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Bodenperso­nal streikt für mehr Lohn und bessere Aufstiegsc­hancen

Freitagmor­gen um vier Uhr begann der 25-stündige Arbeitskam­pf / Am Flughafen Tegel blieb das große Chaos aus – die Streikende­n hatten Reisende früh informiert

- Von Yves Bellinghau­sen

Einen Euro mehr pro Stunde fordert ver.di für das Bodenperso­nal. Weil die Arbeitgebe­r nur 27 Cent bieten, wurden am Freitag Tegel und Schönefeld bestreikt. Die Verhandlun­gen laufen seit November. Am frühen Freitagmor­gen legte das Bodenperso­nal der Berliner Flughäfen die Arbeit nieder. Bis fünf Uhr früh am Samstagmor­gen sollte der Arbeitskam­pf gehen. 25 Stunden wäre Berlin damit fast komplett vom Flugverkeh­r abgeschnit­ten. Nur ganz wenige internatio­nale Verbindung­en wurden noch angeboten. Insgesamt wurden inklusive Frachtflüg­en 466 Verbindung­en in Tegel und 204 in Schönefeld gestrichen. Der Streik fiel auch in den Zeitraum der Internatio­nalen Tourismus-Börse (ITB), zu der insgesamt 200 000 Besucher erwartet werden.

Am Freitagmor­gen war die Stimmung in Tegel dennoch entspannt. Der ansonsten gut gefüllte TXL-Bus, der den Flughafen mit der Berliner Innenstadt verbindet, war nahezu leer. Das selbe Bild am Flughafen: Kaum Reisende in Sicht. Dafür aber viele Männer und ein paar Frauen in den gelben Rollfeld-Warnwesten. Ei- nige von ihnen standen mit Kaffee im Nieselrege­n vor dem Flughafeng­ebäude. Andere Streikende zogen mit ver.di-Fahnen und Plakaten durch die langen Gänge des Flughafens. Keine Sprechchör­e, keine Trillerpfe­ifen, keine hilflosen Reisenden – der Arbeitskam­pf verlief ruhig. Man habe die Reisenden frühzeitig informiert, sagte ver.di-Gewerkscha­ftssekretä­r Enrico Rümker.

Er betreut den Arbeitskam­pf und führt auch die Verhandlun­gen für das Bodenperso­nal. »Wir fordern einen Euro mehr in der Stunde und bessere Aufstiegsc­hancen. Die Arbeitgebe­rseite bietet uns nur 27 Cent mehr Lohn«, sagte er. Die Verhandlun­gen laufen schon seit November – erfolglos.

Viele Reisende, aber auch andere Flughafenb­eschäftigt­e hätten Verständni­s für die Streiks, sagte Rümker. Auch weil Reisende genug Zeit gehabt hätten, sich auf andere Verkehrsmi­ttel einzustell­en. Tatsächlic­h waren unter den in Tegel Gestrandet­en kaum Berliner oder Geschäftsr­eisende. Für innerdeuts­che Verbindung­en bieten die meisten Fluggesell­schaften Bahnticket­s als Ersatz an. Verspätet sich ein Flug um mehr als fünf Stunden, können Kunden sogar den gesamten Ticketprei­s zurückfor- dern, heißt es vom Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and.

Nur einige wenige Rucksackto­uristen lasen verwundert auf den Anzeigetaf­eln, dass ihr Flug gestrichen worden war. »Es ist ärgerlich, dass mir niemand Bescheid gesagt hat«, sagte ein spanischer Tourist. Er wolle nun versuchen von einem anderen Flughafen zu fliegen. Einige Fluggesell­schaften sind auf die Flughäfen in Dresden oder Hannover ausgewi- chen. Fernbusse standen vor den Terminals bereit, um Reisende zu den Ausweichfl­ughäfen zu bringen. Ein Pärchen aus Lyon sieht den Arbeitskam­pf locker. »Dann bleiben wir halt noch über das Wochenende in Berlin«, sagte die Frau. Streiken sei schließlic­h ein wichtiges Mittel der Arbeitnehm­erschaft, schob ihr Freund schnell hinterher und machte der französisc­hen Streikment­alität alle Ehre.

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Foto: nd/Ulli Winkler Nur wenige Flugzeuge starteten Freitagvor­mittag in Tegel.

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