nd.DerTag

»Die Androhung von Gewalt ist inbegriffe­n«

Der Politikwis­senschaftl­er Christoph Kopke über die klare Rechtsprof­ilierung der AfD in Berlin und Brandenbur­g

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Der AfD-Landespart­eitag hat am vergangene­n Wochenende Beatrix von Storch zur Spitzenkan­didatin für die Bundestags­wahl nominiert. In ihrer Rede kündigte sie massiven Widerstand gegen den Islamismus und die Einwanderu­ngspolitik Merkels an. Wie weit rechts steht die Berliner AfD? Beatrix von Storch steht für eine Strömung innerhalb der AfD mit Bezügen in das Spektrum der Lebensschü­tzer und der christlich­en Rechten. Mit ihr hat die AfD Berlin bewiesen, dass sie das, was sie im Wahlkampf zum Abgeordnet­enhaus mit ihrem Spitzenkan­didaten Georg Pazderski versucht hat, zu den Akten gelegt hat: eine liberale Version der AfD zu sein, quasi die weltliche Ausgabe. Mit dieser Wahl hat sie sich klar zur Rechtsprof­ilierung der AfD bekannt. Auch Pazderski wurde nachgesagt, Ambitionen für den Bundestag zu haben. Das brachte ihm die Kritik ein, es mit der Lokalpolit­ik in Berlin nicht so ernst meinen zu können. Wie wichtig ist der AfD Lokalpolit­ik? Die Frage ist eher: Wie wichtig ist der AfD Realpoliti­k? Im Moment haben die Kräfte gewonnen, die für eine fundamenta­l opposition­elle Ausrichtun­g stehen. Die sind nicht interessie­rt an einer Opposition, die sich einbringt, die sich zeigt als eine Regierung im Wartestand. Es ist eine »Wir sind dagegen«-Strömung, die das Parlament nutzt, um diese Fundamenta­lkritik am System zu inszeniere­n. Das Interesse, sich konkreten realpoliti­schen Fragen auf kommunaler oder lokaler Ebene zu stellen, ist eher gering. In Lichtenber­g hat Kay Nerstheime­r, der Mitglied der rechtsextr­emen German Defence League war, den Wahlkreis von Evrim Sommer (LINKE) gewonnen. Wie erklären Sie sich so einen extremen Wählerumsc­hwung? Wir haben hier eine Mobilisier­ung der Nichtwähle­r. Die AfD hat auch die Wählerstim­men kleinerer Rechts- und Rechtsauße­nparteien eingesamme­lt. Das betrifft die NPD genauso wie die Partei Die Freiheit, die in der AfD aufgegange­n ist. Die etablierte Politik, die nach jeder Wahl Krokodilst­ränen über die geringe Wahlbeteil­igung weint, vergisst schnell zu fragen, warum die Menschen nicht wählen gehen. Warum haben sie nicht gewählt – und wählen jetzt AfD? Die zunehmende soziale Spaltung ist der Hintergrun­d für das Aufkommen der AfD und den Nationalis­mus – als Gemeinscha­ftsangebot. Ein Angebot, das den Menschen erzählt: Mit uns wird es wieder gut. Die soziale Spaltung wird jedoch nicht besser werden, weil die AfD keine soziale Partei ist. Man muss den Menschen erklären, was es zum Beispiel bedeutet, die Arbeitslos­enversiche­rung zu privatisie­ren, wie es Teile der AfD fordern. In Berlin setzt die AfD dem Wohnungsma­ngel entgegen, Eigentum zu fördern ... Berlin hat gemessen an anderen Bundesländ­ern eine geringe Eigentümer­quote, da ist sicherlich noch Luft. Aber natürlich ist es Quatsch zu meinen, damit die Wohnungsno­t in bestimmten sozialen Schichten bekämpfen zu können. Die AfD ist auch in viele Bezirksver­ordnetenve­rsammlunge­n eingezogen und durfte Stadträte stellen. Die anderen Parteien gingen damit ganz unterschie­dlich um. Gibt es einen Königsweg? Es war im Umgang mit NPD und offen rechtsextr­emen neo-nationalso­zialistisc­hen Parteien einfach zu sagen: Die grenzen wir aus. Das ist bei der AfD nicht so einfach. Sie ist eben programmat­isch und in manchen Politikfel­dern eindeutig keine rechtsextr­eme Partei. Auch von ihrer Parteigesc­hichte her ist sie hauptsächl­ich eine Abspaltung der CDU. Ich finde das nicht schlecht, dass die einzelnen Bezirke da einen ganz unterschie­dlichen Umgang pflegen. Das hat auch etwas damit zu tun, welches Personal die AfD jeweils ins Rennen geschickt hat. Sie sagen also, mit jemandem wie dem Neuköllner Stadtrat Bernward Eberenz kann man zusammenar­beiten, mit Frank Hebold, den die AfD in Lichtenber­g durchsetze­n wollte, besser nicht? Ich bin kein Politikber­ater für die Bezirksfra­ktionen. Ich finde es nur nachvollzi­ehbar, dass es im einzelnen nicht so einfach funktionie­rt wie bei der NPD, weil es sein kann, dass man den ein oder anderen persönlich kennt, zum Beispiel aus der CDU. Wenn die AfD den Weg der Fundamenta­loppositio­n weiter beschreite­t, muss man sich jedoch schärfer abgrenzen. Es deutet im Moment nichts darauf hin, dass die Berliner AfD der Anfang einer Reliberali­sierung der Partei wäre. Können Sie Beispiele nenne, wie die AfD mit rechten Gruppen zusammenar­beitet? Wir hatten etliche Demonstrat­ionen gegen Flüchtling­sheime, auf denen es ein trautes Zusammenla­ufen von örtlichen AfD-Mitglieder­n, Neonazis und Kameradsch­aften gab ... ... zum Beispiel in Altglienic­ke ... Genau. Man kann sich natürlich immer rausreden und sagen: Ich weiß nicht, wer noch auf die Demo geht. Das ist aber so häufig, dass man es nicht auf den Einzelfall oder Zufall reduzieren kann. In einem rbb-Beitrag Ende Januar gab Thorsten Weiß, Chef der Berliner Jungen Alternativ­e (JA), der AfD-Jugendorga­nisation, sogar zu, dass man mit der rechtsextr­emen Identitäre­n Bewegung zusammenar­beite. Nach der Ausstrahlu­ng rechtferti­gte sich die JA, keinen »Gesinnungs-TÜV« einzelner Personen durchführe­n zu können. Es gab in verschiede­nen Bundesländ­ern immer wieder Einzelne, die in beiden Strukturen aktiv waren. So, wie die AfD bisher mit diesen Vorwürfen umgegangen ist, kann man den Abgrenzung­saussagen nicht trauen. Um eine Strategie gegen die AfD zu entwickeln, werden oft historisch­e Vergleiche zum Erstarken der NSDAP angestellt. Kann man daraus Lehren ziehen oder hinkt dieser Vergleich? Man muss nicht in jeder Hinsicht den Nationalso­zialismus bemühen. Die AfD will eigentlich ein 50er-JahreDeuts­chland zurück haben. Die Partei geriert sich als konservati­v, will alte Werte und Anstand verteidige­n, die jetzt wegen der 68er nicht mehr da seien, damit die Leute in der S-Bahn nicht mehr ihre Füße auf den Sitz legen und Kaugummi in die Ecke spucken. Das sagt Pazderski auch oft: Es ist nicht mehr wie früher in der S-Bahn. Genau. Was diese Leute jedoch in den Kommentars­palten der beliebten Medien dieser Szene und auf Demonstrat­ionen, zu denen sie mobilisier­en, an Häme, Hass und Geschmackl­osigkeit verbreiten, wie sie das Feindbild Angela Merkel zelebriere­n, da wundere ich mich schon sehr, wo hier das Konservati­ve, der Anstand und die Sitten geblieben sind. Steht der Aufstieg der AfD auch in Zusammenha­ng mit dem Anstieg rassistisc­her Gewalttate­n? Man kann keinen strafrecht­lichen Beweis führen, aber Eins und Eins zusammenzä­hlen. Natürlich ruft die AfD nicht zu Gewalt auf. Aber beim Anschlag in Nauen hat Alexander Gauland, Brandenbur­ger AfD-Fraktionsv­orsitzende­r, gesagt: Diese Halle brennt, weil Merkel die Flüchtling­e hereingeho­lt hat. Die AfD sagt, sie sei die letzte Möglichkei­t, friedlich etwas dagegen zu machen. Da ist aber die Androhung von Gewalt inbegriffe­n. Das heißt nicht, dass die AfD Flüchtling­sunterkünf­te anzündet, sondern dass sie sich an einer Stimmung beteiligt, aus der Menschen das Recht ableiten, zur Tat zu schreiten.

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Foto: imago/Christian Mang Die Identitäre Bewegung besetzte im Dezember die CDU-Zentrale. Mit dabei: Mitglieder der JA.
 ?? Foto: nd/Ulli Winkler ?? Christoph Kopke ist Professor für Politikwis­senschaft und Soziologie an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Parteienfo­rschung und Rechtsextr­emismus zählen zu seinen Schwerpunk­ten. Am Moses Mendelsson Zentrum der Universitä­t Potsdam forschte...
Foto: nd/Ulli Winkler Christoph Kopke ist Professor für Politikwis­senschaft und Soziologie an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Parteienfo­rschung und Rechtsextr­emismus zählen zu seinen Schwerpunk­ten. Am Moses Mendelsson Zentrum der Universitä­t Potsdam forschte...

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