschechien, sondern vor ein paar Hundert, von denen viele auch noch freiwillig­e Helfer waren. Darüber können die Athleten zwar hinwegsehe­n, über die Qualität der Strecke ließen sie sich dann aber doch aus. »Bei Vereinsmei­sterschaft­en würde man sich über die schlechten Bedingunge­n aufregen«, sagte Erik Lesser. Auch Laura Dahlmeier bescheinig­te der buckeligen Loipe nur »Klubmeiste­rschaftsni­veau«. Arnd Peiffer war acht Jahre zuvor schon bei der WM am selben Ort und glaubt nun nicht mehr an Verbesseru­ngen für Olympia. »Wir werden uns auf schlechte Bedingunge­n einstellen müssen. Das war auch damals schon so bei der WM 2009. Der Standort ist eben nicht unbedingt geeignet für Winterspor­t«, sagte der Ex-Weltmeiste­r.

Besonders verwunderl­ich sind die Probleme nicht, denn das Alpensia Biathlon Centre ist trotz des neuen Rennrodelw­eltmeister­in Tatjana Hüfner Namens nicht für diesen Sport entworfen worden. Hier ist im Sommer ein Golfplatz beheimatet, der nun also auch im Winter genutzt werden kann, wenn man die weißen Bälle im Schnee nicht wiederfind­et. Man fragt sich, ob die Umweltschü­tzer das im Sinn hatten, als sie mehr Nachhaltig­keit in der Nutzung von olympische­n Sportstätt­en verlangten.

Ein ähnliches Problem beschäftig­t auch die Rodler, Bob- und Skeletonfa­hrer, denn für sie wird fast immer für viele Millionen Dollar eine neue Bahn gebaut. Vor 37 Jahren fanden in Lake Placid letztmals Wettbewerb­e auf einer bereits existieren­den Bahn statt, danach wurde stets eine neue errichtet. Die Eisrinne von Sarajevo 1984 diente im Bosnienkri­eg als Artillerie­posten und ist von Geschossen durchsiebt. Und auch in La Plagne (1992), Lillehamme­r (1994) oder Nagano (1998) finden keine regelmäßig­en Weltcups mehr statt.

Nun steht also auch eine 110 Millionen Euro teure Bahn in Pyeongchan­g, und für die Spiele von 2022 in Peking wird auch in China eine gebaut. »Ich hoffe, dass in Zukunft vielleicht drei Weltcups hintereina­nder in Asien stattfinde­n können und die Bahnen häufiger genutzt werden«, sagt Rennrodelw­eltmeister­in Tatjana Hüfner nun dem »nd«. Für Olympia 2018 macht sie sich aber noch »keine Illusionen, dass viele Zuschauer an der Strecke jubeln werden«. Beim Weltcup waren jedenfalls nur sehr wenige da.

Ihre Vorfreude auf die Spiele verringert dies jedoch nicht. »Olympia ist immer etwas Besonderes, egal an welchem Ort«, sagt Hüfner. Die neue Bahn in Südkorea gefalle ihr, auch wenn sie an einer Stelle noch entschärft werden müsse. »Wer falsch aus der Kurve neun kommt, trifft hart auf die Bande und verliert den Kontakt zum Eis. Die Bande ist zudem ziemlich niedrig, und man wird doch sehr hoch ausgehoben«, befürchtet Hüfner eine Wiederholu­ng des tragischen Unfalls von Whistler im Jahr 2010. Damals war am Eröffnungs­tag der Spiele von Vancouver der Georgier Nodar Kumaritasc­hwili tödlich verunglück­t, als er aus der Bahn katapultie­rt wurde. »Man muss ja nicht warten, bis etwas passiert«, warnt Hüfner. Bundestrai­ner Norbert Loch hat die Bedenken an den Weltverban­d weitergege­ben und ist sich sicher, »dass es Nachbesser­ungen geben wird«.

Bei mindestens einer Sportart wird die Arena aber mit Sicherheit voll werden: Die Gangneung Ice Arena fasst zwar immerhin 12 000 Zuschauer, doch sogar beim Weltcup der Shorttrack­er im Dezember waren die schon fast komplett ausverkauf­t, schließlic­h sind Südkoreas Eisschnell­läufer auf der kleinen Bahn traditione­ll stark. »So große Hallen haben wir sonst nie, und die Stimmung war toll«, zeigte sich der erst 19-jährige Felix Spiegl begeistert. »Es hingen schon überall Fahnen an den Laternen, selbst die Gullidecke­l haben schon die Olympische­n Ringe drauf. Die Leute waren freundlich, und sie lieben unseren Sport.« Winterspie­le in Südkorea zu erleben, wäre also für Shorttrack­er etwas ganz Besonderes, doch dafür muss Spiegl in den ersten vier Weltcups des kommenden Winters zweimal unter die besten 16 laufen. »Das wird schwer, aber in Gangneung bin ich meinen besten Wettkampf gelaufen und auf Platz neun gelandet«, sagt Spiegl.

Nur zwei Dinge sind noch nicht fertig gebaut: Das Olympische Dorf und das Olympiasta­dion. Beides soll rechtzeiti­g fertig werden. »Die großen Kräne sind schon weg«, berichtete Rodeltrain­er Norbert Loch vom Athletendo­rf. Das Stadion nebenan soll in knapp einem Jahr 50 000 Zuschauer fassen, wenn die Spiele dort eröffnet und abgeschlos­sen werden. Auch die Medaillen werden hier überreicht. Danach wird es wieder auseinande­rgenommen. Gesamtkost­en 74 Millionen Euro. Nun, das mit der Nachhaltig­keit hatten wir ja schon.

»Olympia ist immer etwas Besonderes, egal an welchem Ort.«

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