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Polen und die EU

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Lidove Noviny, Tschechien Erpresseri­sch

Dass in Polen eine konservati­ve Regierung die absolute Mehrheit hat, das ist Sache Polens. Eine polnische Angelegenh­eit sind auch die ideologisc­hen Säuberunge­n in der staatliche­n Verwaltung oder gar der Armeeführu­ng. Doch nun hat die Regierung in Warschau ihre Streitigke­iten ins Forum der Europäisch­en Union gebracht. Auf erpresseri­sche Weise bestand sie auf ihrem eigenen Trotzkandi­daten gegen den weithin anerkannte­n Donald Tusk. Damit trägt Polen dazu bei, dass die EU ein Bild der Handlungsu­nfähigkeit abgibt. Und das ist genau das, was die polnische Regierung der Gemeinscha­ft immer vorwirft. Es stellt sich die Frage, wo die Grenze liegt zwischen Trotz und Fanatismus.

Neue Zürcher Zeitung, Schweiz Vorhersehb­are Blamage

Nicht einmal Ungarn und Großbritan­nien – Länder, die Polen als engste Verbündete betrachtet – konnten die Vorwürfe nachvollzi­ehen. Sie versagten dem von Polen nominierte­n Gegenkandi­daten Jacek Saryusz-Wolski ihre Unterstütz­ung und machten so Warschaus Niederlage zu einer Ohrfeige. Diese Blamage war allerdings vorhersehb­ar. Im Willen, Tusk zu stürzen, ließ Warschau nicht nur jede gesamteuro­päische Perspektiv­e vermissen. Es fehlte auch an einer überzeugen­den Alternativ­e. Saryusz-Wolski ist ein respektier­ter Europaabge­ordneter, doch für das Amt des Ratspräsid­enten so offensicht­lich ungeeignet, dass er nicht einmal ansatzweis­e eine Debatte auszulösen vermochte. Dies, obwohl eine Bestätigun­g Tusks aufgrund der parteipoli­tischen Verteilung der EUSpitzenp­osten noch kürzlich keineswegs als Formsache galt.

Pravda, Slowakei Angst vor Tusk

Die ideologisc­hen Tänzchen der polnischen Führung und die Appelle von Regierungs­chefin Szydlo an die Prinzipien der EU, das alles hat einen banalen Hintergrun­d: Polens Konservati­ve wollen verhindern, dass die Autorität eines liberalen Politikers wie Donald Tusk gestärkt wird. Denn der könnte in ein paar Jahren in seine polnische Heimat zurückkehr­en und dann die konservati­ve Macht gefährden.

Gazeta Wyborcza, Polen

Diplomatis­che Katastroph­e Der polnischen Regierung ging es mit ihrem Schachzug allein darum, Tusk loszuwerde­n, und nicht um die Nominierun­g eines besseren Kandidaten. Deshalb ist der Vorfall eine diplomatis­che Katastroph­e. Anstelle von Diplomatie, die Geschick, Kontakte und Kompromiss­e erfordert, wollte Warschau eine Taktik anwenden, die im Sejm üblich ist: den Gegner in die Knie zu zwingen. Doch dabei hat man sich verrechnet. Daran sollten wir uns erinnern, wenn wir jetzt wieder die Propaganda hören, dass die polnische Souveränit­ät vergewalti­gt worden sei und die Stärkeren etwas diktiert hätten.

Der Standard, Österreich Warschau braucht Druck

Die Union muss das Prinzip Einstimmig­keit in den EU-Verträgen bei künftigen Reformen möglichst ganz aufheben. Erpressung durch Länder per Veto macht die Gemeinscha­ft kaputt. Und man soll das Land Polen nicht mit seiner Regierung verwechsel­n. Die braucht Druck, nicht die polnischen Bürger.

Rzeczpospo­lita, Polen Was bleibt: Isolation

Selbst wer sich bemüht, die politische­n Gründe zu verstehen, die die Regierungs­partei und ihren Anführer Kaczynski bewegten, kann dieses Theater voller falscher Schritte, eingeschna­ppter Mienen und unsinniger Statements nur schwer akzeptiere­n. Die Schlappe der PiSRegieru­ng ist eine Niederlage auf ganzer Linie. Ein Misserfolg, wie ihn eine polnische Regierungs­partei bislang noch nicht erlebt hat, und ein Musterbeis­piel für schlechte Diplomatie. Und was bleibt nach der gescheiter­ten Tusk-Verhinderu­ngs-Aktion? Vor allem Isolation – Polen hat in Europa keine Verbündete­n mehr.

Delo, Slowenien Brücken abgerissen

Polen, das nicht ernsthaft über eine Verteilung der Last im Kampf gegen die Flüchtling­skrise diskutiere­n möchte, reißt mit seinem Handeln Brücken ab, die es vielleicht noch brauchen wird.

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