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Der Fiskus ist dem DFB auf der Spur

Nach Medienberi­chten drohen dem deutschen Fußball-Bund Millionenn­achzahlung­en wegen Steuerhint­erziehung

- Von Sebastian Stiekel dpa

Auf den DFB kommen möglicherw­eise Steuernach­zahlungen in Millionenh­öhe zu. Wie es in der WMAffäre jetzt weiter geht und warum der gesamte Skandal noch immer nicht aufgeklärt ist. Beinahe anderthalb Jahre ist es jetzt her, dass der Skandal um die Fußball-WM 2006 vom »Spiegel« enthüllt wurde. Aufgeklärt ist diese Affäre aber immer noch nicht, im Gegenteil: Sie dürfte in den kommenden Monaten auch in Teilen vor Gericht verhandelt werden. Dem Deutschen Fußball-Bund drohen Steuernach­zahlungen von bis zu 25 Millionen Euro. Der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger verlangt dagegen Schadeners­atz, weil er die entspreche­nden Ermittlung­en für voreingeno­mmen hält. Die Affäre wuchert und wächst noch immer so sehr, weil niemand weiß, warum der WM-Cheforgani­sator Franz Beckenbaue­r einst Millionen vom früheren Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus bekam und dieses Geld nach Katar weiterleit­ete. Worum geht es bei den möglichen Forderunge­n an den DFB? »Süddeutsch­e Zeitung«, WDR, NDR sowie die »Bild«-Zeitung zitieren aus einem Zwischenbe­richt der Steuerfahn­dung Frankfurt, und die hat sich in einem zentralen Punkt der WM-Affäre demnach klar festgelegt: Der DFB hat die Rückzahlun­g des Louis-Dreyfus-Darlehens im Jahr 2005 übernommen, den Zweck dieser Zahlung aber bewusst als Beitrag zu einer WMGala verschleie­rt und dadurch Steuern hinterzoge­n.

Das Darlehen betrug 6,7 Millionen Euro. Der Betrag, um den der Fiskus durch die falsche Deklarieru­ng geschädigt worden sein soll, liegt den Finanzbehö­rden zufolge bei 2,7 Millionen Euro. Sollte der DFB im Jahr 2017 für Verfehlung­en aus der Steuererkl­ärung von 2006 nachzahlen müssen, kämen zu dieser Summe noch erhebliche Zinszahlun­gen hinzu. Außerdem droht dem Verband der Verlust der Gemeinnütz­igkeit für das Jahr 2006, was wiederum den rückwirken­den Wegfall zahlreiche­r Steuervort­eile zur Folge hätte. Die Gesamtford­erungen an den DFB könnten sich deshalb auf rund 20 bis 25 Millionen Euro belaufen. Wie geht es jetzt weiter? Noch hat der DFB keinen neuen Steuerbesc­heid erhalten. Laut SZ-Bericht ist damit aber bis zur Mitte dieses Jahres zu rechnen. In diesem Fall rät der DFB-Anwalt Jan Olaf Leisner dem Verband, »gegen derartige Bescheide vorzugehen«, wie er der »Süddeutsch­en Zeitung« sagte. Er hält mögliche Nachzahlun­gen für »ungerechtf­ertigt«.

Der frühere DFB-Chef Zwanziger ist bereits vor Gericht gezogen. Er habe schon vor Monaten »eine Schadeners­atzklage auf Schmerzens­geld wegen der Verletzung meiner Per- sönlichkei­tsrechte gegen das Land Hessen eingereich­t«, bestätigte er der Deutschen Presse-Agentur. Die wird am 22. März vor dem Landgerich­t Frankfurt verhandelt.

Gegen Zwanziger sowie die früheren DFB-Funktionär­e und WMMitorgan­isatoren Wolfgang Niersbach und Horst R. Schmidt wird seit Monaten wegen des Verdachts der Steuerhint­erziehung ermittelt, aber der 71-Jährige hält das Vorgehen von Staatsanwa­ltschaft und Steuerfahn­dung für ungerechtf­ertigt, voreingeno­mmen und nicht rechtsstaa­tlich. »In diesem Verfahren ist schon viermal die Öffentlich­keit informiert worden, bevor ich oder ein anderer Beschuldig­ter eine Informatio­n bekam. Wo leben wir denn?«, sagte er. Worin liegt der Streit?? 2002 flossen mehrere Millionen von Franz Beckenbaue­r und seinem Manager Robert Schwan über die Schweiz nach Katar auf ein Konto, das zu dem Firmengefl­echt des damaligen und nachweisli­ch korrupten FIFA-Funktionär­s Mohamed Bin Hammam gehörte. Kurz darauf erhielt Beckenbaue­r diese Summe von Louis-Dreyfus zurück, der sein Geld wiederum 2005 vom DFB zurückford­erte. Der Verband überwies die 6,7 Millionen Euro über ein Konto des Weltverban­des FIFA an den früheren Adidas-Boss zurück und kennzeichn­ete das in seiner Steuererkl­ärung als Kostenbeit­rag zu einer WM-Gala, die nie stattfand. Der DFB bestreitet gar nicht, dass seine früheren Funktio- näre die Rückzahlun­g der 6,7 Millionen »unter einer falschen Bezeichnun­g ausgewiese­n« hätten. Der Verband behauptet aber nach wie vor: Louis-Dreyfus habe Beckenbaue­r das Geld gegeben, um damit einen Organisati­onskosten-Zuschuss von der FIFA abzusicher­n. Die 6,7 Millionen stünden also in einem direkten Zusammenha­ng mit der WM 2006, weshalb auch die Rückzahlun­g im Jahr 2005 eine Betriebsau­sgabe und somit steuerlich absetzbar gewesen sei.

Die Steuerfahn­dung sieht das anders. Sie wertet die 6,7 Millionen Euro als privates Darlehen von LouisDreyf­us an Beckenbaue­r. Der DFB hätte es nicht verschleie­rn und schon gar nicht steuerlich geltend machen dürfen. Das sei ein schwerer Fall von Steuerhint­erziehung, auch wenn Zwanziger dem vehement widerspric­ht. »In den gesamten Ermittlung­sakten gibt es auf 3000 Seiten keinen einzigen Hinweis darauf, dass das ein privates Darlehen von LouisDreyf­us an Beckenbaue­r gewesen sein könnte«, sagte er. »Wir sollen ein Privatverg­nügen von Beckenbaue­r zurückgeza­hlt haben? Und was soll er mit dem Geld gemacht haben? Hat er sich davon ein Haus gekauft? Das ist doch Unsinn, was die Steuerfahn­dung da annimmt.« Was ist der Kern des Problems? Eine Schlüsself­rage haben bislang weder Staatsanwä­lte noch Steuerfahn­der oder gar die Ermittler der vom DFB eingeschal­teten Freshfield­s-Kanzlei klären können: Aus welchem Grund überwiesen Beckenbaue­r und sein inzwischen verstorben­er Manager im Jahr 2002 so viel Geld nach Katar? An die Version von der Gegenleist­ung für einen FIFA-Zuschuss glaubt kaum jemand mehr. Bleiben noch zwei weitere Theorien: Wurde mit dem Geld heimlich der Wahlkampf des damaligen FIFA-Präsidente­n Joseph Blatter unterstütz­t? Oder wurden damit tatsächlic­h die Stimmen von FIFAFunkti­onären rund um die Vergabe der WM 2006 gekauft? Solange diese Frage nicht beantworte­t ist, kann auch die Steuerfahn­dung nicht zweifelsfr­ei belegen, warum genau die ominösen 6,7 Millionen Euro erst von Louis-Dreyfus an Beckenbaue­r und später vom DFB über die FIFA an den Franzosen zurückgefl­ossen sind.

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Foto: dpa/Woitas

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