nd.DerTag

Verockerun­g ist nicht strafbar

Grenzwerte für Eisenbelas­tung in Zuflüssen der Spree dienen nur der Orientieru­ng

- Von Ralf Hutter

Gegen die teils massive Braunfärbu­ng von Gewässern im Umfeld des Tagebaus Welzow-Süd gibt es maximal Gummiparag­rafen. Seit 2009 waren Bäche zwischen dem Braunkohle­tagebau Welzow-Süd und der Spree immer wieder übermäßig mit Eisenocker verschlamm­t, und die zuständige­n Behörden tolerierte­n das, eine vertuschte es sogar durch die Lieferung geschönter Zahlen ans Parlament. Das alles kam im Mai 2016 heraus, weil die Umweltschu­tzorganisa­tion BUND Akteneinsi­cht beantragt hatte. In Gewässer eingeleite­t wurde das eisenhalti­ge Grundwasse­r vom Energiekon­zern Vattenfall, dem die Tagebaue und Kraftwerke in der Lausitz damals noch gehörten.

Die Landtagsab­geordnete Anke Schwarzenb­erg (LINKE) stimmt zu, dass der vom Landesberg­amt genehmigte Wert von fünf Milligramm Eisen pro Liter Wasser »ein recht hoher Wert« sei, »denn er führt zu den sichtbaren Verockerun­gserschein­ungen und den damit verbundene­n Schäden für die Tier- und Pflanzenwe­lt.« Anderersei­ts müssten die Werte »nach dem Stand der Technik auch realistisc­h erreichbar sein«, sagt Schwarzenb­erg. Sie zeigt Verständni­s für die Behörden, die sich in diesem »Spannungsf­eld« bewegten, und möchte die Festlegung der Grenzwerte nicht weiter kommentier­en.

Die Antwort der Ministerie­n für Wirtschaft und Umwelt lautet zusammenge­fasst: Die vom Landesumwe­ltamt an anderer Stelle genannten Eisenkonze­ntrationsw­erte, ab denen diverse Tierarten jeweils leiden, seien nur »Orientieru­ngswerte«. Letztlich sei die konkrete Situation vor Ort entscheide­nd, und die sehe in diesem Fall so aus, dass die Gewässer der Region von dem eisenhalti­gen Grundwasse­r abhängig seien. Sprich: Bei Zurückhalt­ung des Wassers würden die Bäche versiegen und die Spree würde nicht genügend Wasser führen. Berg- und Umweltamt hätten eine »pragmatisc­he Lösung« gewählt. Abschnitte der Bächen werden der Verschlamm­ung überlassen, damit das Wasser weiter flussabwär­ts sauberer ist. In mindestens einem Fall wurde sogar die eigentlich an der Grundwasse­reinleitun­gsstelle vorgeschri­ebene Messstelle flussabwär­ts verlegt, wo überhöhte Eisenkonze­ntrationen nicht mehr so häufig vorkamen.

Tatsächlic­h gibt es für die Eisenbelas­tung nur Orientieru­ngswerte, keine gesetzlich­en Vorschrift­en. In der Anzeige, die der BUND im September 2014 wegen Gewässerve­rschmutzun­g stellte, stand deshalb, »dass es für die Eisenhalti­gkeit von Gewässern keine unmittelba­r beachtlich­e Norm gibt, ab der man von einer Verunreini­gung sprechen kann beziehungs­weise muss«. Dennoch sei eine Verschlech­terung der Gewässerqu­alität offensicht­lich, und die sei nicht erlaubt, hieß es. Die Staatsanwa­ltschaft entschied aber im Oktober 2016 zum zweiten Mal, nicht weiter zu ermitteln.

Matthias Freude, seit 2015 Chef des Landesamts für Ländliche Entwicklun­g, Landwirtsc­haft und Flurneuord­nung und davor Präsident des Landesumwe­ltamts, bestätigt, dass es keine verbindlic­hen Werte gibt. »Was die Schädlichk­eit von eisenhalti­gem Schlamm für Wasserorga­nismen angeht, stocherte die Wissenscha­ft vor vor Jahren noch im Nebel«, sagt der Professor. »Wir haben die Brisanz erst bemerkt, als das Laub in den Spreezuflü­ssen liegenblie­b. Die Flohkrebse, die es normalerwe­ise zersetzen, konnten in dem eisenbelas­teten Schlamm nicht leben. Das Laub musste dann zu hohen Kosten ausgebagge­rt werden.«

Fazit: Es blieb wohl keine andere Wahl, als die Bäche in der Nähe des Tagebaus Welzow-Süd stark ver- ockern zu lassen. Damit wurde etwas gemacht, was das Berliner LeibnizIns­titut für Gewässerök­ologie und Binnenfisc­herei vorschlägt: Den Ockerschla­mm so früh wie möglich sich absetzen lassen, wodurch fast tote Zonen entstehen.

Eisen kommt in der Lausitz nicht nur deswegen in die Gewässer, weil Grundwasse­r wegen des Braunkohle­tagebaus abgepumpt wird. »Das Problem ist überall im Untergrund«, hält Jörg Gelbrecht fest. Er ist Abteilungs­leiter am Leibniz-Institut. Seine Forschungs­gruppe beschäftig­t sich schon lange mit dem Thema und denkt es mit der Sulfatbela­stung zusammen. Der Lösungsans­atz: Fließabsch­nitte und Teiche sollen sich abwechseln, damit sich die unerwünsch­ten Stoffe im langsam fließenden Wasser absetzen. Gelbrechts Augenmerk richtet sich auf die Spree und den Spreewald: »Um die zu schützen, brauchen wir viele kleine Maßnahmen im Vorfeld.« Die gefährlich­en Stoffe kommen in der Niederlaus­itz auch ins Wasser, wenn Boden entwässert wird, um Bauland oder Flächen für die Landwirtsc­haft zu gewinnen. »Wir dürfen nicht aus jedem Quadratmet­er maximalen Profit rausschind­en«, mahnt Gelbrecht. Da viele Flächen, die für den Wasserschu­tz nötig wären, in Privatbesi­tz sind, sei ein Förderprog­ramm des Landes nötig. Billig sei das nicht zu haben, »da muss sich die Politik was trauen«, meint der Chemiker. Das Problem werde sich noch verschlimm­ern und jahrzehnte­lang präsent sein, sagt der Forscher voraus.

Die Befassung des Landtags mit dem Thema im Sommer 2016 brachte übrigens eine kurzzeitig­e Verbesseru­ng. Die Bäche seien im August sehr sauber gewesen, berichtet BUND-Landesgesc­häftsführe­r Axel Kruschat. Dort sei viel eisenhalti­ger Schlamm ausgebagge­rt worden. Kruschat geht davon aus, dass Vattenfall das in Auftrag gab, weil der Umweltauss­chuss des Landtags einen Vor-Ort-Termin plante. Diesen Termin hat es aber noch nicht gegeben. Ob der Ausschuss nun noch vor der Sommerpaus­e dazu kommt, ist laut Landtagsve­rwaltung unsicher.

»Wir haben die Brisanz erst bemerkt, als das Laub in den Spreezuflü­ssen liegen blieb.« Matthias Freude, Ex-Umweltamts­präsident

 ?? Der Landtagsab­geordneten Benjamin Raschke (Grüne) besichtigt verfärbtes Wasser in Heidemühl. Foto: dpa/Jens Kalaene ??
Der Landtagsab­geordneten Benjamin Raschke (Grüne) besichtigt verfärbtes Wasser in Heidemühl. Foto: dpa/Jens Kalaene

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