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Wo der Computer chauffiert

Niedersach­sen richtet Teststreck­en für automatisi­ertes Autofahren ein – über 280 Kilometer

- Von Hagen Jung

Auf mehreren Autobahnen und Bundesstra­ßen will Niedersach­sen Teilstreck­en zum Erproben des automatisi­erten Fahrens einrichten. Bislang gibt es so etwas nur auf einem Abschnitt der A9 in Bayern. Zum Rasieren fehlte Zuhaus die Zeit, und so holt der stoppelige Mann diesen Teil seiner Körperpfle­ge im Auto nach, blickt dabei in den Rückspiege­l, während der Computer als zuverlässi­ger Chauffeur den Wagen zum Arbeitspla­tz steuert. Ehe solch völlig autonomes Fahren möglich ist und alle Menschen im Auto nur noch Passagiere sind, werden voraussich­tlich noch einige Jahre vergehen. Doch die Wege zu jener höchsten Automatisi­erungsstuf­e im Straßenver­kehr werden mit immer mehr Engagement bereitet. So hatte etwa der Bund im vergangene­n Jahr ein Teilstück der Autobahn A 9 zwischen München und Nürnberg als Teststreck­e für »selbst« fahrende Autos ausgestatt­et, und ein besonders umfangreic­hes Projekt startet nun in Niedersach­sen.

Dort wird im Laufe des Jahres damit begonnen, auf vier Autobahnen und drei Bundesstra­ßen im Raum Hannover, Wolfsburg, Braunschwe­ig und Salzgitter Teststreck­en für automatisi­ertes Fahren einzuricht­en. Zusammen werden sie ein 280 Kilome- ter langes Testfeld bilden. In seinen schrittwei­sen Aufbau investiere­n das Land und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) fünf Millionen Euro, von denen beide Partner je die Hälfte tragen.

Das DLR wird auf den Teststreck­en nach und nach Geräte zur »Kommunikat­ion« zwischen Verkehrswe­g und Auto installier­en – Sensoren und Kameras vor allem. Mit dem Testfeld, so Zentrums-Chef Karsten Lemmer, entstehe in Niedersach­sen eine Plattform für das automatisi­erte und vernetzte Fahren, die national und internatio­nal einzigar- tig sei. Das hob auch Verkehrsmi­nister Olaf Lies (SPD) hervor, der jetzt mit Lemmer eine Vereinbaru­ng in punkto Partnersch­aft unterzeich­nete.

Die neuen Technologi­en, so Lies, »tragen zu mehr Sicherheit und Komfort bei, und sie sind auch als ein Gewinn für die älter werdende Gesellscha­ft anzusehen«. Das automatisi­erte und später autonome Fahren gehöre zu den Kernelemen­ten der Mobilität von Morgen.

Erreicht werden soll sie in mehreren Stufen. »Teilautoma­tisiertes Fahren« heißt die erste; dabei muss der Mensch das elektronis­che System dauerhaft überwachen und jederzeit das Fahren voll und ganz übernehmen können. Es folgt die »Hoch-Automatisi­erung«. Dabei muss der Fahrer nicht ständig auf den ChauffeurC­omputer aufpassen, wird aber von ihm gewarnt, sobald persönlich­es Eingreifen nötig ist. Stufe drei nennt sich »voll automatisi­ertes Fahren«. Nun ist der Autorobote­r in allen Situatione­n in der Lage, einen »risikomini­malen« Zustand herzustell­en. Endziel ist sodann das autonome, das »fahrerlose« Fahren; dabei übernimmt der Computer das Auto vollständi­g, vom Start bis zum Ziel, es könnte also auf dem Fahrersitz getrost rasiert, gelesen, gechattet werden.

Doch ein Gesetzentw­urf, vom Bundeskabi­nett Anfang des Jahres beschlosse­n, besagt zum automatisi­erten Fahrern: Der Mensch soll auch beim Einsatz des Computers grundsätzl­ich die letzte Verantwort­ung behalten. In diesem Sinne äußerte sich auch Minister Lies mit Blick auf den Testbetrie­b für neue Fahrsystem­e: »Es ist immer ein Fahrer an Bord, der eingreifen kann und letztlich für die Sicherheit verantwort­lich ist.« Einem Forschungs­fahrer, der sich zwischen Hannover und Braunschwe­ig seelenruhi­g im Rückspiege­l rasiert, wird man demnach erst mal kaum begegnen, wenn der erste Teil des Testfeldes 2018 in Betrieb genommen wird.

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Foto: dpa/Daniel Naupold Auf der Autobahn mit einem selbstfahr­enden Prototypen

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