EU sucht Wege aus der Zwietracht
Polnische »Trotzreaktion« wegen Wahl Tusks belastet Gipfeltreffen
Brüssel. Nach dem Eklat um Polens Boykotthaltung auf dem EU-Gipfel suchen die Mitgliedsstaaten nach Wegen aus der Zwietracht. Die Staats- und Regierungschefs berieten am Freitag in Brüssel über die Zukunft der Staatengemeinschaft ohne Großbritannien auf. Im Mittelpunkt stand die Vorbereitung einer gemeinsamen Erklärung für den bevorstehenden EU-Jubiläumsgipfel in Rom.
Auch Polens Ministerpräsidentin Beata Szydlo nahm an den Gesprächen teil. Ihr Land hatte am Donnerstag aus Protest gegen die Wiederwahl des polnischen Ratspräsidenten Donald Tusk Entscheidungen des Gipfels blockiert und so das von vielen gewünschte Signal der Einigkeit verhindert.
Luxemburgs Regierungschef Xavier Bettel sprach von einer »Trotzreaktion«. Polen habe sich »nicht wie ein Erwachsener« benommen, sagte er. Dies dürfe »nicht der Dauerzustand der EU« sein. Österreichs Kanzler Christian Kern zeigte sich überzeugt, dass die Blockade Polens eine »Episode« sein werde.
Ein Signal der Einigkeit sollte vom EU-Gipfel in Brüssel ausgehen. Doch die Polen spielten nicht mit. Wie ein trotziges Kind verweigerte die nationalkonservative Regierung die Zustimmung zur geplanten Gipfelerklärung, nachdem der von ihr strikt abgelehnte Donald Tusk zum EU-Ratspräsidenten gewählt worden war. Die EU hat einen weiteren Krisenherd.
Die Frage, was die polnische Regierungspartei PiS bewogen haben mag, ihrem liberalkonservativen Landsmann die Zustimmung zu verwehren, liegt im Persönlichen und Politischen. Für Parteichef Jaroslaw Kaczynski ist Tusk ein rotes Tuch, er macht ihn – ohne Beweise nennen zu können – für den Tod seines Zwillingsbruders verantwortlich. Politisch steht er für ein homogenes, souveränes, katholisches Polen, während Tusk sich am Liberalismus des Westens orientiert. Der heimliche Regierungschef Kaczynski will verhindern, dass Tusk ihm nach seinem Amt in Brüssel innenpolitisch in die Quere kommt. Außenpolitisch folgt er der Parole »Polen zuerst«. So hegt Kaczynski schon länger den Plan, die EU auf einen Binnenmarkt zu reduzieren, das Einstimmigkeitsprinzip wieder einzuführen und die Nationalstaaten zu stärken. Vor allem will er sich Einmischungen seitens der EU in die Innenpolitik verbitten. In Brüssel könnte die PiS-Regierung das Spiel nun zu weit getrieben haben, Polen steht isoliert da.